Urlaub im Backoffice
PTA stemmen den HV, während sich manche Apotheker:innen im Backoffice vergraben – kennst du das? In unserer Kolumne geht es diese Woche um unausgesprochene Konflikte, faule Ausreden und echte Lösungen.
Neulich, um Punkt 9:00 Uhr in unserer Apotheke: Die Kunden stehen schon in zweiter Reihe, das Telefon klingelt Sturm, ein Kind heult, weil es das falsche Pflastermotiv von der Mutter aufgeklebt bekommen hat – und vorne? Da stehen wie immer wir: die PTA. Noch konzentriert weil es früh am Tag ist, freundlich, beratend, multitaskingfähig – und ehrlich gesagt: ganz schön genervt, weil wir wissen, dass es so weitergeht und keine Hilfe kommen wird. Und wie sieht es hinten aus? Da herrscht fast meditative Stille. Ab und zu ein Druckergeräusch, das Klacken von Tastaturen, das entfernte Rascheln von Papier. Man munkelt, dort soll sogar Kaffee in Ruhe getrunken werden. Und zwar nicht, weil gerade Pause ist, sondern weil man ja „wichtige Aufgaben“ erledigt. Willkommen im Alltag vieler öffentlicher Apotheken – in denen der Handverkauf immer öfter zur PTA-Zone wird.
„HV ist nichts für zarte Gemüter“ – und für Approbierte etwa auch nicht?
Natürlich: Apothekerinnen haben auch Aufgaben, die wir PTA nicht übernehmen dürfen oder sollen. Retax-Gefechte, Substitutionskonflikte, Dokumentation bis der Stift glüht sind in vielen Apotheken nur reine Approbiertenarbeit. Aber die Realität sieht trotzdem vielerorts inzwischen so aus: Die PTA stehen sechs Stunden durchgehend im HV, weil vorne „keiner da ist“, während im Backoffice zwischen BtM-Kartei, Endlos-Telefonaten und übertrieben wichtigem Papierkram jeder zweite Briefumschlag plötzlich zum Chefinnen-Thema erklärt wird. „Post öffnen ist Apothekersache“ – ach was? Versteht uns nicht falsch: Wir sind ein Team.
Aber in vielen Apotheken fühlt es sich eben nicht mehr so an. Wenn man erst betteln muss, um mal kurz „nach hinten“ zu dürfen, dann läuft was schief. Wir PTA wissen inzwischen ganz genau, an welchem Wochentag es besonders anstrengend wird – und zwar je nachdem, welche Apothekerin eingeteilt ist. Da wird nicht nach vorne gegangen, sondern lieber freiwillig hinten „versackt“.
„Team heißt: Toll, ein anderer machts“
Klar, es gibt auch gute Beispiele: man munkelt von kleinen Teams mit klarer Absprache, in denen sich jeder mal rausziehen kann, in denen gewechselt wird, in denen ein Rückblick auf die Woche nicht in Frust, sondern in Fairness endet. Wo „Rezeptur“, „Labor“ und „HV“ nicht zu festen Identitäten werden, sondern zu rotierenden Rollen. Einige Apotheken haben sogar richtig clevere Modelle: Stundenweise festgelegte Erstverkäuferinnen, Backoffice-Zeiten mit Wechselklingel (ja, echt!), sogar Farbsysteme (Rot = immer vorne, Grün = immer hinten, Gelb = vorkommen, wenn Not am Mann ist und man gerufen wird). Und das Beste: Wenn’s gut läuft, wird sogar mitentschieden, wer wann wo ist – egal ob PTA oder Approbierte:r.
Und was ist jetzt die Lösung?
Ganz einfach: Verbindlichkeit statt Freiwilligkeit. Wer wann wo arbeitet, sollte nicht dem Zufall oder der Lust und Laune überlassen bleiben. Ein fester Wochenplan mit klaren HV-, Backoffice- und Rezepturzeiten – fair verteilt auf alle, angepasst an Teilzeit und individuelle Aufgaben – kann ein echter Gamechanger sein. Auch Pausen sollten verbindlich geregelt sein. Niemand profitiert davon, wenn am Ende alle ausgelaugt sind. Und ja: Auch das Gespräch gehört dazu. Ehrlich, wertschätzend, aber bestimmt. Denn wenn PTA den HV alleine stemmen, obwohl vorne eigentlich alle stehen sollten, dann hilft nur eines: Klartext. Nicht verletzend, aber mit klarer Botschaft: „Ich mach das gerne – aber nicht allein.“
Was ist mit unserer Apotheke?
Da herrscht seit letzter Woche richtig Zoff. Grund: Zwei PTA haben sich krankgemeldet – und plötzlich mussten die beiden „Stuhl-geerdeten“ Apothekerinnen mit raus an den HV. Schockmoment. Seitdem wird diskutiert: über Aufgabenverteilung, Fairness, Teamarbeit. Und vielleicht – ja, vielleicht – entsteht gerade so etwas wie ein echter Plan. Manchmal braucht es auch ein reinigendes Gewitter, bevor sich etwas verändert. Vielleicht hängt nächste Woche ein Aushang an der Bürotür: „Neuer Arbeitsplan – alle arbeiten alles.“ Und falls nicht? Dann geht das Geklingel eben weiter. Und wir wissen: Es ist nicht das Telefon. Es ist der Ruf nach Gerechtigkeit.