Femtech in der Apotheke: Periodenprodukte - mehr als nur Hygieneartikel

Die Periode und alles was dazu gehört – in der Gesellschaft sind Frauenhygiene und -gesundheit immer noch nicht gänzlich enttabuisiert. Eine relativ neue Branche will das Werk vollenden. Davon könnten auch Apotheken profitieren.

Vor dem Schulklo: Ein verdächtiger Blick, ein Händedruck, der unauffällige Gang in die Kabine. Wer jetzt an bunte Pillen denkt, hat weit gefehlt. Es handelt sich um den schlichten Austausch von Hygieneprodukten. Denn noch immer löst das Thema „Periode“ bei vielen Mädchen und Frauen Unbehagen aus. Das lässt die Frage nach einem Tampon schon mal zu einer geheimen Tauschaktion werden.

Doch es tut sich was. In der Öffentlichkeit ist ein Wandel beim Tabuthema Periode zu erkennen, angetrieben vor allem durch die sozialen Medien. Influencer werben für nachhaltige Periodenunterwäsche und zahlreiche Startups bringen innovative Ideen auf den Markt. Das berichtet auch Britta Wiebe, CEO und Co-Gründerin von Vulvani, dem digitalen Bildungsmarktplatz rund um weibliche Gesundheit: „Menstruation ist in den letzten Jahren regelrecht "trendy” geworden, man nimmt sich des Themas inzwischen auf vielen Ebenen an. Und das ist genau richtig so!“

Nachhaltigkeit im Fokus

Die Femtechbranche, wie sie genannt wird, boomt und beschäftigt sich mit diversen Themen von Hygieneprodukten und Periodenschmerzen bis hin zu Wechseljahresbeschwerden. Neben den Klassikern Tampon und Binde reihen sich inzwischen innovative Alternativen wie Cups, Discs oder Panties ein, die vor allem auf das Thema „Nachhaltigkeit“ abzielen. 

Die Anlaufstelle für „Perioden-Notfälle“ ist heute noch häufig die Apotheke vor Ort. Von Tampon bis Schmerztablette, Frauen können sich hier ausstatten. Die Aufbruchsstimmung der Femtechbranche sind in der Apotheke jedoch noch selten zu spüren. Periodenprodukte finden sich in der Ecke verstaut neben Zahnbürste und Nagelknipser. Fragt eine Kundin nach Tampons, passiert dies gern im Flüsterton. Brauchen Apotheken also ein Upgrade und sollten Teil des Wandels werden? 

Femtech bietet Inspirationen für die Apotheke der Zukunft. CEO Britta Wiebe stellt sich diese Apotheke als einen „ruhigen Ort für emphatische Beratungen und Aufklärungen über Gesundheit und Körper“ vor. Sie betont: „Ich fände es super, wenn Apotheken eine wichtige Rolle in der Thematik einnehmen würden.“ Und ergänzend: „Für viele ist der Weg zur Apotheke z.B. einfacher als der Weg zur Gynäkolog:in, weil er niedrigschwelliger und spontaner stattfinden kann. Gerade was die Wahl der richtigen Periodenprodukte betrifft, wäre eine weitgehend kostenlose Beratung super, und dafür könnte die Apotheke eine perfekte Anlaufstelle sein.“

Immer mitgedacht: der gesellschaftliche Wandel

Das Thema Menstruationsprodukte umfasst mehr als „nur“ Hygieneartikel. Kristine Zeller, Geschäftsführerin und Mitbegründerin von Ooia, einer führenden Marke für Periodenunterwäsche, gewährt einen Einblick in ihr Geschäftsmodell. Als „Female Empowerment Company“ wolle Ooia nicht nur nachhaltige Alternativen für klassische Periodenprodukte anbieten, sondern zusätzlich auch für gesellschaftlichen Wandel stehen. Mittels Ooia-Instagram Channels sowie diversen Veranstaltungen möchte das Unternehmen Diskussionen anregen und sich für Gleichberechtigung einsetzen.

Allerdings ist die Wäsche nur Online erhältlich, was jedoch ideal sei für einen „anonymen Space“, so Zeller. „Die Menschen haben ganz viele Fragen, die wir hier leicht beantworten können“. Ein Ort, um die Wäsche mal anzufassen oder anzuprobieren, wäre für sie trotzdem denkbar. In der Apotheke, wie sie sich zurzeit darstellt, sei das jedoch schwierig, da das Sortiment groß und die Vermarktung online leichter sei. Die Periodenthematik stärker in der Apotheke zu verankern, hält sie, bezogen auf eine Offizin der Zukunft, allerdings für realistisch. Ein zukünftiges Gesundheitssystem werde einen Fokus auf Prävention legen, in Apotheken könnten Info-Veranstaltungen stattfinden oder Hilfe zu Problemen eingeholt werden, etwa wenn es um ein Thema wie starke Blutungen geht.

Der Bruch mit dem Tabu rund um die Periode hat einige Fortschritte gemacht, aber es gibt noch viel zu tun. „Wir dürfen nicht erwarten, dass ein jahrhundertealtes Tabu von heute auf morgen verschwindet“, betont Kristine Zeller. Und sie weiß: „Die Berlin-Mitte-Bubble steht nicht für die ganze Welt.“. 

Chancen für die Apotheke

Dabei ist in der Apotheke Frauengesundheit gar kein Neuland. Gern kommen Kundinnen für eine ganzheitliche und qualifizierte Beratung. Als neutrale Institution vor Ort ist sie bereits Anlaufstelle für Periodenprodukte und Frauengesundheit und genießt großes Vertrauen. Gemessen an neusten Erkenntnissen und Produkten sind aber noch lange nicht alle Möglichkeiten ausgeschöpft. Warum also nicht die Potentiale heben und gleichzeitig für mehr „Female Empowerment“ sorgen? Wenn Apotheken verstärkt zur Periodenthematik, Krankheitsprävention und Aufklärung beraten, könnten Frauen durch ein flächendeckendes Angebot profitieren. Die Femtechbranche würde mehr Sichtbarkeit außerhalb des Internets erlangen, die Thematik immer weiter enttabuisiert werden. Und nicht zuletzt können Apotheken mehr Umsatz machen.

Periodenprodukte in der Apotheke anfassen und mehr dazu erfahren? Klingt doch ziemlich sinnvoll! Femtech ist mehr als nur ein Trend, den auch die Apotheke vor Ort mit ihrem Versorgungsauftrag nutzen kann.

AMIRA fragt: Wie sieht es in eurer Apotheke? Legt ihr besonderen Wert Beratung und Verkauf zu und von Femtech-Produkten?