Wochenrückblick: Ukraine-Fiebersaft in deutschen Apotheken, höhere Tarifgehälter, Posse der Woche

Auch zum Jahresanfang knarzt es im Gesundheitssystem. Hilfe kommt von unerwarteter Seite, denn ursprünglich für die Ukraine bestimmte Ibuprofen-Säfte sind nun in deutschen Apotheken erhältlich. Dies und mehr in unserem Wochenrückblick.

Medikamentenmangel I: Jetzt Fiebersaft aus der Ukraine

Ibuprofen-haltige Kindersäfte zur Fiebersenkung sind Mangelware, das hat nicht nur AMIRA schon des Öfteren berichtet. Hilfe kündigte in der vergangenen Woche die Berlin-Chemie AG in Abstimmung mit dem BfArM und dem Landesamt für Gesundheit und Soziales Berlin an: Das Unternehmen werde, so meldete es die ABDA, 90.000 Packungen einer Ibuprofen-Suspension namens Eudorlin mit 20 bzw. 40 mg/ml in Deutschland auf den Markt bringen. Der Clou: Ursprünglich waren die von einem Lohnhersteller abgefüllten Einheiten für den ukrainischen Markt gedacht, weshalb sie auch mit ukrainischer Etikettierung und Verpackung bereitgestellt würden. Das Medikament ist ein in Deutschland zugelassenes Arzneimittel, hat aber keine PZN und ist auch nicht im ABDA-Artikelstamm gelistet. Die – Achtung: Bürokratensprache – „Gestattung des Inverkehrbringens“ stütze sich laut ABDA „auf § 4 Absatz 1 der Medizinischer Bedarf Versorgungssicherstellungsverordnung (MedBVSV)“, die im Einzelfall Ausnahmen vom üblichen Zulassungsprozedere erlaube. Eine Gebrauchsinformation in deutscher Sprache kann man unter diesem Link per QR-Code herunterladen. Die AMK bittet Apothekenmitarbeiter, „angemessen zum Sachverhalt“ zu informieren und Nebenwirkungen, die im Zusammenhang mit der Charge stehen könnten, unter arzneimittelkommission.de zu melden. Wer sich jetzt wundert, dem sei gesagt: Ja, der Hersteller hat versichert, dass die Versorgungslage in der Ukraine durch den Verkauf des Präparats in Deutschland nicht beeinträchtigt werde.

AMIRA möchte wissen: Habt ihr in eurer Apotheke Eudorlin im Verkauf? Wenn ja, wie reagieren eure Kundinnen und Kunden, wenn ihr das Präparat aushändigt?

 

Medikamentenmangel II: BfArM zur eingeschränkten Verfügbarkeit von Kinder-Antibiotika

Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte zeigt sich besorgt über die mangelnde Verfügbarkeit verschiedener Antibiotika für die Anwendung bei Kindern (Säfte), darunter Amoxicillin und Phenoxymethylpenicillin. Die Situation sei in vielen EU-Mitgliedsstaaten und international ähnlich, weshalb aus dem Ausland nur wenig Ersatz bzw. Entlastung zu erwarten sei. Als Grund gilt die derzeit zu beobachtende Infektionswelle, die einen hohen Bedarf erzeuge, der durch die verfügbaren Produktionskapazitäten derzeit nicht gedeckt werden könne. Um keine weiteren Versorgungslücken aufzureißen, fordert das BfArM Antibiotika streng leitliniengetreu und maßvoll einzusetzen. Zudem empfiehlt es für Kleinkinder eine Pneumokokken-Impfung. Sie sei in der Lage schwere Krankheitsverläuft zu unterbinden und könne die Mangelsituation entschärfen.

 

1 mg Ozempic® bis Mitte Januar nicht lieferbar

Die Firma Novo Nordisk Pharma GmbH hat darauf hingewiesen, dass ihr gentechnisch hergestelltes Analogon zum humanen Glucagon-like peptide-1 (GLP-1) mit dem Handelsnamen Ozempic® in der Konfektionierung 1 mg, 3 Stück Injektionslösung in einem Fertigpen, weiterhin von einem Lieferengpass betroffen ist. Das zur Behandlung eines unzureichend kontrollierten Diabetes mellitus Typ 2 vorgesehene Produkt werde voraussichtlich erst wieder am 16 Januar verfügbar sein. Der laut Novo Nordisk durch unterbrochene Lieferketten verursachte Engpass besteht seit Oktober 2022. Im Falle einer Therapielücke sollten sich Betroffene mit ihren behandelnden Ärzten in Verbindung setzen. Ozempic® der Stärke 0,5 mg oder 0,25 mg sei verfügbar.

