Leber & Medikamente: Zwischen Risiko und Realität
Viele glauben, dass Medikamente mit potenziell leberschädlichen Wirkungen bei Lebererkrankungen tabu sind. Stimmt das? Wir klären auf und zeigen, warum selbst Paracetamol nicht immer ein No-Go ist.
Lebererkrankungen stellen besondere Anforderungen an die Arzneimittelberatung. Laut Hepatologen und der Deutschen Leberhilfe kann eine Wechselwirkung bei bestimmten Arzneigruppen und Patient:innen eher vorkommen.
Nicht jede Substanz ist ein Risiko
Nicht alle Medikamente führen sofort zu Neben- oder Wechselwirkungen. Auch bei Erkrankungen der Leber sind viele Arzneimittel – etwa Antibiotika – trotz möglicher Risiken wichtig und mitunter lebensrettend. Die Deutsche Leberhilfe listet in ihrer Broschüre eine Reihe von Arznei- und Naturheilmitteln auf, bei denen in der Vergangenheit Leberschäden beobachtet wurden. Dabei handelt es sich jedoch meist um Einzelfälle und nicht um generelle Verbotslisten.
Fazit: Die Annahme, dass sämtliche Medikamente bei Lebererkrankungen toxisch sind, ist laut Leberhilfe „eher die Ausnahme“.
Johanniskraut – pflanzlich, aber nicht harmlos
Johanniskraut gilt zwar nicht als direkt leberschädigend, kann jedoch zu schwerwiegenden Wechselwirkungen führen. Es kann die Wirkung anderer Medikamente verändern, meist abschwächen.
Besonders kritisch: Bei Lebertransplantierten kann Johanniskraut die Wirkung immunsuppressiver Medikamente beeinträchtigen – mit potenziell lebensbedrohlichen Folgen wie Abstoßung.
Weitere kritische Wirkstoffe im Blick behalten
Auch bei Statinen, Amiodaron, Cyclosporin, Antibiotika, Schmerzmitteln, Nahrungsergänzungsmitteln und Naturheilmitteln sollten mögliche Wechselwirkungen individuell geprüft werden.

Bild: Deutsche Leberstiftung
Markus Cornberg ist Professor für Infektiologie mit dem Schwerpunkt Hepatologie und stellvertretender Direktor der Klinik für Gastroenterologie, Hepatologie und Endokrinologie an der Medizinischen Hochschule Hannover. Sein klinisches Fachgebiet umfasst insbesondere die Behandlung infektiöser Lebererkrankungen. Er ist außerdem Medizinischer Geschäftsführer der Deutschen Leberstiftung.
Professor Dr. Markus Cornberg von der Deutschen Leberstiftung betont:
„Bei Lebererkrankungen gibt es kein Medikament, das grundsätzlich erlaubt oder verboten ist. Ob ein Medikament bei einer Lebererkrankung eingesetzt werden kann, hängt immer vom Einzelfall ab. Wichtig ist, dass Nutzen und mögliche Nebenwirkungen gemeinsam mit der Ärztin oder dem Arzt sorgfältig besprochen und überwacht werden.“
Um jedoch keine Panik zu schüren und die Arzneimitteleinnahme nicht negativ zu beeinflussen, gilt laut dem Experten, von Patient zu Patient zu unterscheiden und dem Arzt bzw. der Ärztin prinzipiell zu vertrauen. Nur in sehr fraglichen Fällen sei eine kurze ärztliche Rücksprache sinnvoll.
Paracetamol bei Lebererkrankungen – nicht immer tabu
Die Deutsche Leberhilfe weist darauf hin, dass selbst Paracetamol unter bestimmten Voraussetzungen eingenommen werden darf. Fachärzt:innen erlauben ihren Patient:innen gelegentlich die Einnahme in begrenzter Dosierung. Der Wirkstoff wird erst in Überdosierung kritisch – dann kann er innerhalb weniger Tage zu einem akuten Leberversagen führen. Bei niedriger Dosierung sind toxische Nebenwirkungen selten, betont die Leberhilfe. Dennoch sollte die Einnahme bei Lebererkrankungen immer individuell ärztlich abgeklärt werden.

Bildquelle: istock/Ridofranz
Ein häufiges Missverständnis betrifft den Beipackzettel: Dort findet sich oft der Hinweis, dass ein Medikament „nicht bei Leberfunktionsstörungen“ eingenommen werden soll. Viele Leberkranke fühlen sich dadurch automatisch angesprochen. Doch laut Leberhilfe ist damit in der Regel eine fortgeschrittene Leberzirrhose gemeint und damit eine bereits deutlich eingeschränkte Leberfunktion.
Im Zweifel gilt: Rücksprache mit dem Arzt oder der Ärztin ist sinnvoll, um die individuelle Situation richtig einzuschätzen.
AMIRA sagt: Du weißt jetzt, warum nicht jedes Medikament bei Leberproblemen tabu ist. Doch was passiert, wenn selbst Standarddosierungen gefährlich werden – und wie können Patient:innen vor versteckten Risiken geschützt werden? Genau das erfährst du kommende Woche im zweiten Teil unserer kleinen Serie.