Tschüss, Rentnerbravo!

Aller Anfang ist schwer, egal ob neue Gewohnheiten, Hobbys oder Herausforderungen im Job. Die Apothekenspitzel:in berichtet, warum sie es in der Apotheke gewagt haben, sich vom alten Trott zu verabschieden.

Alle Jahre wieder: Viele unserer Mitmenschen nehmen sich viel fürs neue Jahr vor. Der eine will sein Körpergewicht reduzieren und meldet sich im Fitness-Studio an. Die Studios platzen aus allen Nähten, wohlgemerkt für die ersten paar Monate. Die Inhaber dürfen sich dann im Anschluss über abwesende, aber gleichzeitig zahlende Mitglieder freuen.  

Ich habe mir zum Beispiel vorgenommen, einen Gang herunterzuschalten und nicht mehr 200 Prozent zu geben, sondern „nur“ 95 Prozent. Ob zuhause, auf der Arbeit oder im Zwischenmenschlichen. Denn oftmals kommt dabei mehr oder weniger das gleiche Ergebnis heraus. Warum also zu viel Energie aufwenden? Auch möchte ich mich nicht mehr über Dinge aufregen, die ohnehin nicht in meiner Macht stehen und die ich kaum oder nicht beeinflussen kann. Außerdem möchte ich ein paar kleinere weitere Umstellungen in meinem Leben vornehmen und mehr für mein „Ich“ tun – Stichwort Selbstfürsorge. 

Was wir uns in der Apotheke vorgenommen haben 

Dass wir in der Apotheke die Gürtel immer enger schnallen müssen, ist keine Neuigkeit mehr. Kurz vor dem Jahreswechsel habe ich zufällig mitbekommen, dass unser Chef sich dazu entschlossen hat, die Rentnerbravo nicht mehr anzubieten. Trotz Mindestabnahmemenge sind regelmäßig Zeitschriften übriggeblieben, die wir dann entsorgt haben. Aber auch sonst müssen wir eben sparen. 

Ich bin jedes Mal gespannt, wie die Kunden darauf reagieren werden. Die Kalenderanfragen hatten schon deutlich abgenommen, so ganz verschwunden sind sie aber nicht. Auch nach zwei Jahren Abschaffung fragen Leute immer noch nach. Nein, wir haben keine Kalender zu verschenken! Die meisten Leute haben bis jetzt Verständnis für unsere Erklärung gezeigt. Vereinzelt hörst du aber natürlich auch hier und da die Aufregung, „von wegen kein Geld da“ und so … 

„Erst den Fernsehteil und jetzt komplett wegfallen zu lassen, finde ich schon sehr hart“, sagte eine PTA-Kollegin letztens, als wir gemeinsam Dienst hatten und das Thema aufkam. Naja, hart finde ich eher, wie die Politik mit den Apotheken umgeht. Warum müssen wir immer etwas verschenken? Im Supermarkt bekommt man auch immer nur das, was man bezahlt. Klar gibt es dort ab und an Aktionen, aber als Kunde auf die Idee kommen, zu fragen, ob es etwas kostenlos gibt, darauf käme ich wohl nie. 

Die Macht der Gewohnheit  

Andererseits kann ich auch die Kundschaft verstehen. Sie will gerne eine der auflagenstärksten und bekanntesten Zeitschriften in Deutschland lesen – und das ganz ohne Kosten und Abo. Auch wird die Bevölkerung immer älter, die Zeitschrift richtet sich vor allem an diese Zielgruppe und bietet ihnen niedrigschwellig verständliche, seriöse und fachlich kompetente Informationen zu Gesundheitsthemen. Sie betont evidenzbasierte Medizin und wissenschaftliche Erkenntnisse, was das Vertrauen der Leser zusätzlich stärkt. Einem geschenkten Gaul schaut man eben nicht ins Maul. Außerdem ist es auch eine Macht der Gewohnheit, zweimal monatlich in den Lesegenuss kommen zu wollen. 

Doch was bei der Kundschaft beliebt ist, ist mancher Apothekenleitung ein Dorn im Auge: der Kostenfaktor. Die Zeitschrift ist zwar für die Kundschaft kostenlos erhältlich, doch letztendlich müssen die Apotheken die Rechnung bezahlen. Alles hat einen Preis, wie man so sagt. Dies kann eine finanzielle Belastung darstellen, besonders für kleinere Apotheken. Zudem wird durch gezielte Werbung (z. B. in Fernsehspots) die Nachfrage nach der Zeitschrift weiter gesteigert.  

Das Wort zum Sonntag 

Ich bin glücklich über die Entscheidung unseres Chefs. Wir sind schließlich kein Kiosk (da gibt es auch nichts kostenlos!). Auch hatten mich Fragen der Kundschaft zu den Inhalten manchmal genervt, insbesondere zu seltsamen homöopathischen Arzneimitteln, wozu man eh nicht beraten kann. Dieser zusätzliche Arbeitsaufwand für das Apothekenpersonal entfällt, immerhin. In diesem Sinne: Tschüss, Rentnerbravo! 

 

AMIRA fragt: Habt ihr in der Apotheke noch was zu verschenken? Gab es bei euch Sparmaßnahmen zum Jahreswechsel? Schreibe deine Erfahrungen in die Kommentare!