Gleiches Team, ungleicher Lohn: Zeit, den Mund aufzumachen

Spätsommer in der Apotheke, doch die Stimmung im Pausenraum ist gedrückt: Zwei Kolleginnen entdecken Gehaltsunterschiede – und fragen sich, ob es nicht längst Zeit ist, sich zu wehren.

Es ist einer dieser warmen Augustnachmittage, an dem die Sonnenstrahlen durch die Jalousien der kleinen Apotheke blinzeln und die Luft im Pausenraum nach Sonnencreme, Kaffee und leichten Frustrationen duftet. In der Ecke hinterm Kommissionierer hatten sich Anna, PTA mit sechs Jahren Berufserfahrung, und Julia, angestellte Apothekerin, zu einer kurzen Kaffeepause zusammengefunden. Der Chef war außer Haus, das nutzten sie für einen kleinen, ehrlichen Austausch. 

Kaffeepause mit Nebenwirkungen 

„Sag mal, Julia“, begann Anna und hielt ihre dampfende Tasse zwischen den Händen, „hast du gestern bei der Kaffeerunde auch mitgehört, was Sandra so nebenbei erzählt hat?“ 

Julia, die gerade einen Keks in den Cappuccino tunkte, nickte langsam. „Du meinst, dass sie 300 Euro mehr bekommt als wir? Jep. Hat gesessen.“ 

„Und das nur, weil sie verhandelt hat!“, fügte Anna hinzu, ihre Stimme etwas empört. „Ich dachte immer, das lohnt sich eh nicht. Aber sie hat nicht nur mehr Gehalt rausgeschlagen, sondern auch noch einen Fitnessstudio-Zuschuss und Fahrgeld bekommen.“ 

 

(Bildquelle: istock/Millisenta)

Gleiche Arbeit, unterschiedliche Anerkennung 

Julia seufzte. „Ich hab auch mal verhandelt. Vor zwei Jahren. Da meinte er, die Apotheke sei nicht in der Lage, höher zu zahlen. Ich solle doch dankbar sein, überhaupt einen sicheren Arbeitsplatz zu haben.“ 

Beide schwiegen einen Moment. Nur das rhythmische Surren des Kommissionierers beim Einsortieren des Automatenauftrags war zu hören. Dann sagte Anna leise: „Lisa hat mir erzählt, dass sie in der ADEXA ist. Und weil sie Gewerkschaftsmitglied ist, musste er den neuen Tarifvertrag anwenden, auch wenn es ihm eigentlich gar nicht gepasst hat. Bei ihr gab's jedenfalls keine längere Diskussion darüber, dass sie dankbar zu sein hat, dass sie überhaupt hier arbeiten kann.“ 

Wenn Tarifverträge ignoriert werden 

Julia hob die Augenbrauen. „Wirklich? Ich dachte immer, das sei nur Theorie, und die Arbeitgeber machen bei unter zehn Arbeitnehmern trotzdem nur, was sie wollen. Aber anscheinend bringt es doch was, organisiert zu sein.“ 

„Ich habauch immer gezögert. Dachte, das macht doch nur Ärger mit dem Chef. Aber ganz ehrlich: Noch ärgerlicher ist es, wenn man sieht, was andere kriegen und man selbst auf der Stelle tritt. Ist ja nicht so, als würde ich schlechter arbeiten als sie.“ 

„Sandra hat ja außerdem noch ihren Fach-PTA gemacht“, fügte Julia hinzu. „Das wurde von ihm finanziell anerkannt. Und ich gönne es ihr ja. Aber mich ärgert, dass man hier überhaupt verhandeln muss, um halbwegs fair bezahlt zu werden. Wir anderen rackern uns ab, machen Notdienste mit, springen ein, wenn jemand ausfällt, und bekommen ... Standard. Wenn überhaupt.“ 

 

(Bildquelle: istock/Parradee Kietsirikul)

„Standard ohne Tarifvertrag“, murrte Anna. „Der Chef hat ja damals vor einem Jahr gesagt, er geht nicht mit beim neuen Vertrag. Er wäre ja auch nicht dazu verpflichtet. Aber ehrlich gesagt: Ich fühle mich da einfach nicht mehr fair behandelt. Ist ja nicht so, dass man in der Apotheke als Angestellte ohnehin viel zu wenig verdient, verglichen mit denen, die in die Industrie gegangen sind.“ 

Anna stellte ihre Tasse ab und streckte sich. „Weißt du was, Julia? Vielleicht sollten wir wirklich den Schritt gehen. Entweder gemeinsam zur Verhandlung mit dem Chef, oder eben zur Gewerkschaft. Ich will nicht noch ein Jahr hier sitzen und mich ärgern.“ 

Zeit für Veränderung: Gemeinsam stark 

Julia lächelte. „Ich bin dabei. Vielleicht wird das dann der erste Herbst, in dem wir mal nicht nur den Kunden bei der Vitaminberatung helfen, sondern auch uns selbst ein bisschen stärken. Offenbar hilft es ja, mal den Mund aufzumachen, statt immer nur brav zu funktionieren.“ 

Ein Windstoß bewegt die Jalousien leicht. Draußen bellt ein Hund, ein Kunde schlendert mit Sonnenhut vorbei. Sommerpause, sagen alle. Aber irgendwie fühlt es sich nicht nach Pause an. „Tja, wahrscheinlich hilft es doch, mal den Mund aufzumachen. Statt immer nur brav zu funktionieren.“ 

Sommerpause? Nicht für Gerechtigkeit. 

Ein Windstoß bewegt die Jalousien leicht. Draußen bellt ein Hund, ein Kunde schlendert mit Sonnenhut vorbei. Sommerpause, sagen alle. Aber irgendwie fühlt es sich nicht nach Pause an. 

Vielleicht sollten wir wirklich endlich in die Gewerkschaft eintreten“, sagt Julia plötzlich. Kroll nickt. „Oder zumindest lernen, für uns selbst zu verhandeln.“ 

Die Kaffeemaschine zischt, als wäre sie einverstanden, und beide lachen leise, bevor sie wieder Richtung HV gehen.