Wochenrückblick: Ärzteschaft kritisiert Apothekenreform
Deutscher Apothekentag, expopharm, Wochenbettdepression, Großhandel in Sorge und Klimawandel – was diese Woche beschlossen, diskutiert und zugelassen wurde, liest du in unserer kompakten Übersicht.
Apothekenreform: ABDA begrüßt neue Kompetenzen – fordert aber klare Grenzen
Beim Deutschen Apothekertag 2025 (DAT), der von Dienstag bis Donnerstag in Düsseldorf stattfand, zeigte sich ABDA-Präsident Thomas Preis offen für die vom Bundesgesundheitsministerium geplanten erweiterten Kompetenzen der Apotheken. Diese könnten die Versorgung stärken und Arztpraxen entlasten. Preis betonte jedoch: Die Verordnung bleibe ärztliche Aufgabe – die Verschreibungspflicht dürfe nicht aufgeweicht werden. Besonders chronisch Kranke könnten von einer kontinuierlichen Betreuung durch Apotheken profitieren, sofern diese sicher dokumentiert sei.
Die Hauptversammlung der Apotheker:innen forderte in einer einstimmig beschlossenen Resolution Nachbesserungen an den Reformplänen. Insbesondere müsse die im Koalitionsvertrag zugesagte Honorarerhöhung sofort umgesetzt werden. Eine „Apotheke ohne Apotheker“ lehnt die Berufsgruppe entschieden ab. Mehr zum DAT liest du hier.
Ärzteschaft: Mehr Honorar und Kritik an Apothekenreform
Während es für die Apotheken erstmal keine Honorarerhöhung gibt, teilte die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) einen Tag dem DAT mit, dass es mehr Geld für Ärztinnen und Ärzte gibt. Die KBV und der GKV-Spitzenverband haben sich im Bewertungsausschuss auf eine Erhöhung des Orientierungswertes für ärztliche und psychotherapeutische Leistungen um 2,8 Prozent zum 1. Januar 2026 geeinigt. Diese Anpassung soll die gestiegenen Kosten in den Praxen abfedern und wurde trotz schwieriger finanzieller Rahmenbedingungen als gemeinsamer Kompromiss erzielt. Zusätzlich wurden die morbiditätsbedingten Veränderungsraten für 2026 beschlossen, die bundesweit erstmals rückläufig sind – ein Effekt der demografischen Entwicklung in Deutschland.
Weiterhin kritisieren die KBV und die Kassenärztlichen Vereinigungen die geplante Apothekenreform des Bundesgesundheitsministeriums scharf. Der Vorschlag, verschreibungspflichtige Medikamente künftig ohne ärztliche Verordnung direkt in Apotheken abgeben zu dürfen, wird als gefährlich und rechtswidrig eingestuft. Die ärztliche Diagnose und Therapie seien essenziell für die sichere Anwendung von Arzneimitteln – Apothekerinnen und Apotheker seien dafür nicht ausgebildet. Die KBV warnt vor einer Gefährdung der Patientensicherheit und höheren Kosten im Gesundheitssystem und ruft Apothekenmitarbeiterinnen und -inhaber dazu auf, sich gegen diese Pläne zu positionieren und für eine klare Trennung von ärztlicher Verordnung und pharmazeutischer Abgabe einzutreten.
AMIRA fragt sich: Es ist angedacht, dass Apotheker:innen im Notfall und zur Überbrückung (z. B. am Wochenende oder wenn Ärzt:innen im Urlaub) ein rezeptpflichtiges Medikament für einen chronisch kranken Menschen auszugeben. Das soll ja keine Dauerlösung sein. Zudem sind Apotheker:innen Arzneimittelexperten, wer sonst hat eine solche Ausbildung? In der Schweiz funktioniert dieses Konzept bereits sehr gut. Zudem sollte der Fokus für beide Parteien die Arzneimittelsicherheit sein, das kann doch nur mit einer guten Zusammenarbeit funktionieren, nicht wahr? Was denkst du darüber?
expopharm: Veranstalter zufrieden mit Resonanz und neuen Formaten
Die expopharm 2025 in Düsseldorf endete am Donnerstag mit rund 27.000 Besucher:innen und über 500 Ausstellern. Unter dem Motto „Für die Zukunft unserer Apotheken“ standen an den drei Tagen Innovation, Digitalisierung und Fachkräftesicherung im Fokus. Highlights waren u. a. der FutureHUB, der apostart Award, praxisnahe Vorträge sowie neue Formate für PTA und PKA. Die Themenpalette reichte von Frauengesundheit über Telepharmazie bis hin zu neuen Geschäftsmodellen.
