Woanders ist es auch nicht besser
Das deutsche Gesundheitssystem geht den Bach runter, findet die Apothekenspitzel:in. Die Erfahrungen einer ausgewanderten Freundin machen ihr Hoffnung – ist doch nicht alles so schlecht?
Medikamenten- und Personalmangel, dazu steigende Bürokratie – große Herausforderungen im Arbeitsalltag haben wir viele, und mit den Konsequenzen müssen wir alle leben. Auch Patientinnen und Patienten berichten uns regelmäßig von ihren negativen Erfahrungen, die sie immer wieder machen müssen (z. B. lange Wartezeiten in der Arztpraxis, kurzfristig verschobene OPs in den Kliniken, Ärztemangel, etc.) und Mitarbeitende von Kliniken sagen auch nichts anderes.
Dass die rund 100 Krankenkassen eher für mehr Unordnung als Ordnung sorgen und Unruhe stiften, dürfte ebenfalls bekannt sein. Über die Verwaltungskosten möchte ich schon gar nicht reden. Fakt ist: Es gibt viel zu meckern, weil einige Dinge nicht (mehr) funktionieren. Unser Gesundheitssystem geht den Bach herunter, leider.
Meckern wir auf hohem Niveau?
Trotz der berechtigten Kritikpunkte wird das deutsche Gesundheitssystem im internationalen Vergleich oft als gut bewertet, vielleicht kaum zu glauben für uns. Auswertungen zeigen: Es bietet eine umfassende Versorgung und einen hohen Standard an medizinischer Betreuung.
Ein Blick nach Südostasien zeigt uns, dass es auch anders gehen kann. Und zwar nicht unbedingt besser – im Gegenteil. Wie ich darauf komme? Letztens habe ich mit einer alten Freundin, nennen wir sie hier mal Lisa, über Gott und die Welt gesprochen. Sie wohnt seit geraumer Zeit in Vietnam, ist sehr positiv gestimmt und erzählte mit Begeisterung, wie toll das Arbeitsleben dort sei. An die anfänglichen Durchfälle und Magen-Darm-Verstimmungen habe sie sich gewöhnt, „jetzt kann ich alles problemlos essen“, sagte sie. Die Menschen dort seien viel entspannter, der Stress im Arbeitsleben eher niedrig und die Lebensqualität hoch – einfach nur super. „Ich kann mir gar nicht mehr vorstellen, wieder in Deutschland tätig sein“, so Lisa. „Ich glaube, ich kann mich nicht mehr anpassen.“
Auch andere kochen auch nur mit Wasser ...
Im weiteren Verlauf berichtete sie dann auch von den dortigen Zuständen im Gesundheitssystem. Vieles müsse man aus eigener Tasche bezahlen, eine gesetzliche Krankenkasse wie hier in Deutschland gebe es zwar, aber nicht so, wie wir sie kennen bzw. nicht so, wie wir es gewohnt sind. Viele Vietnamesen und Expats entscheiden sich deshalb zusätzlich für private Krankenversicherungen, um Zugang zu qualitativ hochwertigeren medizinischen Dienstleistungen im privaten Sektor zu erhalten. Private Krankenhäuser und Kliniken bieten oft bessere Ausstattung und kürzere Wartezeiten, sind jedoch teurer.
Für ihren Frauenarzttermin habe sie beispielsweise um die 100 Euro bezahlt, aber „die Betreuung ist top! Ich habe mich so gut aufhoben gefühlt und ich wurde sehr gut aufgeklärt“, so Lisa. In Deutschland komme sie sich bei den Ärztinnen und Ärzten eher wie eine Nummer vor, die abgearbeitet wird – so ihre Aussage. Und auch in Apotheken ging es allgemein anders zu. Ich war sehr neugierig und fragte sie regelrecht aus.
Verkauf von einzelnen Blistern
Hierzulande geben wir in der Regel ganze Packungen ab und nur in Ausnahmen werden Blister mit der Packungsbeilage mitgegeben. In Vietnam geht es anscheinend anders zu. „Arzneimittel werden vom Arzt oder der Ärztin in bestimmter Stückzahl aufgeschrieben und die Apotheke berechnet dann den Preis der Medikation vor Ort”, erzählte meine Freundin. Im ersten Moment fand ich dieses System super, mir fielen lauter Vorteile wie weniger Müll, Umweltschutz und so ein, denn man bekommt ja schließlich so viele Tabletten, wie man benötigt. Doch so werden den Arzneimittelfälschungen die Türen geöffnet.
Ein bekanntes deutsches Versicherungsunternehmen warnt davor, dass Auswanderer sich vor gefälschten oder abgelaufenen Medikamenten in Acht nehmen sollen. Arzneimittelfälschungen sind eine weltweite Gefahr und auch die südostasiatischen Länder wie Vietnam bleiben nicht davon verschont. „Apotheken, die an private Krankenhäuser oder Kliniken angeschlossen sind, sind im Allgemeinen seriöser als andere“, heißt es auf einer Website. Das kennen wir so nicht, bei uns sind alle Apotheken seriös.
Mein Fazit
Ja, bei uns im Gesundheitssystem läuft einiges nicht rund und als Apothekenangestellte bin ich noch Teil des Systems. Doch ich bin der Meinung, dass es in anderen Ländern nicht immer besser ist. Wir haben im internationalen Vergleich weiterhin die Nase vorn (auch wenn uns das vielleicht nicht so bewusst ist). Wenn woanders sogar vor öffentlichen Apotheken gewarnt wird, dann bin ich froh, dass wir unser rotes Apotheken-A haben, dass für Qualität steht.