Die richtige Ernährung bei Typ-2-Diabetes
Wer unter Typ-2-Diabetes leidet, hat verschiedene Möglichkeiten, den Effekten der Erkrankung vorzubeugen und ihr Fortschreiten zu verlangsamen. Ein besonders wichtiger Faktor dabei: die richtige Ernährung.
Wenn wir die Situation von Patienten mit einem erhöhten Blutzuckerspiegel betrachten, dann gibt es bezüglich des Zusammenhangs von Ernährung und Diabetes eine gute und eine schlechte Nachricht. Die schlechte zuerst: Eine Diät – eine wirkliche Diät ¬– muss eingehalten werden, und zwar eine, die zur Gewichtsreduktion führt. Es ist fast egal, für welche Kostform man sich entscheidet – die Hauptsache ist, es werden mehr Kalorien verbrannt als zugeführt.
Und die gute Nachricht? Eine erfolgreiche Gewichtsabnahme kann die Einnahme von Arzneimitteln überflüssig machen: Eine Gewichtsreduktion um 5 Prozent bewirkt eine um 25 Prozent gesteigerte Insulinwirkung (britische DIRECT Studie 2017). Voraussetzung ist allerdings, dass die Diabetes-Erkrankung manifest nicht mehr als sechs Jahre besteht. Bis sie allerdings als solche tatsächlich in Erscheinung tritt, vergehen Jahre, wenn nicht Jahrzehnte. Die Insulinresistenz, also das Unvermögen, den Blutzucker in Zellen aufzunehmen, entsteht nur langsam. Aber auch, wenn Diabetes diagnostiziert wurde und auch, wenn die Erkrankung schon länger besteht, so lohnt es sich zu jedem Zeitpunkt, den Fokus auf eine angemessene Ernährung zu legen, wenn es so gelingen kann, weniger Medikamente zu nehmen oder nicht insulinpflichtig zu werden.
Die Insulinresistenz als Marker für eine sich entwickelnde Typ-2-Diabetes- Erkrankung
Durch ein ständiges, über Jahre bestehendes Überangebot an Kohlenhydraten und Zucker wird die Insulinwirkung im Körper langsam abgeschwächt. Zunächst erfolgt eine Kompensation durch eine erhöhte Insulinausschüttung, die paradoxerweise postprandiale Hypoglykämien bewirken kann. Zu diesem Zeitpunkt liegt noch kein manifester Diabetes vor. Ändert sich nichts an der Ernährung, versiegt langsam die Insulinproduktion und nach den Mahlzeiten treten Hyperglykämien auf.
Als Insulin-resistent gilt, wer
- einen bestimmten Wert aus Nüchtern-Insulin und Nüchtern-Glukose (HOMA Index 2,5) übersteigt
- einen BMI größer als 28,7 kg/m2 aufweist – oder
- einen Triglyzerid-Spiegel oberhalb von 2,44 mmol/l (215 mg/dl) besitzt (Zusammenhang mit Arteriosklerose!)
Das Ziel einer geeigneten Ernährung muss es dementsprechend sein, die Insulin-Resistenz zu verhindern, aufzuhalten oder sogar zu verringern.
Wie kann es gehen?
1. Mit Intervallfasten:
Das Weglassen von Mahlzeiten ist mittlerweile eine häufig genutzte Möglichkeit, um Kalorien einzusparen, weil sie relativ leicht in das Leben einzubauen ist und auch soziales, gemeinsames Essen ermöglicht. Für das Feintuning ist es vielleicht interessant, dass es durchaus Unterschiede gibt, ob man die Abendmahlzeit (also Mahlzeiten nur zwischen 8 und 16 Uhr) oder das Frühstück (Mahlzeiten nur zwischen 12 und 20 Uhr) ausfallen lässt. Die Gewichtsabnahme ist größer beim morgendlichen Fasten, wogegen der Effekt auf den postprandialen (nach der Mahlzeit auftretenden) Zuckerspiegel, beim abendlichen Fasten wesentlich ausgeprägter ist (Bedeutung fraglich). Das Einsparpotential der Kalorien ist ungefähr gleich.
