Wochenrückblick: 50 Cent für Apotheken, Arznei-Flohmarkt, Kindernotdienst

Kurz vor den Weihnachten gibt es ein Update zum Generika-Gesetz: Laut dem Eckpunktepapier sollen Apotheken 50 Cent Aufwandspauschale für die ärztliche Rücksprache erhalten. Das und mehr im Wochenrückblick.

Generika-Gesetz: Apotheken erhalten 50 Cent Aufwandspauschale

Diese Woche wurde das Eckpunktepapier zum Generika-Gesetz veröffentlicht. Darin geht es „um Maßnahmen, zukünftige Arzneimittelengpässe zu vermeiden, die Versorgung mit Kinderarzneimitteln zu verbessern und den Arzneimittel-Produktionsstandort EU zu stärken. Dadurch soll die Medikamentenversorgung in Deutschland nachhaltig stabilisiert werden“. Zusammengefasst sehen die Maßnahmen wie folgt aus:

·        Für Arzneimittel, die für die Sicherstellung der Versorgung von Kindern erforderlich sind, soll es künftig keine Rabattverträge geben. Ebenfalls dürfen sie nicht in Festbetragsgruppen eingruppiert werden. Die Gesetzliche Krankenversicherung übernimmt für Kinder bis zum vollendeten 12. Lebensjahr und für versicherte Jugendliche mit Entwicklungsstörungen bis zum vollendeten 18. Lebensjahr die Mehrkosten von ärztlich verordneten Arzneimitteln bis zum 1,5-fachen Festbetrag bei einer Abgabe von Arzneimitteln über Festbetrag.

·        Rabattvertragsausschreibungen: Zur Stärkung der Versorgungssicherheit, Verringerung von Abhängigkeiten und Förderung des Produktionsstandorts EU wird die Standortberücksichtigung eingeführt.

·        Sind in einer Festbetragsgruppe nur noch wenige Anbieter, prüft der Beirat die Versorgungslage und kann bei einem sich abzeichnenden Versorgungsengpass die Empfehlung aussprechen, den auf Festbetrag auf das 1,5-fache anzuheben oder die Festbetragsgruppe aufzulösen. Außerdem soll die Grenze der Zuzahlungsbefreiung bei Festbeträgen angehoben werden.

·        Für Arzneimitteln mit einer festgestellten kritischen Versorgungslage werden die vereinfachten Austauschregelungen nach § 1 Absatz 3 der SARS-CoV-2-Arzneimittelversorgungsverordnung verstetigt.

·        Für Arzneimittel, für die der Beirat eine versorgungskritische Lage festgestellt hat und für die die Apotheke eine Rücksprache mit der Ärztin oder dem Arzt halten muss, wird den Apotheken eine Aufwandspauschale in Form eines in der AMPreisV verankerten Zuschlags in Höhe von 0,50 Euro vergütet. Außerdem sollen Zuzahlungen der Patient:innen begrenzt werden.

Gabriele Regina Overwiening, Präsidentin der ABDA - Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände kommentierte die Aufwandspauschale wie folgt: „Das ist wirklich eine Frechheit! Damit wird die Bürokratie noch erhöht, der teils stundenlange Arbeitsaufwand nicht einmal ansatzweise bezuschusst – und als Zeichen der Wertschätzung kann man dieses Almosen wohl auch kaum bezeichnen. Gerade jetzt an den Feiertagen zu Weihnachten und Neujahr, wo Nacht- und Notdienste für die Apotheken noch zusätzlichen Stress bedeuten, kann kein Apotheker und keine Apothekerin verstehen, wie solch ein Cent-Aufschlag die Versorgungssicherheit stabilisieren oder gar verbessern soll“.

Ärztekammer-Präsident schlägt Arzneimittel-Flohmarkt vor

Der Ärztekammer-Präsident Dr. Klaus Reinhardt hat in einem Interview mit dem „Tagesspiegel“ vorgeschlagen, dass sich die Bevölkerung angesichts der Arzneimittelknappheit sich gegenseitig mit Medikamenten aus der Hausapotheke aushelfen soll. „Wir brauchen so was wie Flohmärkte für Medikamente in der Nachbarschaft“, sagte er. Der Präsident der Bundesapothekerkammer Thomas Benkert ist vom Vorschlag „schockiert“. „Arzneimittel gehören in Apotheken, nicht auf den Flohmarkt – schon gar keine abgelaufenen Arzneimittel. Verfallene Arzneimittel können die Gesundheit der Patientinnen und Patienten massiv gefährden, ganz abgesehen von haftungsrechtlichen Fragen. Zudem steht die Gesetzeslage dem klar entgegen und die aktuelle Situation eignet sich nicht für Populismus“, entgegnete er.  

