Wochenrückblick: Postkarten und Praxenkollaps
Der Deutsche Apothekertag wirft seine Schatten voraus. Außerdem: Die klassische Pille wird immer seltener verordnet, dafür steigen wieder die Corona-Fallzahlen. Das ist aber kein Grund zur Sorge. Anders als das, was die Ärzteschaft zu sagen hat.
Lauterbach kommt erneut nicht zum Deutschen Apothekertag
Ende September (27.-29.9.) findet in Düsseldorf der jährliche Deutsche Apothekertag (DAT) statt. Mehr als 300 Delegierte aus allen Bundesländern werden dann zur parallel stattfindenden Expopharm die Köpfe zusammenstecken, um die Weichen für die Zukunft des Apothekenwesens zu stellen. Insgesamt soll es zwischen 50 bis 60 Anträge geben, über die abgestimmt wird, berichtet die PZ. „Die Anträge spiegeln die akut relevanten, aber auch die perspektivisch wichtigsten Themen wider, die uns Apothekerinnen und Apothekern bei der Versorgung unserer Patientinnen und Patienten bewegen“, wird Gabriele Regina Overwiening, Präsidentin der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (ABDA), im Vorfeld des DAT zitiert.
Dabei zeichnen sich vier große Themenblöcke ab: Versorgung, Nachwuchs und Ausbildung, Digitalisierung und Nachhaltigkeit – passend dazu sollen alle Abstimmungen wieder digital erfolgen – sowie „Rahmenbedingungen der Berufsausübung“. Beim letzten Punkt geht es vor allem um die Stärkung der Vor-Ort-Apotheken und eine bessere Honorierung. Die ABDA hat Anfang des Jahres deswegen eine Kampagne gestartet, deren bisheriger Höhepunkt der bundesweite Protesttag am 14. Juni war. Aktuell läuft eine Postkartenaktion, mit der Patient:innen bekunden sollen, wie wichtig ihnen die Apotheke ist (dazu später mehr).
„Auf dem Deutschen Apothekertag werden wir die dringend notwendige Erhöhung des Apothekenhonorars zentral thematisieren und dabei auch politische und strategische Konsequenzen ziehen“, sagt die ABDA-Präsidentin. Hauptansprechpartner aus der Politik ist Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD), der wie im Vorjahr wieder nur live zugeschaltet und ein Grußwort sprechen wird. Dieser hatte sich zuletzt gegen eine bessere Honorierung ausgesprochen. Ein persönliches Gespräch mit ihm soll es aber „in Kürze“ geben.
Protest-Postkarten können jetzt auch digital versendet wird
Über die oben angesprochene Postkartenaktion der ABDA hatten wir bereits berichtet. Morgen wird unsere Apothekenspitzelin ihre Gedanken über diese Aktion in der Apotheken-Gezwitscher-Kolumne teilen. Jedenfalls wurde die laufende Protestaktion nun erweitert, und zwar auf eine Initiative aus der Apothekerschaft hin. Demnach ist es Patient:innen fortan auch möglich, digital zu vermitteln, was ihnen ihre Vor-Ort-Apotheke und generell eine gute Versorgung bedeuten. Den Satz „Wir lieben Apotheke, weil …“ können die Menschen auf der eigens dafür ins Leben gerufenen Internetseite mit einem Grund ergänzen. Die gedruckten und digitalen Postkarten sollen bis zum 4. September gesammelt und dann der Öffentlichkeit präsentiert werden. Zudem plant die ABDA, die an die Bundesregierung adressierten Karten auch den zuständigen Ministerien für Wirtschaft und Gesundheit zu übergeben.
„Am bundesweiten Protesttag haben die Apothekenteams der Politik klar signalisiert, dass die flächendeckende Arzneimittelversorgung ihrer Patientinnen und Patienten in Gefahr ist“, sagt Benjamin Rohrer, Leiter Kommunikation der ABDA: „Eine der wichtigsten Botschaften des Protesttages für uns als Standesvertretung war der riesige Zuspruch aus der Bevölkerung. Deshalb wollen wir die Stimmen der Patientinnen und Patienten hör- und sichtbar machen mithilfe unserer Postkartenaktion.“
Einigen Apotheken seien die Postkarten wegen der großen Nachfrage schon ausgegangen, zudem hätten auch nicht-mobile Patient:innen signalisiert, teilnehmen zu wollen. Ab sofort ist dies online auf www.apoliebe.de möglich. Keine Postkarte gehe verloren, verspricht Rohrer – alles werde gesammelt und ausgewertet.
ABDA-Präsidentin Overwiening verteidigte die Postkartenaktion und kündigte weitere Protestaktionen für den Herbst an. Trotz der unbestreitbaren „Teilerfolge“ der Kampagne sei die wichtigste Forderung der Apothekerschaft – die Honorierung anzuheben – noch nicht erfolgt, erinnerte sie. Die Politik weigere sich bislang, den Druck anzuerkennen, dem die Apotheken ausgesetzt seien.
