"Du arbeitest ja nur in Teilzeit"

Die Spannbreite der möglichen Arbeitszeiten in der Apotheke ist groß, es gibt viele Teilzeitkräfte, die den Laden am Laufen halten. Muss man immer 40 Stunden arbeiten, um ganz dazuzugehören?

Auch unter Kolleginnen tauschen wir uns oft zur Arbeitszeit und Aufgaben im Haushalt bzw. Verpflichtungen aus. Wenn ich jemanden neu kennenlerne, werde ich oft gefragt, wie viele Stunden ich arbeite. Mein Gegenüber frage ich aber auch, wie viele Stunden sie wo arbeitet. Ist ja nicht schlimm, meiner Meinung nach. Es wird auch keine(r) anhand dessen verurteilt. Wenn ich einer Kollegin oder einem Kollegen sage, ich arbeite 20 Stunden, dann wird das normalerweise positiv angenommen. Auch bei „nur“ 4 Stunden wöchentlicher Arbeitszeit war die Resonanz bisher immer sehr gut. Nach dem Motto: „Wir brauchen in der Apotheke jede Hand. Gut, dass du uns unterstützt“. 

Wenn ich mich aber mit Männern außerhalb der „Apothekenwelt“ unterhalte (das sind jetzt meine Erfahrungen; keine Verallgemeinerung), dann höre ich oft: „Du arbeitest ja nur in Teilzeit“. Was soll dieser Satz eigentlich aussagen? Bin ich jetzt weniger wert, weil ich weniger arbeite als er? Wenn ich nicht 100 Prozent meiner Arbeitskraft dem Chef zur Verfügung stelle, kriege ich dementsprechend aber auch weniger Geld. Überraschung. Dass die Frauen den größten Teil der Care-Arbeit übernehmen (und den Männern den Rücken freihalten), wird dann auch mal gerne vergessen.

Man kann es nicht allen recht machen

Nicht nur Männer – manchmal machen auch Frauen den Frauen das Leben schwer. Wenn man sich hauptsächlich um die Familie kümmert und in Teilzeit arbeitet, darf man sich Sätze wie „Machst du dir auch Gedanken um deine Rente?“ anhören. Andersherum heißt es nicht selten bei Vollzeit-Tätigen „Wie, du lässt das Kind den ganzen Tag fremdbetreuen?! Das geht ja gar nicht. Also ich war drei Jahre beim Kind. Es klappt, man muss sich nur etwas einschränken …“ Zwischen den Zeilen ist dann „Du Rabenmutter“ gemeint. Oder die andere Variante, wenn man „nur“ zu Hause ist: „Ich habe drei Kinder und gehe Vollzeit arbeiten“. Ja, toll für dich.

Das Ganze ist doch unter anderem davon abhängig, wie viel der Partner verdient oder ob man überhaupt finanziell von ihm abhängig sein will. Warum ist letzteres unerwünscht? Darf man als Frau nicht mehr der Arbeit nachgehen, weil man ganz traditionell das Nest pflegen soll? Aufgrund der steigenden Preise fühlen sich viele Mütter auch dazu gezwungen, früher als geplant zur Arbeit zurückzukehren. Auch hat jede Familie nicht die gleichen Kosten.

Mehr Mit- statt Gegeneinander

Teilzeit betrifft vor allem Frauen und ja, in der Folge trifft sie auch häufiger die Altersarmut. Die Strukturen sind aktuell nicht dazu ausgelegt, jahrelang der Arbeit fernzubleiben und nicht in die Altersarmut zu rutschen, es sei denn, der Partner zahlt in die Rentenversicherung der Frau ein. Das ist aber auch die Seltenheit. Es lohnt sich daher, sich mit dem Thema zu beschäftigen und sich Gedanken über die Lebensbedingungen in der Gegenwart und Zukunft machen. 

Allgemein betrachtet wünsche mir bei dem Thema mehr ehrliches Miteinander in der Gesellschaft – keiner fragt, wie es einem dabei geht, ob die Situation einem gefällt, egal bei welcher Familien- und Job-Konstellation. Jemanden zu verurteilen ist dann doch einfacher. Wer gerne zu Hause bleiben will und kann, soll das genießen. Wer arbeitet, soll auch das genießen, sofern es möglich ist. Und jede:r soll bitte erst vor der eigenen Haustür kehren, bevor die Nase in die Angelegenheit anderer gesteckt wird.