Demenz – die Alterskrankheit unserer Zeit
Die Übersetzung des Begriffes Demenz (lat. de mens) lautet „ohne Geist“. Dies beschreibt bereits das wesentliche Merkmal von Demenzerkrankungen – die Verschlechterung der geistigen Fähigkeiten bis hin zum Verlust.
Zahlen und Fakten
Rund 1,8 Millionen Menschen leiden in Deutschland an einer Demenz. Besonders viele davon sind im höheren Alter. Expertinnen und Experten gehen davon aus, dass die Erkrankungszahlen in den nächsten Jahren noch enorm ansteigen werden, da wir in einer alternden Gesellschaft leben und die Prävalenz exponentiell mit dem Alter ansteigt. In jeder Altersstufe sind Frauen häufiger als Männer von Demenz betroffen.
Eine Demenz ist weit mehr als eine Gedächtnisstörung oder Vergesslichkeit. Sie erschüttert nach und nach das ganze Sein eines Menschen – seine Wahrnehmung, sein Verhalten und sein Erleben. Im Verlauf der Erkrankung kommt es zu einer fortschreitenden Beeinträchtigung der Aufmerksamkeit, der Sprache, des Auffassungs- und Denkvermögens sowie der Orientierung.
Die meisten Formen einer Demenz sind nicht heilbar, lediglich der Verlauf und die Symptome lassen sich abmildern. Deshalb ist es wichtig, die Betroffenen zu unterstützen und ihre Lebensqualität zu erhalten, sei es durch Verständnis und Hilfe im Alltag oder aber durch gut Pflege und medizinische Versorgung im fortgeschrittenen Stadium.
Demenzformen und Ursachen
Grundsätzlich wird zwischen primären und sekundären Formen unterschieden. Circa 90 Prozent der Betroffene leiden an einer primären Demenz, die auf hirnorganischen Ursachen beruht und irreversibel ist. Sekundäre Demenzen (zehn Prozent aller Fälle) können durch Intoxikationen (z. B. durch Arzneimittel), Vitaminmangel-Erkrankungen oder Schilddrüsenfehlfunktionen ausgelöst werden und sind teilweise heilbar. Daher sind eine möglichst frühzeitige Diagnose und Behandlung wichtig.
Weiterhin werden die primären Demenzen detaillierter unterschieden. Die häufigste Demenzform ist (Morbus) Alzheimer mit circa 60 Prozent. Bei Alzheimer gehen die Nervenzellen zugrunde und verlieren die Verbindungen untereinander (Hirnatrophie). Im Gehirn bilden sich charakteristische Ablagerungen (Plaques und Fibrillen). Außerdem wird eine Verminderung von Acetylcholin beobachtet. Dieser Neurotransmitter ist wichtig für unser Gedächtnis. Ungefähr zehn bis 15 Prozent der Betroffenen leiden an einer vaskulären Demenz, bei der die Gehirngefäße durch Arteriosklerose geschädigt sind, sodass es zu Durchblutungsstörungen im Gehirn kommt. Bluthochdruck und Diabetes mellitus gehören zu den Hauptrisikofaktoren.
In 20 Prozent der Fälle liegt eine Mischform aus Alzheimer und vaskulärer Demenz vor. Bei einer Lewy-Körperchen Demenz (zehn bis 15 Prozent) kommen in den Nervenzellen der Großhirnrinde neben den Alzheimer-Plaques und Neurofibrillen auch sogenannte Lewy-Körperchen vor. Bei dieser Erkrankung kommen noch Halluzinationen und motorische Defizite hinzu, die einem Parkinsonsyndrom ähneln. Die diagnostische Unterscheidung zwischen Alzheimer und Lewy-Körperchen Demenz ist wichtig, da sich die Therapien merklich unterscheiden.
Die Fronto-temporale Demenz kommt am seltensten vor (circa fünf Prozent). Sie befällt vor allem Jüngere (um das 50. Lebensjahr) und wird durch eine Schrumpfung des Stirn- oder Schläfenlappens verursacht. Charakteristisch sind Wesensveränderungen und eine Störung der Emotionsverarbeitung.
Alzheimer: Verlauf in vier Stadien
Der Krankheitsverlauf einer Alzheimer-Demenz ist individuell verschieden, feststeht, dass das Gedächtnis, die Alltagsfähigkeiten und das Denken schleichend, aber unumkehrbar verändert werden. Dennoch folgt er aber bestimmten Mustern. Die Einteilung in vier Stadien bietet eine Orientierung und kann teilweise auf andere fortschreitende Demenzformen angewendet werden.
In der frühen Phase treten leichte Beeinträchtigungen des Denkens und Erinnerns (mild cognitive impairment, MCI) auf, die im Alltag zunächst kaum einschränken und von den Betroffenen gar nicht wahrgenommen werden. Sie benötigen keine Hilfe und sind weiterhin selbstständig. Oft nehmen Angehörige die Veränderung wahr.
Im darauffolgenden frühen Stadium treten erste Störungen des Kurzzeitgedächtnisses auf. Betroffene können sich Informationen nicht mehr so gut merken, haben Schwierigkeiten, Gesprächen zu folgen oder verlegen Gegenstände. Es kann vorkommen, dass sie nicht mehr die richtigen Worte finden und mitten im Satz den „Faden verlieren“. Erste Schwierigkeiten bei der räumlichen und zeitlichen Orientierung zeigen sich und zunehmend wird Unterstützung benötigt. Viele Betroffene merken, dass etwas mit ihnen nicht stimmt. Sie wollen sich aber keine Blöße geben und versuchen deshalb, die Einschränkungen zu vertuschen. Stimmungschwankungen, Depressionen und Reizbarkeit können die Folge sein.
