Wenn Sildenafil für alle, dann auch Pille für alle

Wieder einmal wurde diskutiert, Sildenafil aus der Verschreibungspflicht zu entlassen. Ist das wirklich eine gute Idee? Währenddessen benötigen Frauen für die Pille weiterhin ein Rezept. Ich bin zwiegespalten.

Kürzlich hatte ich einen Artikel zum geplanten OTC-Switch von Sildenafil gelesen. Vor rund zwei Jahren wurde ein Antrag gestellt, dass der Wirkstoff in der Dosierung mit 50 mg rezeptfrei werden soll, dieser wurde abgelehnt. Jetzt in der zweiten Runde waren diese Woche die 25 mg-Dosierungen dran. Der Sachverständigenausschuss des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) prüfte erneut, ob man die Mittel nicht einfach apothekenpflichtig machen kann. Und es ist jetzt offiziell: Viagra und Co. bleiben weiterhin rezeptpflichtig. Aber ich sehe es schon kommen, nächstes Jahr wird wieder eine Initiative für die Apothekenpflicht gestartet. Denn alle guten Dinge sind ja bekanntlich drei! 

Ich fragte kürzlich meine Kollegin, wie sie das Ganze sieht und ob sie einen OTC-Switch befürwortet: „Ich weiß nicht, was ich davon halten soll“, sagte sie. Ich auch nicht ... Deswegen habe ich mal die Argumente der Befürworter (u. A. Pharmaindustrie, Patienten) und Kritiker (u. A. Vertretung der Urologen) zusammengetragen. Fallen dir noch andere ein?

Pro – Sildenafil soll apothekenpflichtig werden

  • Sildenafil wird seit rund 20 Jahren zur Behandlung der erektilen Dysfunktion eingesetzt. Es gibt einen großen Erfahrungsschatz im Umgang mit dem Medikament. 
  • Apotheker:innen und PTA sind in der Lage, qualitativ hochwertige, pharmazeutische Beratung zu diesem Präparat zu leisten
  • Evtl. größerer Ertrag für Apotheken, wenn es OTC wird?
  • Bekämpfung des illegalen Online-Handels mit teils gefährlichen Folgen für die Anwender
  • Stärkung der Gesundheitskompetenz der Patienten
  • Niedrigschwelliger Zugang über die Apotheke erspart Zeit und Aufwand für Anwender (z. B. Arzttermin organisieren und/oder Rezept abholen)
  • Evtl. Rückgang von Rezeptfälschungen

 

Contra – Sildenafil soll weiterhin verschreibungspflichtig bleiben

  • Risiken bzw. Gesundheitsgefährdung durch Neben- und Wechselwirkungen und Komplikationen durch ungeprüfte Einnahme und einfachen Zugang möglich
  • Erektionsstörung ist ein Frühwarnsymptom für Herz-Kreislauf-Erkrankungen und sollte diagnostisch abgeklärt werden
  • Ärztliche Beratung und urologische Untersuchungen können Kontraindikationen (z. B. schwere Herz-Kreislauferkrankung, schwere Leberinsuffizienz, Augenerkrankungen) ausschließen, das Risikoprofil für den individuellen Patienten kann so erkannt und vermieden werden

 

Sexualität für jedermann und jedefrau

Wenn Sildenafil aus der Verschreibungspflicht entlassen werden soll, warum nicht auch die Verhütungspille? Ich weiß, die Präparate sind nicht eins zu eins vergleichbar und haben unterschiedliche Anwendungsgebiete. Bei Viagra & Co. geht es darum, den Geschlechtsverkehr überhaupt zu ermöglichen. 
Aber Frauen sind häufig auch auf eine Pille eingestellt und müssen sich ständig Folgerezepte besorgen. Inzwischen gibt es sogar Online-Praxen, die legal Pillenrezepte ausstellen und den Frauen zur Verfügung stellen, damit sie weniger Stress im Alltag haben. In anderen Ländern können Apotheker:innen sogar Folgerezepte ausstellen. Wir müssten dann nicht dauernd hinterfragen und diskutieren, ob eine Zahnärztin nun ein Pillenrezept verordnen darf oder nicht und warum wir dieses Rezept aus der Online-Praxis beliefern sollen. Das würde dann alles wegfallen und die Gesundheitskompetenz der Frauen würden wir damit auch stärken (bei den Männern wird damit ja auch argumentiert). Kann man sich ja mal überlegen. 


Deine Meinung ist gefragt: Sollte Sildenafil rezeptfrei erhältlich sein oder nicht? Schreibe deine Argumente in die Kommentare!