+ einfach umzusetzen, langfristig anwendbar
- Fokus liegt nicht unbedingt auf geeigneten Lebensmitteln
2. Mit einer Low-Carb-Diät:
Diese Diätvorschrift gibt es in zwei Varianten: Kohlenhydrat-arm und Protein-reich oder Kohlenhydrat-arm und Fett-reich (ketogen), wobei beide Varianten ernährungsphysiologisch mäßig sinnvoll sind. Zwar gelingt eine schnelle Gewichtsreduktion durch den Verzicht auf Brot, Kartoffeln, Nudeln, Kuchen, Süßigkeiten und Obst- und Gemüsesorten mit einem verhältnismäßig hohen Anteil an Kohlenhydraten (Mais, Erbsen, Linsen, Bananen und Weintrauben). Aber stattdessen sollen entweder mehr Proteine verzehrt werden, wobei möglicherweise eine langfristige Belastung der Nieren zu berücksichtigen ist, oder alternativ mehr Fette, was dann aber eine Arteriosklerose befördern könnte. Die Deutsche Diabetes Gesellschaft (DDG) hat in ihren neuesten Empfehlungen (Dezember 2021) aber auch gegen diese Diäten nichts einzuwenden, wenn insgesamt Kalorien eingespart werden.
+ schneller Gewichtsverlust, einfach zu erstellende Einkaufsliste
- unausgewogene Ernährung, eventuell gesundheitsschädlich
3. Mit einer Formula-Diät:
Wer rasch abnehmen möchte, der kann zumindest übergangsweise auch auf eine Formula-Diät zurückgreifen. Hier werden ganze Mahlzeiten durch Fertigdrinks oder mit Flüssigkeit anzurührende Nahrungspulver ergänzt, die durch ihren niedrigen Brennwert zur schnellen Gewichtsreduktion geeignet sind. In einer weiteren britischen Studie (DROPLET 2018) konnte gezeigt werden, dass nahezu die Hälfte von übergewichtigen Diabetespatient*innen, die über drei bis fünf Monate eine Formula-Diät mit einem Kaloriengehalt von 850 kcal pro Tag einhielten, keine Medikamente mehr benötigten. Sollen über einen längeren Zeitraum (mehr als drei Wochen) alle Mahlzeiten durch Formula-Produkte ersetzt werden, müsste allerdings ein Arzt konsultiert werden.
+ rasche Gewichtsabnahme, zeitsparend (keine Einkäufe nötig)
- teuer, Bezug von Lebensmitteln und Gesundheit geht verloren, eventuell durch die geringe Kalorienzahl Müdigkeit erzeugend
4. Mit individueller Ernährungsumstellung
Neben den genannten und zahlreichen unerwähnt gebliebenen Diäten kann man sich aber auch seinen eigenen Plan erstellen: je mehr unverarbeitete und naturbelassene Lebensmittel darin vorkommen, desto besser ist es. Kohlenhydrate sollten bevorzugt in Form von Vollkornprodukten, stärkearmen Gemüsesorten (Kartoffeln, Erbsen, Mais und Bohnen sind stärkehaltig, also eher zu vermeiden), Hülsenfrüchten und Nüssen verzehrt werden. An Ballaststoffen sollen es insgesamt 40 g pro Tag sein: das entspricht etwa zwei Scheiben Vollkornbrot, drei Portionen Gemüse und zwei Portionen Obst. Sehr einzuschränken (nicht mehr als 50 g /Tag) ist der Konsum von freiem Zucker zugesetzt in selbst zubereiteten Speisen, in Süßigkeiten oder Fruchtsäften bzw. Limonaden.
+ ernährungsphysiologisch mit Abstand die beste Variante, die auch auf lange Sicht durchgehalten werden kann
- zumindest zu Beginn aufwendig
Nur ein Satz zu Glyx
In den 80er Jahren entdeckte man den glykämischen Index von Lebensmitteln und unterschied kohlenhydrathaltige nach ihrer Wirksamkeit auf den Blutzuckerspiegel (Limonade = schneller Blutzuckeranstieg = hoher Index = zu vermeiden), woraus dann ein ganzes Diätprinzip, die Glyx-Diät, sehr erfolgreich entwickelt wurde; zwar ist der Ansatz im Prinzip richtig, doch wird er heutzutage nicht unbedingt zur Anwendung empfohlen, da er letztlich zu einseitig angelegt ist.
Kalorienzählen praktikabel
Nachdem das Motto der Typ-2-Diabetes-Diät lautet: mehr Kalorien verbrauchen als verzehren, müsste man eigentlich zuerst den persönlichen Kalorienbedarf ermitteln, z.B. mit dem Rechner der TK: https://www.tk.de/service/app/2004134/kalorienrechner/kalorienrechner.app.