Noch kurz ein „off-topic-fact“ zum Hersteller Novo Nordisk: Um zu beweisen, dass Diabetiker bei entsprechender Einstellung ein fast gänzlich normales Leben führen und körperliche Höchstleistungen erbringen können, sponsert das Unternehmen ein professionelles Radteam, dessen 18 Mitglieder allesamt Betroffene mit Typ 1-Diabetes sind. Gewusst?

 

Galenikänderung Ureotop Salbe

Bei Ureotop® Salbe 12% von Dermapharm gibt es Änderungen in der Hilfsstoffzusammensetzung, wie der Hersteller informiert. Die Salbe enthält ab sofort all-rac-α-Tocopherol und die ölige Lösung von synthetischem Vitamin A enthält ab sofort Erdnussöl. Damit verbunden gibt es auch eine neue Gegenanzeige, die in die Gebrauchsinformation aufgenommen wurde.

 

Tarifgehälter erhöhen sich

Zum neuen Jahr haben sich die Tarifgehälter im Kammerbezirk Nordrhein und im Tarifbereich des Arbeitgeberverbands Deutscher Apotheken (ADA) erhöht. Im ADA-Bereich beträgt das Plus 3,0 Prozent, in Nordrhein steigen die Gehälter um 2,0 Prozent. Außerdem gibt es seit dem Jahreswechsel nun auch einen Tarifvertrag für Sachsen. AMIRA fragt: Wie hoch war gleich nochmal die Inflation in 2022?

 
Erstes fäkales Mikrobiota-Therapeutikum in USA zugelassen

Behandlungen mit Antibiotika können das intestinale Mikrobiom schädigen und in der Folge zu einer Fehlbesiedlung mit dem Kein Clostridioides difficile führen, die rezidiv auftreten und ernste Folgen, wie eine pseudomembranöse Colitis, haben kann. Auch die weniger gravierenden Begleiterscheinungen einer C. difficile-Besiedlung sind unangenehm: Diarrhoe, Bauchkrämpfe, mitunter Entzündung der Colon-Schleimhaut. In den vergangenen Jahren wurde verstärkt mit dem Mittel der Stuhlübertragung von Spendern mit intaktem Mikrobiom auf Betroffene experimentiert, und zwar durchaus erfolgreich. Nun hat die amerikanische Medikamenten-Zulassungsbehörde FDA (U.S. Food and Drug Administration) ihren Segen für das Präparat Rebyota von Ferring Pharmaceuticals Inc. erteilt. Das Mittel wird aus Stuhl von Spendern hergestellt und rektal verabreicht. Dass trotz Testung mit dem Medikament auch Allergene oder andere Pathogene übertragen werden können, wollte die FDA nicht ausschließen. Allerdings fand die Behörde zwei Placebo-kontrollierte Zulassungstudien aussagekräftig genug, um diese Restrisiken zu tolerieren: Demnach war die Abwesenheit eines C. difficile-Rezidivs nach acht Wochen unter Gabe von Rebyota signifikant (70,6 Prozent) höher als in der Placebo-Gruppe (57,5 Prozent). Wir sind gespannt, welche Hersteller nachziehen werden.

 

Posse der Woche

Dann war da in dieser Woche noch die WhatsApp-Nachricht eines befreundeten Apothekers, der mit den Worten „unser Berufsstand wird abgeschafft“ virtuell die Hände über dem Kopf zusammenschlug. Anlass war der auf einem Online-Portal zu lesende Bericht über die Erfahrungen eines Berufskollegen, dem die Behörde am Sitz seiner auf die Lieferung von medizinischen Hilfsmitteln spezialisierten Apotheke die Präqualifizierung entzogen hatte. Warum? Bei einer Begehung der Offizin stellten die Bürokraten fest, dass der in der Behindertentoilette (darf man das überhaupt noch sagen?) installierte Toilettensitz wenige Zentimeter zu hoch war. Der Verweis darauf, dass die Toilette noch nie benutzt worden sei, weil die Apotheke die Hilfsmittel in der Regel zu den Bedürftigen liefert und nur wenige von ihnen in die Apotheke kommen, fruchtete: nichts! Schwupps – die Präqualifizierung war weg. In der Folge lieferte die Apotheke zumindest ihrer Palliativkundschaft die benötigten Hilfsmittel auf eigene Kappe aus, fürchtet nun aber Retax-Probleme. Letztlich brachte – nach einigem Hin und Her – der gegen den Verwaltungsakt eingelegte Widerspruch Erfolg. Die Präqualifizierung ist wieder da. AMIRA fragt sich dennoch: Hat die Verwaltung nichts Besseres zu tun, als Apotheken zu schikanieren?