Tag der Zahngesundheit: Die richtige Ernährung bei Parodontitis

Gestern, am 25. September, feierten wir den Tag der Zahngesundheit. Zu einem gesunden Mund gehört neben sauberen Zähnen auch ein gepflegtes Zahnfleisch – und natürlich die passende Ernährung.

Ernährung und … – da fallen jedem eine ganze Reihe von chronischen Krankheiten ein – und Parodontitis ist vermutlich nicht dabei. Dass es bei dieser Erkrankung einen Zusammenhang mit einer geeigneten bzw. ungeeigneten Nahrungszufuhr gibt, ist auch erst seit 20 Jahren bekannt. Allerdings wurde eine Ernährungsberatung noch nicht als Empfehlung in die S3 Leitlinie „Behandlung von Parodontitis Stadium I bis III“ aufgenommen, was ein bisschen unverständlich ist, wenn man sich die Studienergebnisse der letzten Jahre ansieht*.

* Wer tiefer einsteigen will, der lese Veröffentlichungen aus der Freiburger Klinik für Zahnerhaltungskunde und Parodontologie, die sich seit einigen Jahren sehr umfassend mit der Problematik befassen.

Die Prävalenz: Wenn es etwa 10 Millionen Bundesbürger mit einer behandlungsbedürftigen Parodontitis gibt, dann ist das jeder 10. Kunde, der die Apotheke betritt, was durchschnittlich 20 Kunden am Tag entspricht. Das sind dann häufig Kunden, die immer wieder Zahnbürsten, Zahnseide, Zwischenraumbürsten oder Zahnpasta erstehen, das sind dann Kunden, denen wir auf Anraten des Zahnarztes Chlorhexidin-Lösung verkaufen, aber es sind eben auch Kunden, die vermutlich über den Zusammenhang von Ernährung und Zahngesundheit noch nie tiefgreifender nachgedacht haben – abgesehen von der Korrelation Karies-Zuckerkonsum.

Die Besonderheiten: Wir haben es bei einer Parodontitis mit einem sehr komplexen progredienten Krankheitsgeschehen zu tun in einem Spektrum zwischen bakterieller Infektion und Entzündung. Zu Beginn steht eine Infektion mit vorwiegend gramnegativen, anaeroben Bakterien, welche dann eine Immunantwort auslöst. Diese besteht aus einer komplexen Abfolge von biochemischen Vorgängen, an denen eine Vielzahl von Mediatoren und Zellen beteiligt sind. Der körpereigene Versuch, den alten Zustand wiederherzustellen, führt allerdings dazu, dass (unbehandelt) über eine Gingivitis und dann eben eine Parodontitis der Zahnhalteapparat zerstört wird.

Die Bakterien – und die Bedeutung einer adäquaten Ernährung:

Während in einem gesunden Mundraum weit überwiegend aerobe grampositive Bakterien wie Streptococcus Arten zu finden sind, verschiebt sich im Laufe eines Parodontitis-Geschehens das Keimspektrum hin zu anaeroben gramnegativen Porphyromonas, Tannerella, oder Aggregatibacter Spezies*. Die Forschung steht tatsächlich noch am Anfang, dieses komplexe Geschehen zu verstehen, aber es gibt starke Hinweise, dass ein verändertes orales Mikrobiom auch unerwünschte Auswirkungen auf die Darmflora haben kann.

Es ist Fakt, dass Personen, die sich vorwiegend vegetarisch und ballaststoffreich ernähren, das ursprüngliche Mikrobiom unterstützen*. Als hilfreich haben sich zudem Vitamin C- und D-haltige Nahrungsmittel erwiesen, welche die Immunantwort intensivieren. Und selbstverständlich hilft ein eingeschränkter Konsum von Zucker, weil dieser säureliebende und -bildende Bakterien fördert.

*Seit einiger Zeit gibt es spezielle probiotische Präparate, welche die „guten“ Mikroorganismen fördern und die „unerwünschten“ zurückdrängen sollen und ggf. auch bei einer Parodontitis unterstützend eingesetzt werden können, wie beispielsweise Floral (probiotische Milchsäurebakterien und Lactoferrin CLN®), Omnibiotic iMMUND (Streptococcus salivarius und Vitamin D), Probadent nupure (Lactobacillus salivarius und Vitamin D) oder Gum PerioBalance (Lactobacillus Reuteri).

Die Entzündung – und die Bedeutung einer adäquaten Ernährung:

Die im Verlauf des Parodontitis-Geschehens auftretenden Entzündungsreaktionen sind doppelt kontraproduktiv, weil sie einerseits Gewebe zerstören und andererseits pathogene Keime auch noch eine entzündliche Umgebung als Voraussetzung zur Besiedelung benötigen. Das Eindämmen eines inflammatorischen Prozesses ist dementsprechend unbedingt notwendig.