Dann hat man eine „Hausnummer“ und weiß, welche Kaloriensumme man erreichen darf. Das Zählen der Kalorien ist allerdings eine mühsame Angelegenheit – zumindest zu Beginn, wenn man anfängt sie zu notieren. Auf den Lebensmittelpackungen stehen von Gesetzes wegen die Energieangaben aufgedruckt – allerdings sollen ja möglichst wenig verarbeitete Lebensmittel verzehrt werden.
Als Kalorientabellen bietet sich ein Nachschlagewerk wie „Die große GU Nährwert-Kalorien-Tabelle“ an, die jedes Jahr aktualisiert wird und sehr umfangreich 1000 Lebensmittel auflistet. Oder man sucht die Information auf der Webseite https://www.kalorientabelle.net/.
Weight Watchers bietet in dieser Hinsicht einen echten Service (und das ist auch die Basis des Erfolges), weil alle Lebensmittel, die empfohlen werden, mit einem Punktesystem belegt werden, so dass eine schnelle Orientierung möglich ist.
Schließlich bieten auch Apps Hilfestellung – viele sind allerdings eingebettet in ein Paket wie z.B. Noom, für das man sich zumindest anmelden und ggf. auch bezahlen muss (dann bekommt man aber auch Beratung und Unterstützung). Aber es finden sich auch Werbe-finanzierte Angebote wie die „Kalorientabelle Alexey Korobov“ oder „Tabelle Kalorien Rechner“, die eine Vielzahl von Lebensmitteln verzeichnen. Fitness-Apps wie „MyFitnessPal“ oder „Fddb“ eignen sich ebenfalls sehr gut zum Aufzeichnen der konsumierten Kalorien und Nährstoffe.
Bestenauslese: Diese Lebensmittel senken den Blutzuckerspiegel
Platz 6: Grapefruit: Die Zitrusfrüchte enthalten das Flavonoid Quercetin, welches einen protektiven Effekt für oxidativen Stress aufweist, was insofern von Bedeutung ist, als die Insulin produzierenden ß-Zellen des Pankreas sehr oxidationsempfindlich sind. Mit Inositol findet sich in Grapefruits eine zweite Substanz, die sich günstig auf den Zuckerstoffwechsel auswirken kann. Die bekannten Wechselwirkungen mit Arzneimitteln müssen allerdings beachtet werden.
Platz 5: Flohsamen: Die 8-wöchige Gabe von täglich 10,5 g Flohsamen (verteilt auf zwei Gaben vor dem Mittag- und dem Abendessen) verbessert die Blutzucker-Werte (Nüchternglukose und Insulingehalt) und trägt zu einer Reduktion des Körpergewichts bei.
Platz 4 Zimt: Als die ersten Studien vor etwa 20 Jahren einen Zusammenhang zwischen dem Verzehr von Zimt und einem erniedrigten Blutzuckerspiegel herstellten, war die Euphorie groß. Man sieht das heutzutage etwas nüchterner, wobei die tägliche Einnahme von 1 g Zimt für einen Zeitraum von mindestens 40 Tagen durchaus zielführend sein kann. Von einem positiven Effekt im Kampf gegen die Insulinresistenz ist auszugehen.
Platz 3: Rosinen: Die getrockneten Weintrauben mit ihrem hohen Ballaststoff- und Polyphenolgehalt haben trotz ihres hohen Zuckergehaltes einen positiven Effekt auf die Insulinausschüttung. Eine empfohlene Verzehrmenge liegt bei etwa 30 g pro Tag.
Platz 2: Heidelbeeren: Die blauen Beeren enthalten Anthocyane, welche die Kohlenhydratverdauung und -aufnahme beeinflussen; sie selbst beeinflussen den Blutzuckerspiegel eher nicht; empfohlen ist der Verzehr von 75-100 g drei Mal/Woche.
Platz 1: Hafer: Das Getreide bewirkt eine gute und langanhaltende Sättigung sowie eine verlangsamte Resorption von Kohlenhydraten.
Verantwortlich dafür ist das Polysaccharid Beta-Glucan (Verzehr pro Tag 3 g Beta-Glucan enthalten in 160 g Haferflocken, mindestens 1 g pro Mahlzeit), welches auch einen erheblichen Beitrag zur täglich erforderlichen Ballaststoffmenge leistet. Am empfehlenswertesten ist der Verzehr von Haferflocken nur mit Wasser oder Gemüsebrühe – eventuell auch als Haferkur für zwei oder drei Tage.