Kunden – gefangen zwischen TikTok-Trends und Dr. Google
Manche Kundinnen und Kunden äußern vor dem HV-Tisch recht abstruse Wünsche. Alles im Glauben höherer Erkenntnis, empfangen aus dem WWW. Wie geht man mit denen um? Unsere Spitzelin weiß Rat.
Ach ja, das Internet – ein Ort voll grenzenlosen Wissens, wissenschaftlich fundierter Erkenntnisse, beinharter Fakten und... haarsträubendem Quatsch. Und wer darf’s – jedenfalls, wenn es um die Gesundheit geht – am Ende oft genug ausbaden? Richtig, wir in der Apotheke!
Zumindest habe ich seit ein paar Jahren zunehmend den Eindruck, dass Kunden sich immer weniger auf das verlassen, was Mediziner oder die Kolleginnen und Kollegen in der Apotheke raten. Stattdessen vertrauen immer mehr Menschen – manche sogar blindlings – darauf, was ihnen eine 22-jährige Fitness-Influencerin aus Miami auf TikTok erzählt. Detox-Tees, Wurmkuren zum Abnehmen, Grapefruitsaft statt Pille – sowas eben. Was da so durch die sozialen Medien geistert, lässt uns Profis manchmal nur noch fassungslos den Kopf schütteln.
Wundermittel und Wahnsinnsideen: Was Patienten aus dem Netz mitbringen
Da stehen sie dann, unsere Kund:innen, mit einer Mischung aus selbstzufriedener Überzeugung und oft genug satter Skepsis, ob wir „in der Apotheke“ wohl auch auf dem neuesten Stand der alternativen Heilmethoden sind. Sie möchten wissen, warum wir nicht auch MMS (die berüchtigten „Miracle Mineral Supplements“ – im Grunde nix anderes als Bleichmittel) verkaufen oder ob wir die „hochpotenten“ Globuli gegen WLAN-Strahlen führen. Und wenn wir es wagen, wissenschaftlich fundierte Argumente dagegenzuhalten? Dann werden wir schief angesehen, weil „die Pharmaindustrie ja eh alles vertuscht“. Ohnehin werden wir ja oft genug nur als deren Büttel betrachtet.
Zwischen Kundenwohl und Schadensbegrenzung: Unsere Rolle als PTA & Co.
Aber gut, wir lassen uns nicht unterkriegen – stattdessen treten wir mit Charme, Geduld und einem Hauch Ironie der digitalen Verwirrung entgegen. Hier ein paar Strategien, um den Wahnsinn professionell (und ohne dauerhafte Kopfschmerzen) zu handhaben:
1. Lächeln und nicken (und dabei tief durchatmen) – Panik bringt nichts. Lieber erstmal freundlich zuhören, statt sofort loszupoltern. Sonst endet die Diskussion schneller in einer Grundsatzdebatte über „Big Pharma“, als uns lieb ist. Außerdem wollen wir doch, dass unsere Kunden wiederkommen, oder?
2. Den sanften Wissenschafts-Check anbieten – „Oh, spannend, dass Sie das gelesen haben! Lassen Sie uns mal gemeinsam schauen, ob es dazu Studien gibt, die das belegen… oh, huch, offenbar nicht.“ Zugegeben, diese Methode bräuchte etwas mehr Zeit und Zuwendung, als uns in der stressigen Offizin zur Verfügung steht. Ganz Abgebrühte versuchen es dann vielleicht lieber so: „Weil ich das spannend fand, habe ich letztens versucht, mehr darüber zu erfahren. Ehrlich gesagt: Ich habe nichts Vertrauenswürdiges gefunden…“.
3. Quellen gegen Quatsch setzen – Wer uns mit „Habe ich auf Insta gesehen!“ kommt, erhält ein „Dem Robert Koch-Institut zufolge…“ zurück (Vorsicht vor Verwendung dieser Formel bei ausgewiesenen Impfgegnern und Corona-Skeptikern/Leugnern. Aber es gibt ja genügend andere reputierte Quellen). Wir setzen wissenschaftliche Fakten gegen virale Fake News.
4. Humor als Geheimwaffe – Manchmal hilft es, mit einem Augenzwinkern zu reagieren: „Wenn Zitronenwasser wirklich gegen fast alle Krankheiten helfen würde, dann wäre ich als Betreiber eines entsprechenden Bauernhofs in bella Italia, dem Land, in dem die Zitronen blühen, und nicht hier am HV-Tisch, glauben Sie mir!"
5. Die sanfte Selbstreflexion triggern – „Würden Sie diese TikTok-Kur auch Ihrer Oma empfehlen?“ oder „Glauben Sie wirklich, dass die Pharmazie das übersehen hätte?" – so können wir ohne direkten Angriff zum Nachdenken anregen.
Das Internet als Segen – und als Fluch
Bitte nicht falsch verstehen, auch wir lieben – und zwar aus ganz naheliegenden Gründen – das Internet. Es ist ein fantastisches Werkzeug zur Wissensvermittlung, allgegenwärtig, rund um die Uhr verfügbar. Aber spätestens wenn Patient:innen ihre bei uns gekauften Produkte nach Instagram-Trends auswählen, wird es höchste Zeit, ein wenig Aufklärungsarbeit zu leisten. Schließlich ist qualitativ hochwertige, persönliche Beratung unser wichtigstes Instrument gegen Fehlinformationen. Und tatsächlich können wir auch viel mehr bieten als das Smartphone: ein Lächeln, individuelle Betreuung und erfahrungsbasiertes, wissenschaftlich fundiertes Wissen. Mit einer Prise Geduld und einem Hauch trockenem Humor kriegen wir das schon hin. Doch, wir können das!
Zum Schluss noch ein Merksatz für unsere geschätzte Politik bzw. unsere künftige Regierung: Das können wir auch in Zukunft, man muss uns nur lassen!
AMIRA fragt: Jetzt mal ehrlich: Welches war der wildeste Gesundheitstipp, der euch von eurer Kundschaft zu Ohren gekommen ist? Erzählt uns eure besten Anekdoten – wir lachen gemeinsam! 😅