Es kann durch eine geeignete Ernährung gelingen: Wenn die Gesamtenergiemenge reduziert wird, die Kohlenhydrat-Aufnahme unter 130g/Tag bleibt, gesättigte- und trans-Fettsäuren reduziert werden und stattdessen der Fokus auf mehrfach ungesättigte Omega-3-Fettsäuren, Ballaststoffe, diverse Mikronährstoffe und Flavonoid haltige sekundäre Pflanzenstoffe gelegt wird.

No image

In punkto „Mund- und Zahngesundheit“ fühlen wir uns vielleicht nicht ganz so sicher … deswegen ein paar Begriffe kurz erklärt:

Biofilm Synonym von Plaque. Dieser Begriff implementiert eher die mikrobiellen Gegebenheiten. Innerhalb des Biofilms können sich die Bakterien ungeschützt vermehren, so dass dieser schlussendlich aus bis zu 60-80 % dicht gepackten Bakterienzellen besteht. Der Biofilm kann sowohl oberhalb des Zahnfleischsaumes (aerobe Mikroorganismen) als auch unterhalb (anaerobe Mikroorganismen, die stärker parodonto- und kariespathogen sind) vorkommen.

Gingivitis Entzündung der Mundschleimhaut. Vorstufe der Parodontitis

Orales Mikrobiom Das Mikrobiom im Mundraum ist nach dem Darm das zweitgrößte und -komplexeste Besiedlungsareal für Mikroorganismen im menschlichen Körper. Wir haben es nicht nur mit Bakterien zu tun, sondern auch mit Pilzen, Viren, Archebakterien und Protozoen – der Mundraum bietet mit der Temperatur und der Feuchtigkeit einen idealen Lebensraum. Die Bakterien stellen die größte Gruppe dar: insgesamt finden sich 700 Arten, von denen noch nicht einmal alle benannt sind. Die Komplexität ergibt sich auch daraus, dass mit dem Speichel, der Zunge, der Mundschleimhaut und dem Zahnbelag ganz verschiedene Habitate vorliegen, die eine Art Ökosystem bilden. Dieses ändert sich zwar ohnehin laufend, z.B. durch hormonelle Veränderungen infolge von Pubertät oder Schwangerschaft oder Alterungsprozessen, allerdings regeneriert es sich bei Gesunden kontinuierlich.

Parodontose Oft fälschlicherweise als Synonym für Parodontitis verwendet. Parodontose beschreibt jedoch einen nichtentzündlichen Zahnfleischrückgang.

Parodontitis Im Englischen Periodentitis (deswegen fangen viele Produkte mit Perio- an). Von der Entzündung betroffen ist der gesamte Zahnhalteapparat (Parodontium): das Zahnfleisch, der Zahnzement, das Zahnfach und die Wurzelhaut. Bleibt die Erkrankung unbehandelt, wird zunehmend Gewebe abgebaut, die Entzündung weitet sich auf den Kieferknochen aus und schließlich werden die Zähne locker und fallen aus.

Plaque Zunächst als Zahnbelag vorhanden, lagert sich auf diesen eine weiße, unstrukturierte Masse (Materia alba aus Proteinen, Polysacchariden, Mikroorganismen und Zellmaterial), die noch leicht durch Zähneputzen entfernt werden kann. Zur Plaque wird dieser Belag erst im weiteren Verlauf, wenn sich Bakterien, deren Stoffwechselprodukte, Speichelbestandteile sowie Nahrungsresten anlagern. Finden sich dann noch zwischen den Zähnen eingeklemmte Essensreste oder klebrige Reste auf den Zahnflächen, dann weitet sich die Problematik aus: es entsteht Zahnstein.

Zahnstein Verhärtete Plaque, nicht durch Bürsten entfernbar

Es lässt sich festhalten: Zahn- und Zahnfleischgesundheit ist ein breites Spektrum und bedarf noch Aufklärung unsererseits in der Apotheke den Kunden und Kundinnen gegenüber. Die richtige Ernährung kann die Gesundheit des gesamten Mundes maßgeblich beeinflussen und muss daher besonders gut beobachtet werden.

Extrahiert:

- Parodontose ist nicht gleich Parodontitis

- Parodontitis ist ein sehr komplexes progredientes Krankheitsgeschehen in einem Spektrum zwischen bakterieller Infektion und Entzündung und muss immer behandelt werden

- Kunden und Kundinnen, die regelmäßig über Zahnfleischbeschwerden klagen