Beschäftigungsverbot? Stell dich nicht so an!
Zwei PTA sprechen über das Beschäftigungsverbot in der Schwangerschaft. Es stehen sich zwei komplett konträre Meinungen gegenüber – und die Frage bleibt: Warum sind Frauen oft so hart miteinander?
„Ich hab’s doch auch geschafft!“ – Wenn Erfahrung zur Messlatte wird
„Also ich finde ja: Eine Schwangerschaft ist keine Krankheit.“ Ilka steht mit verschränkten Armen am HV-Tisch, der Tonfall so klar wie der Blick. Ich weiß, was jetzt kommt. Das Thema war gestern schon auf dem Tisch – und es hat sich über Nacht offenbar nicht erledigt. Worum es geht? Um Lisa, eine Freundin von mir. Sie ist auch PTA und derzeit schwanger, aber eben nicht hier bei uns. Sie arbeitet in einer Apotheke ein paar Straßen weiter und ich kenne sie schon seit der Schulzeit. Ich hatte gestern erzählt, dass sie seit letzter Woche im individuellen Beschäftigungsverbot ist. Also ab nach Hause mit Frauenarztbescheinigung. Offenbar ein rotes Tuch für meine Kollegin.
Ilka verzieht das Gesicht. „Ich war in beiden Schwangerschaften bis zum letzten Tag in der Apotheke. Ich hab alles gemacht. Rezepturen, HV, Sichtwahl. Es ging doch!“ „Ja“, sage ich vorsichtig, „aber das ist ja auch schön, wenn’s geht. Aber nicht jeder Körper macht das mit. Und auch nicht jede Apotheke nimmt Rücksicht auf dich. Manche lassen dich stundenlang stehen, keine Pause, keine Erleichterung. Und Rezepturen mit CMR-Stoffen? Nimmste halt mit nach Hause, oder wie?“
Zwischen HV-Tisch und Frauenarzt: Was ist zumutbar?
„Dann redet man halt mit dem Chef!“ „Und wenn der Chef sagt: 'Stell dich nicht so an'?“ Ilka schüttelt den Kopf. „Es gibt doch so viele Dinge, die man gefahrlos machen kann. HV geht doch auch, wenn man aufpasst. Und so ein bisschen Sichtwahl oder Doku bringt keinen um. Aber ich bin offenbar noch vom alten Schlag. Ihr Junggemüse haltet doch nichts mehr aus!“
Ich denke an Lisa. An ihre langen Tage bei ihrer 40-Stunden-Woche, an die wenig verständnisvollen Kolleginnen und Kollegen, von denen sie mir schon erzählt hat, an die Sorge, weil sie schon mal ein Kind in der Frühschwangerschaft verloren hat. An das Herzklopfen, wenn eine Kundin sie anhustet. Und dann soll man mit gutem Gefühl weitermachen?
„Kindergärtnerinnen gehen direkt ins Beschäftigungsverbot, sobald sie wissen, dass sie schwanger sind“, werfe ich ein. „Wegen Ringelröteln. Wenn die Schwangere nicht immun ist, kann das beim Kind zu Fehlbildungen führen – im schlimmsten Fall zum Tod.“ „Aber das ist doch was anderes!“, sagt Ilka schnell. „Warum? Wir stehen auch mit kranken Menschen in engem Kontakt. Nur halt ohne Kita-Gekreische.“
Solidarität statt Vergleich: Warum wir einander mehr gönnen sollten
Pause. Ich schaue sie an. Sie schaut zurück. Ich frage mich, warum sie so scharf urteilt. Vielleicht war sie damals ja auch mal müde. Hätte sich gern mal hingesetzt. War froh um jeden Tag, der ruhiger war. Aber sie hat es sich selbst nicht erlaubt, wegen ihrer strengen Prinzipien. Vielleicht wäre sie gerne mal nicht stark gewesen – durfte aber nicht. Wollte nicht. Konnte nicht – nur die Harten kommen in den Garten. Ein Indianer kennt keinen Schmerz. Lauter Blödsinn, den man den Kindern damals so gesagt hat, und der sich tief eingebrannt hat.Und heute? Heute sind alle anderen, die es anders machen, für sie „überempfindlich“.
„Weißt du“, sage ich vorsichtig, „manchmal frage ich mich, warum Frauen sich gegenseitig so wenig gönnen. Warum wir einander so oft klein machen. Warum es immer heißt: Ich hab’s doch auch geschafft – also musst du das auch können.“ Ilka sagt eine Weile nichts. Dann: „Vielleicht, weil wir nie gelernt haben, dass Rücksicht mit sich selbst zu zeigen kein Anzeichen von Schwäche ist.“ Aha, da schlummert offenbar doch so etwas wie Verständnis.
„Vielleicht.“, sage ich. Wir nicken uns zu, fast ein bisschen versöhnt. „Naja“, meint sie dann, „ob Beschäftigungsverbot oder nicht – entscheiden wir ja nicht selbst.“ „Stimmt“, sage ich. „Zum Glück nicht. Dafür gibt’s schließlich den Frauenarzt bzw. die Frauenärztin.“