„Wie teuer?“

In der Apotheke geht´s natürlich immer hoch her, wer wüsste das nicht. Aber im Gegensatz zu den Problemen, an denen wir uns im Alltag abarbeiten – ich sage nur: Lieferengpass-Management – gab es in den letzten Tagen doch den ein oder anderen Anlass, mal ganz tief in die Kundenberatung einzutauchen.

Wie kommt's? Nun ja, Muttertag stand vor der Tür, und Leute, die einen
Blumenstrauß für einen Tick zu schnöde halten, sind doch tatsächlich in die Apotheke gekommen,
um bei uns nach etwas Gutem für Mama zu fragen.

Kunde, ein Mann, vielleicht Mitte 30, so: „Was finde ich denn bei Ihnen, womit ich meiner Mutter
zum Muttertag eine Freude machen könnte?“

Ich, Zuversicht und Kompetenz ausstrahlend – so wie immer halt: „Schön, dass Sie zu uns gekommen
sind, wir finden ganz gewiss etwas!“

Kunde: „Freut mich zu hören, es soll aber nicht so teuer sein, ist ja nur eine Aufmerksamkeit.“

Ich: „Hmm...“, also „räusper“. Kurz ertappe ich mich bei dem Gedanken, ob es nicht geboten
sei, dem Kunden einen Kurzvortrag über Sinn, Bedeutung und Wert des Muttertages zu halten, über
die Dankbarkeit, die sich in seinem Geschenk ausdrücken möge, die Kraft der Symbolik, das Glück,
anderen eine Freude zu bereiten… aber Gottchen, Budgets sind nun mal begrenzt, und aufs Geld
kommt es nun wirklich nicht an zum Muttertag. Machen wir das Beste draus, denke ich…

Ich fahre fort: „Sehr gern genommen wird Kosmetik. Wir in der Apotheke haben erstklassige
Produkte im Angebot, die alle aufeinander abgestimmt sind und hervorragend verträglich sind, zum
Beispiel dieses hier …“

Kunde: „Wie teuer ist das?“

„Augenblick, ich sage erstmal, worum es sich handelt. Wir haben hier ein Hyaluron-Serum-
Konzentrat zum Aufbringen auf die Gesichtshaut, hilft prima gegen Faltenbildung.“

Kunde: „Wie teuer?“

„50 Milliliter kosten 50,95 Euro. Aber es lohnt sich. Ich empfehle das sehr häufig und habe auch
selbst sehr gute Erfahrungen damit ge…“

Kunde: „Aber die Flasche ist echt Mini-Klein. Das macht doch nichts her. Haben Sie nichts anderes,
etwas günstigeres?“

„Selbstverständlich. Wie wäre es mit einer pflegenden Nachtcreme für Ihre Mutter? Enthalten sind
wichtige Nährstoffe und Feuchtigkeitsspender. Die Anwendung verspricht Pflege, entspannte Haut,
Glätte, Jugendlichkeit …“

Kunde: „Wie teuer?“

„Der Tiegel kostet 32,90 Euro. Zu viel?“ Oops – mir fällt auf, dass ich jetzt einen Fehler gemacht
haben könnte, denn dem Kunden zu unterstellen, er sei in seinen finanziellen Möglichkeiten
beschränkt, könnte auch in Ablehnung umschlagen. Sagt er jetzt „Danke“ und geht? Ist er gar der
Typ, der völlig ohne Grußformel verschwindet? Nein – Glück gehabt... .

Kunde: „Geht´s noch etwas günstiger?“

„Aber ja doch! Vielleicht gefällt ihrer Mutter eine Körperlotion. Diese hier ist auf veganer Basis in
verschiedenen Duftnoten erhältlich, der Renner ist Moment der Duft „Wildrose“. Kostet 15,95 Euro
und kommt immer sehr gut an. Kommt Ihnen das entgegen…?“

Ich glaube es nicht! Treffer! Das Gesicht des Kunden entspannt sich, ja – sogar ein Lächeln ist zu

sehen, ich höre die erlösenden Worte: „Die nehm' ich.“

Dann Kassieren, die Ware überreichen, Verabschiedung und von meiner Seite der Wunsch: „Viel
Spaß beim Verschenken“.

Tatsächlich kam das öfter vor in den vergangenen Tagen. Und jetzt beschleicht mich ein Verdacht.
Nämlich der, dass die Menschen weniger Geld in der Tasche haben als noch vor einigen Jahren. Das
ist nun wahrlich keine überraschende Einsicht, die Spatzen pfeifen das ja von den Dächern, um es mit
einem Sprichwort auszudrücken. Aber wenn schon an den Aufmerksamkeiten zu Muttertag so
gespart wird, frage ich mich: Wo soll das eigentlich enden? Und was können wir in der Apotheke tun,
um den Kunden ein anderes Einkaufserlebnis zu verschaffen. Ideen? Dann her damit!

Eure AMIRA