Unterstützung bekommen Apotheker:innen auch von der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV). Der KBV-Chef Dr. Andreas Gassen warnte davor, einfach gebrauchte oder gar abgelaufene Arzneimittel im Nachbarschafts- oder Freundeskreis zu tauschen oder abzugeben. „Das Risiko ist einfach zu groß, dass durch solch eigentlich gut gemeinten Solidaritätsaktionen mehr Schaden als Nutzen bis hin zu Gefahren für Leib und Leben angerichtet werden“, erklärte er in einer Pressemitteilung der KBV. Auch die Rabattverträge der Krankenkassen müssten in ihrer jetzigen Bedeutung und Form überdacht werden.

NRW-Gesundheitsminister lobt Apotheken und fordert Feststellung des Versorgungsmangels

NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann hat sich für den Einsatz der Apotheken bedankt. Er nehme den Umgang mit den Lieferengpässen „als hoch professionell und zielführend wahr“. Er sagt: „Die Apotheke vor Ort ist und bleibt für mich ein wichtiger Baustein in der wohnortnahen Gesundheitsversorgung.“ Außerdem sieht er den Bund in der Verantwortung, die Lieferengpässe in den Griff zu bekommen. „Es muss gründlich geprüft werden, wie wir die Arzneimittelversorgung in Deutschland gezielt stärken und zukunftsgerecht aufstellen können“, so Laumann.

Zudem fordert er die Bundesregierung auf, bei Kinderarzneimitteln einen Versorgungsmangel festzustellen. Denn: Durch die Feststellung des Versorgungsmangels nach § 79 Absatz 5 Arzneimittelgesetz ist es den Behörden der Bundesländer möglich, zum Beispiel dem pharmazeutischen Großhandel auf Antrag zu gestatten, Arzneimittel auf Vorrat nach Deutschland zu importieren, die nicht in deutscher Sprache gekennzeichnet sind. Somit könnte die Versorgungssituation verbessert und der aktuelle angespannte Apothekenalltag vereinfacht werden.

Grünen für Lockerung der Arzneimittelabgabe

Die Grünen haben einen 4-Punkte-Krisenplan zur Verbesserung der Akutversorgung von Kindern veröffentlicht. Dieser betrifft vier Handlungsfelder: Arzneimittelversorgung, Entlastung von Familien, Kinder- und Jugendarztpraxen und Kinderkliniken.

Bezüglich der Arzneimittelversorgung werden folgende Dinge vorgeschlagen:

a)       Bei einem nachweislichen Lieferengpass, sollten Apotheker:innen für einen befristeten Zeitraum – und auf Medikamente zur Behandlung akuter Atemwegserkrankungen begrenzt – eigenständig und ohne erneutes Rezept durch den behandelnden Arzt oder die Ärztin ein Medikament wie beispielsweise einen Fiebersaft herstellen können.

b)      Außerdem sollten Apotheker:innen für einen befristeten Zeitraum nach telefonischer Rücksprache mit dem behandelnden Arzt bzw. der Ärztin, Alternativpräparate ausgeben können, ohne dass dafür ein neues Rezept ausgestellt werden muss, sofern für ein Medikament nachweislich ein Lieferengpass besteht.

c)       Stückelung: Bei Medikamenten mit nachweislichem Engpass sollen Patient:innen nicht für jede Kleinpackung erneut eine Zuzahlung leisten müssen.

d)      Meldepflicht soll nicht nur für pharmazeutische Unternehmen, sondern auch für den Arzneimittelgroßhandel gelten. Zum anderen sollten nicht nur versorgungsrelevante Medikamente umfasst sein, sondern jegliche Arzneimittel. Die zuständigen Aufsichtsbehörden sollten ermächtigt werden, bei akutem Versorgungsmangel Vorgaben zur Ausgabe und Verteilung von Medikamenten an Großhandel und Apotheken auszusprechen und zu überwachen.

e)       Der Großhandel soll verpflichtet werden, alle Medikamente, die von der Weltgesundheitsorganisation in der Liste der unentbehrlichen Arzneimittel geführt werden, für einen Zeitraum zu bevorraten, mit dem das Abfedern von Liefer- und Nachfrageschwankungen ermöglicht wird.

