Streit über Sonnencreme – jedes Jahr aufs Neue
Sonnencreme schützt vor Hautkrebs – und sorgt trotzdem für hitzige Diskussionen. Warum hält sich der Vitamin-D-Mythos so hartnäckig? Und wie begegnet man ihm in der Apotheke und im familiären Umkreis?
Sommerzeit ist Sonnencremezeit – und Diskussionszeit
Kaum steigen die Temperaturen über 20 Grad, beginnt in meiner Familie das alljährliche Ritual: Ich hole die Sonnencremes heraus, checke die Haltbarkeit, sortiere aus, was ranzig riecht – und bereite mich innerlich auf Diskussionen vor. Denn obwohl ich in der Apotheke arbeite und im Sommer fast täglich Menschen zum Thema Hautschutz berate, scheint mein Fachwissen im privaten Kreis plötzlich weniger wert zu sein als ein Facebook-Post von 2017.
„Sonnencreme verhindert die Vitamin-D-Bildung!“ heißt es dann. Oder: „Früher hat auch niemand Sonnencreme gebraucht“, „Wie konnten wir bloß ohne Sonnencreme überleben? Damals gab es so etwas nicht. Die Creme ist heutzutage schädlicher als die Sonne“ Und mein persönlicher Favorit: „Ich verbrenne eh nie, ich hab das im Gefühl.“ Aha.
Hautkrebs ist kein Mythos – und kein Einzelfall
In der Apotheke sehe ich täglich, wie wichtig Aufklärung ist. Hautkrebs ist längst keine Seltenheit mehr. Laut der Deutschen Krebsgesellschaft erkranken jährlich fast 260.000 Menschen in Deutschland an weißem Hautkrebs – Tendenz steigend. Schwarzer Hautkrebs ist seltener, aber deutlich gefährlicher. Und das Risiko steigt mit jedem Sonnenbrand, besonders in der Kindheit.
Sonnenschutz ist also keine Lifestyle-Frage, sondern eine medizinische Notwendigkeit. Und ja, auch im Schatten. Auch bei bewölktem Himmel. Auch wenn man „nur kurz rausgeht“. UV-Strahlung kennt keine Ausreden. Infos und Tipps zu richtigem Hautschutz findest du übrigens hier.
„Früher hat auch niemand Sonnencreme gebraucht und wir haben überlebt“ – wie ich derartige Kommentare nicht mehr hören kann … (Symbolbild – iStock / Orbon Alija)
Vitamin D – das Lieblingsargument der Sonnencreme-Gegner
Natürlich ist Vitamin D wichtig. Es unterstützt das Immunsystem, die Knochengesundheit und vieles mehr. Aber: Für die körpereigene Bildung reichen schon 5 bis 25 Minuten Sonne täglich auf Gesicht, Hände und Unterarme – je nach Hauttyp und Jahreszeit. Und das auch nur zwei- bis dreimal pro Woche. Dafür braucht niemand stundenlang ungeschützt in der Sonne zu braten. Wer es schwarz auf weiß braucht, findet hier die Empfehlung vom Bundesamt für Strahlenschutz.
Außerdem: Sonnencreme blockiert nicht zu 100 Prozent die UVB-Strahlung, die für die Vitamin-D-Synthese verantwortlich ist. Selbst bei hohem Lichtschutzfaktor kommt noch ein kleiner Teil durch. Und wer wirklich einen Mangel hat, kann Vitamin D problemlos supplementieren – ganz ohne Sonnenbrandrisiko. Denn Studien haben auch gezeigt, dass die regelmäßige Verwendung von Sonnencreme kaum Auswirkungen auf die Vitamin-D-Spiegel im Blut hat.
Beratung statt Belehrung – auch wenn’s schwerfällt
Ich gebe zu: Manchmal würde ich am liebsten einfach sagen „Mach doch, wie du willst“ und mich aus der Diskussion zurückziehen. Aber dann denke ich an die Kundin, die mir neulich mit Tränen in den Augen erzählt hat, dass bei ihrem Mann ein malignes Melanom entdeckt wurde. Oder an die Mutter, die sich Vorwürfe macht, weil ihr Kind im Urlaub zeitweise ohne Schutz war.
Deshalb bleibe ich dran. Ich erkläre, vergleiche, zeige Unterschiede zwischen chemischen und mineralischen Filtern, spreche über wasserfeste Varianten und Hauttypen. Und ja, ich diskutiere auch weiterhin mit meinem Umfeld – in der Hoffnung, dass irgendwann der Groschen fällt.
Denn wenn ich mit meiner Beratung auch nur einen Sonnenbrand verhindern kann, hat sich der ganze Aufwand gelohnt.