Im mittleren Stadium wird die Erkrankung deutlich sichtbar. Auch das Langzeitgedächtnis ist nun betroffen, sodass Erkrankte sich immer weniger an wichtige Ereignisse in ihrem Leben (z. B. Ehe, Kinder, Beruf) erinnern können. Ereignisse aus der eigenen Kindheit und Jugend werden hingegen wieder präsenter. Räumliche Orientierung und räumliches Sehen gehen verloren und es kommt zu tiefgreifenden Veränderungen im Verhalten und in der Persönlichkeit, die für die Betroffenen und die Angehörigen eine große Belastung darstellen. Eine selbstständige Lebensführung ist nicht mehr möglich, die Erkrankten sind auf Betreuung und Unterstützung angewiesen.
Im Endstadium sind die Erkrankten vollständig auf Pflege angewiesen. Kognitive und körperliche Fähigkeiten sind stark eingeschränkt, selbst grundlegende Tätigkeiten wie Essen, Gehen oder Sprechen sind kaum möglich. Meist werden engste Familienmitglieder nicht mehr erkannt. Inkontinenz, Schluckstörungen und völlige Orientierungslosigkeit kommen hinzu. Betroffene sind komplett pflegebedürftig. Das Immunsystem wird zunehmend schwächer, sodass Lungenentzündungen und Atemwegsinfekte eine häufige Todesursache bei Alzheimer sind.
Risikofaktoren und Prävention
Die genauen Ursachen einer Alzheimer-Demenz sind noch nicht hinreichend bekannt. Der größte Risikofaktor für das Auftreten einer Demenz ist jedoch das Alter selbst. Je älter man wird, desto größer ist das Risiko für eine Demenz. Auch haben Frauen in jeder Altersstufe ein höheres Erkrankungsrisiko als Männer.
Genetische Ursachen hingegen spielen nur eine untergeordnete Rolle. Neben diesen nicht veränderbaren Faktoren können Vorerkrankungen, bestimmte Verhaltensweisen und Lebensumstände das Erkrankungsrisiko beeinflussen. Durch körperliche Aktivität, ausgewogene Ernährung, geistige Aktivität und soziale Teilhabe sinkt das Risiko enorm. Durch Übergewicht, Bluthochdruck, Rauchen, übermäßigen Alkoholkonsum, Diabetes, schwere Kopfverletzungen, Infektionen, Depression, chronischen Stress sowie das Vorliegen einer Hörminderung steigt das Risiko signifikant an.
Vor allem ab dem mittleren Lebensalter ist die Prävention relevant, da der neurobiologische Krankheitsprozess bereits 15 bis 30 Jahre vor dem Auftreten klinischer Symptome beginnen kann.
Behandlung der Demenz
Da es für die Mehrzahl der Demenzformen keine ursächliche Therapie gibt, liegt das Hauptziel der Behandlung darin, die Lebensqualität der Betroffenen und ihrer Angehörigen zu verbessern und das Fortschreiten der Krankheit zu verlangsamen.
Medikamentös werden Acetylcholinesterasehemmer wie Donepezil, Rivastigmin und Galantamin eingesetzt. Sie verzögern den Abbau von Acetylcholin. So kann die Denk- und Lernfähigkeit länger erhalten bleiben. Weiterhin werden Glutamatantagonisten wie Memantin eingesetzt. Diese schützen die Nervenzellen vor übermäßigem Glutamat und unterstützen somit die Lernfähigkeit und die Gedächtnisleistung.
Bei leichter bis mittelgradiger Alzheimer-Demenz können pflanzliche Ginkgo-biloba-Präparate (Tebonin® von Schwabe und Generika) die Durchblutung im Gehirn fördern und somit das Denk- und Erinnerungsvermögen positiv beeinflussen. Auch Antidepressiva oder Neuroleptika können in manchen Situationen das Therapiekonzept ergänzen.
Zur Verbesserung der Lebensqualität spielen auch nichtmedikamentöse Therapieverfahren eine wichtige Rolle. So kann etwa im Anfangsstadium der Demenz eine Psychotherapie sinnvoll sein, um die Diagnose zu bewältigen. Musik-, Kunst-, Ergo- oder Bewegungstherapien können ebenfalls helfen den Verlauf zu verlangsamen und zum Erhalt von Alltagsfunktionen beitragen. Im frühen oder mittleren Stadium können Betroffene von einer speziellen Rehabilitationsmaßnahme profitieren.
Aufgrund ihrer Erkrankungen sind die Betroffenen immer weniger in der Lage, sich ihrer Umgebung anzupassen und ihren Alltag bewusst zu gestalten. Deshalb hängt ihr Wohlbefinden in hohem Maße davon ab, wie sich die Umwelt auf ihre Beeinträchtigung einstellt. Die Anpassung der äußeren Umstände an die Erlebenswelt der Menschen mit Demenz wird dabei als „Milieutherapie“ bezeichnet.
Es ist wichtig, nicht nur den Erkrankten die bestmögliche Hilfe und Unterstützung zukommen zu lassen, sondern auch den pflegenden Angehörigen. Den die Pflege eines Demenzkranken kann sehr fordernd und schnell auch überfordernd sein, sodass manchmal die Unterbringung in eine professionellen Pflegeinrichtung mit qualifiziertem Personal für alle Beteiligten möglicherweise die bessere Wahl ist. Hier ist es auch unsere Aufgabe in der Apotheke vor Ort zuzuhören und alle Möglichkeiten aufzuzeigen, damit sowohl die Erkrankten als auch die Pflegenden eine bestmögliche Unterstützung bekommen.