Pharmazeutische Dienstleistungen: Am häufigsten wird zum Inhalieren beraten

Der Nacht- und Notdienstfond (NNF) hat Anfang der Woche eine Bilanz für die ersten drei vollständigen Monaten nach dem Schiedsspruch Mitte Juni gezogen und den ersten Auszahlungsbescheid zu pharmazeutischen Dienstleistungen, der ein vollständiges Quartal umfasst, erlassen. Demnach haben 8.110 Patient:innen eine „erweiterte Einweisung in die korrekte Arzneimittelanwendung mit Üben der Inhalationstechnik“ erhalten. Die pharmazeutische Dienstleitung „standardisierte Risikoerfassung hoher Blutdruck“ wurde 3.962-mal erbracht. 3.235 Menschen wurden erweitert zu Polymedikation beraten. Dem NNF zufolge ist diese zugleich die am stärksten wachsende pharmazeutische Dienstleistung. Diese habe sich annähernd von Monat zu Monat im Durchschnitt des Quartals verdoppelt.

Kindernotdienst per Videosprechstunde in NRW

Aufgrund der Erkältungswelle bei Kindern und Jugendlichen und den überlasteten Kinder- und Notfallkliniken hat die Kassenärztliche Vereinigung Nordrhein (KVNO) mit Unterstützung des Ministeriums für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen (MAGS) ein zusätzliches Versorgungsangebot im kinderärztlichen Notdienst eingerichtet. Vom 24. Dezember 2022 (ab 10.00 Uhr) bis zum 31. Januar 2023 können Eltern erkrankter Kinder und Jugendlicher in Nordrhein-Westfalen an den Weihnachtstagen, an Mittwochnachmittagen sowie an den Wochenenden die Möglichkeit, sich eine telemedizinisch von einer Kinderärztin bzw. einem Kinderarzt beraten lassen. Die Festnetznummer dieses Service lautet 0211/5970 7284. Zur Nutzung der Videosprechstunde wird entweder ein Smartphone, Tablet, Notebook oder ein Computer mit Kamera und Mikrofon benötigt. Im Rahmen der Videosprechstunde sollen erste Maßnahmen besprochen und auch direkt entschieden werden, ob der Besuch einer Kindernotdienstpraxis nötig ist oder nicht, teilt die Landesregierung NRW in einer Pressemitteilung mit.

Verbände möchten Pflichttext gendern

„Zu Risiken und Nebenwirkungen fragen Sie Ihren Arzt oder Apotheker“ – diese Formulierung wird bald der Vergangenheit angehören, wenn es nach den Vorsitzenden mehrerer Gesundheitsorganisationen sowie Gesundheitsminister Karl Lauterbach geht. So regte etwa Klaus Reinhardt - Chef der Bundesärztekammer und kürzlich mit der Forderung nach Medikamentenflohmärkten hervorgetreten - in einem Gespräch mit dem Redaktionsnetzwerk Deutschland  an, den wohlbekannten Passus der Realität der Arbeitswelt anzupassen und zu gendern. „Die gesetzlich vorgegebene Formulierung passt nicht mehr in die Zeit, sie sollte durch eine neutrale und dennoch leicht verständliche Formulierung ersetzt werden“, sagte Reinhard und verwies auf den hohen Anteil von Ärztinnen, der inzwischen bei gut 50 Prozent liege. Die Präsidentin des Deutschen Ärztinnenbundes schlug vor, die männlichen Formulierungen durch „… oder fragen Sie in Ihrer ärztlichen Praxis oder Apotheke nach“ zu ersetzen. Gesundheitsminister Karl Lauterbach schloss sich den Vorschlägen laut Bild-Zeitung an. Er sagte: „Ich wäre sehr dafür, wenn Ärztinnen ausdrücklich genannt würden. Es entspricht der Realität der Versorgung.“

Angesichts des hohen Frauenanteils in öffentlichen Apotheken schloss sich ABDA-Präsidentin Gabriele Overwiening den Vorschlägen an und plädierte für eine gesetzliche Lösung, die mehrere Formulierungen erlaubt. Ihre Vorschläge: „Fragen Sie Ihre Ärztin oder ihre Apothekerin“, „Fragen Sie Ihren Arzt oder Ihre Apothekerin“ oder „Fragen Sie Ihre Ärztin oder Ihren Apotheker“. Zwar gebe es noch keine offizielle  Beschlusslage Ihres Verbandes, sagte Overwiening gegenüber der Zeitung „Die Welt“, führte aber eine ausführliche Begründung Ihrer Vorschläge an: „Jede und jeder Werbetreibende könnte dann frei und flexibel eine dieser Formulierungen einsetzen und damit auch eine öffentlich sichtbare Selbstauskunft über das eigene Unternehmen hinsichtlich einer geschlechtergerechten Sprache geben.“

AMIRA wird berichten, wie und ob die Initiative der Verbands-Chefinnen und Chefs umgesetzt wird. Gleichzeitig unsere Frage an euch: Wie steht ihr zu dem Vorschlag? Wir sind gespannt auf eure Antworten.