„Wir freuen uns, dass wir die Innovationskraft der Branche auf der expopharm in vielen neuen Formaten für alle Besucher:innen erlebbar machen konnten“, so Madlen Bürge, Geschäftsbereichsleiterin Messe und Kongresse der Avoxa – Mediengruppe Deutscher Apotheker. „Das offene, interaktive Format lud nicht nur zum Mitdenken, Ausprobieren und Mitdiskutieren ein, sondern machte auch die digitale Zukunft der Apotheke erlebbar“, so Bürge weiter. Die Messe habe eindrucksvoll gezeigt, wie Apotheken sich zukunftsfähig aufstellen können. Im kommenden Jahr findet die Fachmesse, die als Branchentreffpunkt gilt, wieder in München statt, und zwar vom 15. bis 17. September 2026.
Mittel gegen Wochenbettdepression zugelassen – mit einer großen Einschränkung
Mit Zuranolon wurde in der EU erstmals ein Medikament speziell zur Behandlung von Wochenbettdepression (Postpartale Depression, PPD) zugelassen. Der neuroaktive Steroid-Wirkstoff moduliert GABA-Rezeptoren und kann laut der Europäischen Arzneimittel-Agentur (EMA) bereits nach zwei Wochen depressive Symptome signifikant lindern. Die Zulassung basiert auf einer placebokontrollierten Studie mit der Hamilton-Depressionsskala. Es gibt allerdings zwei wesentliche Einschränkungen: Zuranolon ist nicht für die Anwendung in Stillzeit und Schwangerschaft empfohlen. Häufige Nebenwirkungen sind Somnolenz, Schwindel und Sedierung.
Eine Wochenbettdepression ist mehr als nur ein „Babyblues“. Sie kann Mütter tief erschüttern – wie das Beispiel einer Mutter zeigt, die sieben Wochen nach der Geburt ihres zweiten Sohnes plötzlich in Tränen ausbrach, sich überfordert fühlte und unter Schlafstörungen litt. Lange habe sie geglaubt, das sei normal und suchte spät Hilfe. Die Diagnose: postpartale Depression. Trotz medikamentöser Behandlung und familiärer Unterstützung folgten Rückfälle, Klinikaufenthalte und Schuldgefühle. Heute engagiert sich die Mutter für Aufklärung – damit andere Frauen früher Hilfe finden. Denn: Wochenbettdepression ist behandelbar, aber oft schwer zu erkennen – gerade, wenn alle erwarten, dass man glücklich ist.
AMIRA wundert sich: Es stellt sich die Frage, wie alltagstauglich das Medikament für Betroffene sein wird, wenn sie es nicht in der Stillzeit einnehmen dürfen. Denn eine Wochenbettdepression setzt in der Regel kurz bis unmittelbar nach der Geburt ein, also in einer Zeit, in der häufig noch gestillt wird.
Kostenexplosion durch Mindestlohn: Großhandel schlägt Alarm
Die geplanten Mindestlohnerhöhungen setzen den pharmazeutischen Großhandel massiv unter Druck. Laut einer aktuellen Mitgliederbefragung des Branchenverbands PHAGRO summieren sich die zusätzlichen Kosten bis 2027 auf knapp 44 Millionen Euro. Da Großhändler verschreibungspflichtige Arzneimittel nicht teurer verkaufen dürfen, können sie die steigenden Löhne nicht weitergeben. Besonders betroffen sind ausgelagerte Tätigkeiten auf Mindestlohnniveau.
PHAGRO warnt vor Versorgungsrisiken und fordert eine Anpassung der Arzneimittelpreisverordnung. Weitere Einsparungen seien nicht möglich, die Rationalisierungspotenziale ausgereizt. Der Verband appelliert an die Politik, die Vergütungsstrukturen dringend zu überarbeiten.
Klimawandel am Arbeitsplatz: Auswirkungen immer stärker spürbar
Laut Gesundheitsreport 2025 der Techniker Krankenkasse (TK) spüren 60 % der Beschäftigten bereits Auswirkungen des Klimawandels am Arbeitsplatz – besonders stark betroffen seien körperlich Tätige und Menschen mit Außeneinsätzen. Hitzetage führten zu mehr Krankschreibungen, v. a. wegen Kreislaufproblemen und Erschöpfung. Auch psychische Belastungen nehmen zu. Die TK warnt vor Produktivitätsverlusten und fordert betriebliche Klimaanpassungen. „Hitze beeinträchtigt nicht nur den Kreislauf, sondern auch die Konzentration, die Sicherheit und die Produktivität am Arbeitsplatz“, so Dr. Jens Baas, Vorstandsvorsitzender der TK. Beschäftigte wünschten sich u. a. flexible Arbeitszeiten, bauliche Maßnahmen und mehr Aufklärung.