Wochenrückblick: Macht ein Saugnapf bald die Injektion überflüssig?

Deutscher Apothekertag, expopharm, Lauterbach-Pläne: In der Branche ist in den letzten Tagen viel los gewesen. Für eine Revolution bei der Medikamenteneinnahme könnte demnächst ein Saugnapf sorgen.

Forschung arbeitet an Saugnapf zur Medikamenteneinnahme

Wissenschaftler*innen der Eidgenössischen Technischen Hochschule (ETH) Zürich haben einen etwa einen Zentimeter breiten und sechs Millimeter hohen Saugnapf entwickelt, der dazu dienen soll, auch große Moleküle wie Peptide durch die Wangenschleimhaut in den Blutkreislauf zu transportieren.  
 
Normalerweise ist die Schleimhaut auf der Innenseite der Wange nicht der optimale Ort, um Wirkstoffe in den Blutkreislauf zu bringen, insbesondere wenn es sich um große Moleküle wie Peptide handelt. Das dichte Gewebe stellt ein beträchtliches Hindernis dar, das der neu entwickelte Saugnapf überwinden soll. Er wird mit den Fingern an die Wangenschleimhaut angelegt, wodurch sich die Schleimhaut durch den erzeugten Unterdruck dehnt und für Wirkstoffformulierungen, die sich im kuppelförmigen Hohlraum des Saugnapfes befinden, durchlässiger wird. 
 
Allein dies reicht jedoch nicht aus, um die Blutgefäße zu erreichen. Die Forscher*innen integrierten eigenen Angaben zufolge einen körpereigenen Stoff als Permeationsverstärker, der die Zellmembran auflockert und somit den Wirkstoff das Gewebe besser durchdringen lässt. Es reiche, den Saugnapf für einige Minuten zu tragen, während dieser Zeit könne der Wirkstoff durch die nun durchlässige Schleimhaut direkt in den Blutkreislauf gelangen. 
 
Es handelt sich um eine völlig neue Methode zur Verabreichung von Medikamenten, die Millionen von Menschen die schmerzhafte oder unangenehme Erfahrung einer Injektion ersparen könnte, sagt Nevena Paunović, Mitglied des Forschungsteams an der ETH. Tests mit Hunden, deren Wangenschleimhaut der des Menschen ähnelt, hätten mittels Blutproben gezeigt, dass der Saugnapf den Arzneistoff Desmopressin erfolgreich in die Blutbahn beförderte. Des Weiteren sei ein leerer Saugnapf bei 40 Personen getestet worden. Er sei rund 30 Minuten an der Wange haften geblieben, wobei die Probanden dies positiv bewertet hätten. Die meisten hätten diese neue Verabreichungsform gegenüber einer herkömmlichen Injektion bevorzugt. Noch ist der Saugnapf allerdings nicht marktreif.

Auch Adexa sieht Lauterbach-Pläne kritisch

Die Pläne von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach zur Zukunft der Apotheken, die am Dienstag in der „FAZ“ bekannt wurden und über die auch am Mittwoch zum Auftakt des Deutschen Apothekertags 2023 gesprochen wurde, waren in dieser Woche das dominierende Thema in der Branche. Die Apothekengewerkschaft Adexa äußerte sich nun ebenfalls zu den Aussagen des Gesundheitsministers.  
 
Die Gewerkschaft begrüßt es, dass der Minister gegen Fremdbesitz und eine Stärkung des Versandhandels ist. Auch sei es gut, Apotheken stärker in die Vorsorgemedizin einzubinden. Sie warnte jedoch davor, dass die Versorgung durch Light-Filialen ohne qualifiziertes Personal und ohne Verpflichtung zu Nacht- und Notdiensten unrealistisch sei. Es könne zu Verschiebungen innerhalb bestehender Apotheken kommen, was die pharmazeutische Versorgung schwächen würde. Die Verlagerung von Aufgaben auf Berufsgruppen mit Fachkräftemangel, wie PTA, bezeichnet die Adexa als sinnlos.  
 
Sie forderte stattdessen eine angemessene Honorarerhöhung, eine Novellierung der Approbationsordnung, eine Erhöhung der Pharmaziestudienplätze und die Abschaffung des Schulgelds für PTA. Zusätzlich sollten Maßnahmen ergriffen werden, um die Lieferbarkeit von Arzneimitteln zu verbessern und die Flexibilität der Öffnungszeiten zu erhöhen, während bürokratische Hürden abgebaut werden sollten.

Contra Lauterbach: ABDA verabschiedet Resolution und veröffentlicht Faktenblatt

Apropos Lauterbach: Die Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (ABDA) hat ein aktuelles Informationsblatt zu den Apothekenplänen des Bundesgesundheitsministeriums veröffentlicht. In diesem Dokument wird das Vorhaben von Karl Lauterbach kritisch analysiert, zusätzlich zur bereits verabschiedeten Resolution.  


