Pharmaziestudierende: Wir brauchen die Studienreform
Das Pharmaziestudium wird von vielen Kennern als reformbedürftig eingestuft. Diese Meinung vertritt auch der Bundesverband der Pharmaziestudierenden in Deutschland (BPhD). Wir haben mit Laila Haroon vom BPhD über die Zukunft des Pharmaziestudiums gesprochen.
Vor Kurzem machten die Ergebnisse einer Verbandsumfrage unter den Studierenden des Fachs die Runde. Es ging um eine zusätzliche wissenschaftliche Arbeit am Ende des Studiums, der die Befragten durchaus positiv gegenüberstanden. Vorausgesetzt, sie erhalten die erforderliche Zeit fürs Anfertigen der Arbeit eingeräumt. Das bleibt weiterhin umstritten. Einig sind sich viele Studierende indes darin, dass das Studium künftig mit anderen Inhalten und Schwerpunkten auf den Beruf vorbereiten solle. Sonst werde die Zukunft verspielt.
AMIRA: Laila, Ihr Verband hat jüngst eine Umfrage zu den Themen Studienzeitverlängerung und Abschlussarbeit durchgeführt. Welche Schlüsse ziehen Sie aus den Ergebnissen, wie nutzen Sie sie für Ihre Arbeit?
Laila Haaron: Das Schreiben einer Abschlussarbeit und eine Studienzeitverlängerung stellen eine der größten Änderungen des Studiums dar. Die aktuelle Umfrage ergibt, dass der Großteil der Studierenden einen Mehrwert in der wissenschaftlichen Arbeit erkennt, da sie dadurch wissenschaftliche Fähigkeiten erlernen würden. Sie finden die Abschlussarbeit aber generell nicht sinnvoll, wenn es dafür keine zusätzliche Zeit gibt. Unsere Umfrage bietet die Möglichkeit, empirisch die Entwicklung der Attraktivität des Pharmaziestudiums darzustellen. Das ist für die fundierte Begründung unserer Standpunkte entscheidend und ein wichtiger Argumentationsgegenstand in der Kommunikation mit dem Bundesministerium für Gesundheit.
Was sind Ihre Erwartungen in Bezug auf die Novellierung der Approbationsordnung für Apotheker?
Unsere Erwartung ist, dass das Pharmaziestudium modernisiert wird. Wir setzen auf ein attraktives Studium, das Studierende auf den Beruf der Apotheker:innen optimal vorbereitet. Das Studium soll pharmazeutische Kompetenzen und mehr Wissenschaftlichkeit vermitteln. Dafür sollen anhand eines nationalen, kompetenzorientierten Lernzielkatalogs (NKLP) die Lehrinhalte stetig an den Berufsalltag angepasst werden, um die Zukunftsfähigkeit dieses Studiums zu wahren. Dadurch sollen das zweite und dritte Staatsexamen ortsübergreifend vergleichbarer sein. Auch die Möglichkeit, Auslandspraktika und -semester zu absolvieren, soll verbessert werden.
Phytopharmazie und Pflanzenkunde – weg damit?
Welche Studienbestandteile sind aus Ihrer Sicht heute eher obsolet und welche werden zu wenig gelehrt?
Die Pharmakologie und die Klinische Pharmazie werden bisher zu wenig gelehrt. Wir erwarten durch eine Novellierung der Approbationsordnung den Ausbau der beiden Fächer. Ziel ist, durch praxisorientierte und patientennahe Lehre Studierende für die Anforderungen des Berufs besser ausbilden zu können. Wir wollen ein Studium, das nachhaltig, attraktiv, praxisrelevant, kompetenzorientiert und studierbar ist.
Einige Inhalte werden von Studierenden als obsolet wahrgenommen und bieten im Berufsleben kaum einen Mehrwert. In der Pharmazeutischen Biologie ist beispielsweise der klassischen Phytopharmazie und vor allem der Pflanzenkunde weniger Zeit beizumessen. Stattdessen sind modernen Inhalten wie genetisch hergestellten Arzneimitteln und der Immunologie mehr Stellenwert einzuräumen. Wir haben uns mit den verschiedensten Aspekten der Novellierung beschäftigt und uns dazu in dem Positionspapier „Pharmaziestudium und Approbationsordnung für Apotheker“ geäußert.
Es war nicht die erste Umfrage, die Sie durchgeführt haben. Welche Ziele verfolgen Sie mit dieser Methode?
Umfragen sind eine sehr gute Methode, Studierenden die Möglichkeit zur politischen Teilhabe zu bieten. Die Beantwortung dauert nicht einmal zehn Minuten, das Formular kann also von allen Studierenden ausgefüllt werden. So geben wir möglichst vielen von ihnen die Chance, sich schnell und einfach zu wichtigen Themen zu äußern. Wir als BPhD-Vorstand können dadurch datenbasiert arbeiten und die Meinungsbildung demokratisch gestalten.
Ziel: Besser auf den Umgang mit Patient:innen vorbereitet werden
Sind Sie generell mit Ihrer Arbeit zufrieden und fühlen Sie sich ausreichend wahrgenommen von den Studierenden, den Universitäten, der Politik und der Öffentlichkeit? Wo sehen Sie Verbesserungsbedarf?
Studierende sind sich einig: Die Novellierung der Approbationsordnung für Apotheker ist zwingend notwendig, um die klinisch-praktische Ausbildung zu stärken und dadurch besser auf den Alltag und auf den Umgang mit Patient:innen vorbereitet zu sein. Im Prozess dieser Novellierung spielen wir eine wichtige Rolle. Durch unsere Ablehnung des Positionspapiers der Bundesapothekerkammer hatten wir eine starke Wirkung auf die Politik und wir versuchen, durch unsere Arbeit die Interessen der Studierenden bestmöglich zu vertreten. Durch die Pandemie und jetzt auch die aktuelle Kampagne der ABDA sind Apotheken in den Fokus gerückt. Dadurch werden Apotheken von der Öffentlichkeit stark wahrgenommen. Der breiten Öffentlichkeit ist jedoch nicht bekannt, dass zum Aufbau einer leistungsfähigen Gesundheitsversorgung, bei der Patient:innen im Fokus stehen, eine Studienreform nötig ist. Diese Problematik muss stärker in die Öffentlichkeit getragen werden. Daher gibt es für uns keinen Grund, uns zufrieden zurückzulehnen.
Das Pharmaziestudium gilt als sehr zeit- und lernintensiv. Wie schaffen Sie es dennoch, sich für die Belange der Studierenden einzusetzen, welche Motivation steckt dahinter?
Das Studium ist zwar lern- und zeitintensiv, das stimmt, doch vielen von uns ist die Vertretung unserer Interessen und damit eine Erneuerung der Approbationsordnung für Apotheker so wichtig, dass wir uns trotzdem engagieren. Meine Motivation rührt daher, dass mir die Gesundheitsversorgung jedes einzelnen Menschen wichtig ist und ich dafür viel Potenzial im Apothekerberuf sehe, das aus unterschiedlichen Gründen aktuell nicht voll ausgeschöpft wird. Ein wichtiger Grund ist, dass die Grundlagen dafür im Studium nicht ausreichend geschaffen werden.
Vielen Dank für das Interview, Laila!
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Laila Haroon studiert seit dem Wintersemester 2020 Pharmazie in Heidelberg. Seit dem 01.01.2023 ist sie Beauftragte für Lehre und Studium des BPhD. Ihre Aufgabe besteht darin, Lehrinhalte und Studienbedingungen unter anderem im Hinblick auf das wandelnde Berufsbild zu optimieren.