Klassische Pille wird immer seltener verordnet
Der Anteil der gesetzlich krankenversicherten Mädchen und Frauen, die kombinierte orale Kontrazeptiva (KOK) zur Verhütung auf Kosten der Krankenkasse verschrieben bekommen, ist seit Jahren rückläufig. Diese Tendenz habe sich auch im vergangenen Jahr noch einmal verstärkt. Das geht aus einer Mitteilung der AOK hervor. Der Verordnungsanteil sank demnach um vier Prozentpunkte auf 28 Prozent. „Damit verliert die klassische Pille als Verhütungsmittel in dieser Altersgruppe immer mehr an Bedeutung“, konstatiert die AOK. Ebenso verstetige sich der Trend hin zu risikoärmeren Pillen. Seien im Jahr 2013 noch 65 Prozent jener Präparate mit einem höheren Risiko für tiefe Beinvenenthrombosen und Embolien verordnet worden, seien es 2022 nur noch 48 Prozent gewesen.
Die Gründe für die Verstetigung dieser Entwicklung sieht Dr. Eike Eymers, Ärztin im Stab Medizin des AOK-Bundesverbandes, vor allem in der wachsenden Informiertheit und in einem größeren Bewusstsein der Mädchen und jungen Frauen um die Nachteile der klassischen Pille. „Dass eine hormonelle Verhütung auch Risiken hat, wird gerade in den sozialen Medien immer stärker thematisiert“, so Eymers. Die Entscheidung für ein Verhütungsmittel bleibe eine ganz individuelle Entscheidung, die nur unter gründlicher Abwägung der Risiken und des Nutzens getroffen werden sollte. Dazu gehöre aber auch der Fakt, dass die Pille seit mehr als 60 Jahren als eines der wirksamsten Verhütungsmittel gilt.
Corona-Fallzahlen steigen
In den letzten wird vermehrt berichtet, dass die Zahl der gemeldeten Corona-Fälle wieder steige. Das sei allerdings kein Grund zur Besorgnis, erklärte der Mainzer Virologe Bodo Plachter der Deutschen Presse-Agentur. Denn dies passiere nur leicht und von einem sehr niedrigen Niveau aus, zudem sei die Immunitätslage gut. Es sei ohnehin damit zu rechnen, dass die Fallzahlen auch in den kommenden Monaten weiter nach oben gehen werden. „Corona ist mittlerweile eine Erkrankung, mit der wir leben müssen und die saisonal auftritt ähnlich wie alle anderen respiratorischen Atemwegs-Infektionen durch Viren“, so der kommissarische Direktor des Instituts für Virologie der Universitätsmedizin Mainz. Eine Auffrischimpfung wird von der Ständigen Impfkommission am Robert Koch-Institut ab 60 Jahren empfohlen sowie für Menschen mit einem erhöhten Risiko, schwer zu erkranken oder sich zu infizieren. Dies betrifft insbesondere Patienten mit chronischer Grunderkrankung, Bewohner von Alten- und Pflegeheimen sowie deren enge Kontaktpersonen und medizinisches Personal. Geraten wird zu einer Auffrischung im Herbst – wobei ein Abstand zur letzten Auffrischung von zwölf Monaten eingehalten werden sollte.
Ärzte warnen vor „Praxenkollaps"
Für die Ärzteschaft steht die ambulante Versorgung in Deutschland auf dem Spiel: „Die Praxen stehen vor dem Kollaps“, warnte sie vergangene Woche. Tag für Tag setzten sie sich für die Gesundheit ihrer Patient*innen ein – doch ihre Kräfte gingen zur Neige.
In einer Krisensitzung hat die Ärzte- und Psychotherapeutenschaft deswegen klare Forderungen an die Politik verabschiedet. Hunderte Niedergelassene, darunter die Delegierten der Vertreterversammlungen der Kassenärztlichen Bundesvereinigung und der 17 Kassenärztlichen Vereinigungen machten klar: So kann es nicht weitergehen. Die Politik und insbesondere Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach seien nun gefordert, die Forderungen, die hier zu lesen sind, umzusetzen – ansonsten drohe eben jener Praxenkollaps.
Lauterbach drängt auf Bevorratung von Kinderarzneimitteln
Karl Lauterbach will wirksame Maßnahmen gegen potenzielle zukünftige Engpässe bei Kindermedikamenten zu ergreifen. Aktuellen Einschätzungen zufolge könnte es im kommenden Herbst und Winter zu einer „angespannten Versorgungssituation“ für wichtige Antibiotika und andere relevante Arzneimittel für Kinder kommen. Diese Warnung sprach der Minister in einem Schreiben an den Verband des Pharmagroßhandels aus, wie die Mediengruppe Bayern am Donnerstag berichtete. Lauterbach bat in dem Brief darum, Beschaffung und Lagerung der von Knappheit bedrohten Medikamente zu verstärken.
Im Juli wurde bereits ein Gesetz verabschiedet, um Engpässe bei Medikamenten, insbesondere für Kinder, zuverlässiger zu verhindern. Als Sicherheitsmaßnahme werden Vorräte von mehreren Monatsmengen für häufig verwendete Arzneimittel zur Pflicht. Es sollen Preiseinschränkungen gelockert werden, um Herstellern die Lieferungen nach Deutschland attraktiver zu gestalten. Laut Lauterbach benötigt das Gesetz jedoch Zeit, um seine Wirkung zu entfalten, wie er gegenüber der Mediengruppe Bayern erklärte. Um kurzfristig Engpässen vorzubeugen, empfahl er, dass der Großhandel wichtige Kindermedikamente bereits jetzt bevorratet. So sollen besorgte Eltern in dieser Erkältungs- und Grippesaison nicht erneut mit leeren Apothekenregalen konfrontiert werden.