 

Bisweilen lohnt es sich, den Kassenbon nochmal zu kontrollieren, sonst übersieht man die wichtigen Dinge. Hier macht eine Apotheke ihrem Ärger Luft - via Rechnungsbeleg. Warum sieht man sowas so selten...?


ABDA-Präsidentin Gabriele Regina Overwiening hatte in ihrer Eröffnungsrede beim Deutschen Apothekertag bereits darauf hingewiesen, dass die Pläne als Gefahr für die Patient*innen betrachtet werden. Insbesondere in Landkreisen mit vielen Filialen könnten die vorgeschlagenen Maßnahmen, wie die Streichung von Rezepturen und Nacht- sowie Notdiensten, zu Versorgungslücken führen. Der Minister befinde sich auf einem „gefährlichen Irrweg“. 
 
Auch die in den Raum geworfenen erweiterten Vertretungsmöglichkeiten für erfahrene PTA in Filial- und Zweigapotheken bei Nutzung technischer Einrichtungen zur Videokonsultation werden sehr kritisch gesehen. Pharmazeutisch-technische Assistentinnen und Assistenten spielten eine wesentliche Rolle in Apotheken, seien jedoch aufgrund ihrer Ausbildung nicht für die Leitung einer Apotheke qualifiziert, heißt es in dem Faktenblatt

Aktionstag „E-Rezept“ kommt

Das E-Rezept kommt in Deutschland immer besser an. Die Gematik, die die Einführung des elektronischen Rezepts begleitet und eine App dafür entwickelt hat, hat im Rahmen einer Diskussionsrunde auf der derzeit stattfindenden Expopharm bekanntgegeben, dass bisher etwa vier Millionen E-Rezepte eingelöst wurden. Laut Hannes Neumann, Produktmanager E-Rezept bei der Gematik, sei dies ein positiver Start, die Zahlen zeigten einen nach oben gehenden Trend.  
 
Patient*innen haben bisher drei Möglichkeiten, ein E-Rezept einzulösen: durch das Einstecken der elektronischen Gesundheitskarte (EGK), einen ausgedruckten Token aus der Arztpraxis oder den vollständig digitalen Weg über die E-Rezept-App. Letztere Variante wird als die Zukunft angesehen, während das herkömmliche Papierrezept als Ersatzverfahren beibehalten werden soll. 
 
Ein Aktionstag E-Rezept“ am 10. Oktober soll das Bewusstsein für die bevorstehende Pflichteinführung zum 1. Januar 2024 weiter schärfen. Apotheken werden ermutigt, sich in den verbleibenden drei Monaten gut vorzubereiten und Fragen direkt an Dienstleister und Softwarehersteller zu richten, damit bestehende Probleme angegangen werden können. So groß ihre Ängste sind, bei den Ärzten sind sie mindestens genauso groß oder größer. Die Apotheker sind vorneweggegangen, das dürfen Sie sich auf die Fahnen schreiben, sagte Martin Weigel vom Deutschen Apothekerverband.  
 
Thema in der Runde war zudem die Einführung der Gesundheits-ID, die als zeitgemäßere Alternative zur physischen Gesundheitskarte bezeichnet wurde. Auch sie soll zum 1. Januar 2024 kommen, eine Nutzung erfolgt aber zunächst auf freiwilliger Basis.

Bundesrat kritisiert geplantes Cannabis-Gesetz

Der Bundesrat hat am Freitag der Woche Bedenken zur geplanten kontrollierten Freigabe von Cannabis geäußert und fordert Klarstellungen. Kritikpunkte sind Zweifel an der Effektivität von vorgeschlagenen „Schutzzonen für den Jugendschutz, besonders in privaten Räumen. Außerdem wird eine rasche Festlegung von Grenzwerten für Cannabis im Straßenverkehr gefordert.  

Der Gesetzentwurf des Bundeskabinetts sieht vor, Cannabis aus dem Betäubungsmittelgesetz zu streichen. Volljährigen ab 18 Jahren soll der Besitz von bis zu 25 Gramm erlaubt sein, und in privaten Haushalten darf die Anzucht von bis zu drei Pflanzen erfolgen. In Cannabis-Clubs könnten Vereinsmitglieder die Droge gemeinschaftlich anbauen und teilen, jedoch maximal 50 Gramm pro Mitglied pro Monat. Für 18- bis 21-Jährige wären bis zu 30 Gramm im Monat erlaubt, jedoch mit einem maximalen THC-Gehalt von zehn Prozent. Das Inkrafttreten ist für Anfang 2024 geplant. 

Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) äußerte Gesamtkritik an den Gesetzesplänen, befürchtet einen steigenden Konsum und unzureichenden Jugendschutz. Er sieht wegen der kleinteiligen Vorschriften Probleme bei der Umsetzung und Kontrolle durch Polizei und Justiz. Die Stellungnahme des Bundesrats wird nun an die Bundesregierung weitergeleitet, die eine Antwort erarbeitet und dem Bundestag vorlegt. Das Gesetz wird erneut im Bundesrat behandelt, wenn das Parlament es verabschiedet.