Kleine Gesten, große Wirkung – sensibel beraten in schweren Zeiten

Wenn ein Lebenspartner eines Kunden schwer erkrankt ist oder gar deren Kind, Eltern, Geschwister oder enge Freunde, ist es besonders wichtig, die Patientenangehörigen gut zu beraten. Aber wie?

Zunächst die gute Nachricht. Wenn du nun denkst, dass du als pharmazeutisches Personal Angehörige von Schwerkranken nicht so sensibel beraten kannst, wie beispielsweise ein geschulter Trauerbegleiter oder eine Krankenschwester, mag dir die folgende Nachricht helfen. Denn allein schon neutrale Informationen können für die Kunden ungemein entlastend wirken. Sprich: Auch wenn dir aufgrund von Betroffenheit nicht die richtigen Worte einfallen wollen, hilft es bereits, wenn du einfach deinen Job machst und neutral berätst.

Wissen entlastet

Konzentriere dich in fraglichen Fällen – wenn dir die richtigen Worte des Bedauerns nicht einfallen wollen - auf die Vermittlung von Wissen rund um die Medikamenteneinnahme, die Therapie oder den Freiwahlartikel. Außerdem ist es gerade im Gespräch mit Menschen, bei denen ein Nahestehender erkrankt ist, wichtig, dass du trotz allem die Distanz bewahrst. Deine Fähigkeit, neutral zu bleiben, setzt also bereits den richtigen Rahmen. Natürlich heißt das nicht, dass nicht auch Körpersprache und Stimme zählen: auf keinen Fall solltest du vollkommen desinteressiert und teilnahmslos, bar jeder Mimik und Regung, „einfach deinen Text herunterspulen“. Achte auf einen Blickkontakt beim Sprechen. Sprich ruhig, klar und verständlich.

Foto: iStock / vm

Mitleid ist fehl am Platz

Versuche gerne, wenn dir neben der Beratung noch ein wenig Zeit bleibt, ein wenig Einfühlungsvermögen zu zeigen. Das musst du jedoch von deinem Feingefühl abhängig machen. Eher zurückgezogene, sehr ruhige, schüchterne oder ängstliche Personen empfinden selbst feinfühliges Ansprechen von Gefühlen bald als zu viel. Es kann auch sein, dass eine Kundin sich gerade noch innerlich sammeln muss nach dem Arztbesuch oder dem Besuch des nahen Menschen. Daher gilt hier: Lieber nicht zu stark die Gefühle des Angehörigen triggern. Weniger ist hier im Zweifelsfall mehr.

Jedoch kannst du mit ein wenig Feingefühl gerade beim Abschiedsgruß durch ein wohlgemeintes Beratungsangebot Hilfe signalisieren, wie etwa: „Melden Sie sich bitte jederzeit, gerne berate ich Sie auch telefonisch, wenn Fragen aufkommen.“ Denn genau daran hapert es natürlich in besonders schweren Zeiten. Der Angehörige soll unbedingt das Gefühl zu haben, Ansprechpartner von außen zu haben. Denn das stärkt die „Selbstwirksamkeit“ des Angehörigen, die dann wiederum als Hebelwirkung die Selbstheilungskräfte der Kranken stärken, weil sie handlungsorientiert und lösungsorientiert bleiben – und nicht ausbrennen.

Keine Entscheidung abnehmen

Auch wenn es im Ernstfall sehr verführerisch sein kann, weil man gerne helfen möchte, ist es immer kritisch, dem Patientenangehörigen eine Entscheidung „abzunehmen“, indem man sie für ihn trifft. Stelle dir einmal die Situation vor, dass der Arzt eine für dich ungewöhnliche Einnahme empfohlen hat, die jedoch sehr niedrig ist. Bleibe hier professionell und animiere den Kunden lieber, die Praxis noch einmal anzurufen. Gib ihm zu verstehen, dass du hier sehr gerne helfen würdest, aber nicht die interne Verordnungsroutine des Arztes kennst. Natürlich müsstest du bei einer viel zu hohen Dosierung von der Einnahme abraten – und ausdrücken, dass diese Dosierung zum Beispiel die 5-fache Dosis der normalen Einnahme wäre. Bedenke in jedem Fall, dass auch die Compliance entscheidend ist. Der Patient und seine Nächsten brauchen das Gefühl, dass sein Behandler weiß, was er tut. 

Auch an sich selbst denken

Den Blick auch auf die eigenen Bedürfnisse zu lenken, fällt manchen Angehörigen schwer. Noch viel schwerer ist es, wenn ein geliebter oder sehr naher Mensch erkrankt ist. In solchen Zeiten sind die Ruhephasen zum Regenerieren und Entspannen ohnehin schon kürzer. Und das macht es umso wichtiger, dass diese immer wieder zwischendurch auch an sich selbst denken: was ihnen guttut, wie sie sich erholen können, wo sie sich ein Quentchen Freude holen dürfen. Du kannst bei einem guten Vertrauensverhältnis zum Kunden auch einen Tee, ein Bade-Öl oder eine Duftflasche empfehlen. Alternativ könntest du auch – falls vorhanden – einfach eine Apothekenzeitschrift mitgeben, dass womöglich einen passenden Artikel enthält, der auf die Erkrankung des nahen Menschen rekurriert. Dabei ist es immer gut, sich bewusst zu machen, dass man Arbeit und Privatleben trennen sollte. Daher nicht zu persönlich werden und bedenken, dass die Angehörigen in aller Regel ein eigenes soziales Netzwerk haben. Dennoch sind kleine Signale, wie die hier angesprochenen, immer gut.

AMIRA fragt: Welche kleinen Gesten oder Formulierungen hast du in der Apotheke schon eingesetzt, um Angehörigen von schwerkranken Menschen in einer belastenden Situation spürbar zu helfen?

Weitere hilfreiche Informationen findest du im AMIRA-Magazin: „Darmkrebs – auch die Apotheke kann helfen“: Dort werden u. a. Vorsorge, Symptome, hilfreiche Pflegehilfsmittel und Beratungsansätze in der Apotheke praxisnah erklärt