Lieferstopp für Digimerck Tabletten und Injektionslösungen

Digitoxin-haltige Arzneimittel der Firma Merck sind seit Anfang September 2022 in allen Wirkstärken und Packungsgrößen von einem Lieferengpass betroffen. Der Hersteller kündigt nun an, den Vertrieb einzustellen.

Aufgrund von Problemen bei der Produktion sind die Digimerck-Präparate seit mehreren Monaten von einem Lieferengpass betroffen. Da eine Wiederherstellung der Lieferfähigkeit des Medikaments aktuell laut Hersteller nicht absehbar ist, wird die bereits zuvor geplante Einstellung der Digitoxin-Produktpalette nun vorgezogen. „Damit wird der Vertrieb der folgenden Produkte zum 01.01.2023 aus wirtschaftlichen Gründen eingestellt“, schreibt Merck in einem offiziellen Schreiben.

Welche Präparate sind betroffen?

Ab Anfang des kommenden Jahres werden folgende Tabletten und Injektionslösungen nicht mehr vertrieben:

• Digimerck 0,1 mg Tabletten / 30 TAB / PZN: 04903839

• Digimerck 0,1 mg Tabletten (Klinik) / 30 TAB / PZN: 14191297

• Digimerck 0,1 mg Tabletten / 50 TAB / PZN: 00282837

• Digimerck 0,1 mg Tabletten / 100 TAB / PZN: 00282843

• Digimerck minor 0,07 mg / 30 TAB / PZN: 04903822

• Digimerck minor 0,07 mg / 30 TAB / PZN: 14191280

• Digimerck minor 0,07 mg / 100 TAB / PZN: 02204770

• Digimerck pico 0,05 mg / 30 TAB / PZN: 04903816

• Digimerck pico 0,05 mg / 50 TAB / PZN: 03629744

• Digimerck pico 0,05 mg / 100 TAB / PZN: 03629750

• Digimerck 0,1 mg/ml Injektionslösung (1 ml) / N1 / PZN: 04369015

• Digimerck 0,1 mg/ml Injektionslösung (2,5 ml) / N2 / PZN: 04369021

Wirkmechanismus

Die Präparate der Marke Digimerck enthalten das Hauptglycosid aus dem Roten Fingerhut (Digitalis purpurea; Plantaginaceae) – das Digitoxin. Dieses herzwirksame Glycosid hemmt die Na⁺/K⁺-ATPase und sorgt durch eine veränderte Ionenverteilung an der Herzzellmembran für eine Zunahme an verfügbarem Calcium zum Zeitpunkt der elektromechanischen Kopplung. Es steigert die Kontraktionskraft der Herzmuskulatur, verlangsamt die Schlagfrequenz, verzögert die Erregungsleitung und bewirkt eine gesteigerte Erregbarkeit, besonders im Bereich der Kammermuskulatur.

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Digitalis-Glykoside werden aus Digitalis purpurea – dem Roten Fingerhut – gewonnen. (Foto: iStock/teddiviscious)

Besonderheiten & Anwendungsgebiete

Digitoxin-Glykoside haben eine geringe therapeutische Breite und eine lange Halbwertzeit. Eine Therapie muss daher sorgfältig überwacht und der Patient bzw. die Patientin auf eine individuelle therapeutische Dosis eingestellt werden, da es sonst zu Intoxikationen kommen kann.

Eingesetzt werden diese Glykoside als Reservemedikamente bei chronischer Herzinsuffizienz. Studien zeigen, dass Digoxin oder Digitoxin nicht lebensverlängernd wirken, aber die Symptomatik und Lebensqualität verbessern sowie die Belastungstoleranz erhöhen und die Hospitalisierungsrate senken können. Was du außerhalb des Rx-Bereichs zur Stärkung des Herzens empfehlen kannst, liest du hier.

Indiziert sind die Digimerck-Präparate zur Behandlung manifester chronischer Herzmuskelschwäche (aufgrund systolischer Dysfunktion), der schnellen Form einer Herzrhythmusstörung bei Vorhofflimmern/Vorhofflattern (Tachyarrhythmia absoluta) und anfallsartigem (paroxysmalem) Vorhofflimmern/Vorhofflattern.

Welche Alternativen gibt es?

Die Liste der Alternativpräparate ist überschaubar: Ein Präparat mit 0,07 mg Digitoxin pro Tablette gibt es unter dem Handelsnamen Digitoxin AWD 0,07mg Tabletten von der Firma Teva. (PZN: 04008079 (50 Stück) / PZN: 04346267 (100 Stück)). Zur intravenösen Gabe kann die Injektionslösung Digitoxin-Philo, 0,25 mg/ml Injektionslösung (PZN: 04008062) eingesetzt werden. Der Anbieter ist Mibe Arzneimittel. Weiterhin gibt es noch andere Präparate aus der Gruppe der Digitalisglykoside mit den Wirkstoffen beta-Acetyldigoxin (Novodigal von Mibe Arzneimittel), Digoxin (Lanicor von Teofarma) und Metildigoxin (Lanitop von Esteve Pharmaceuticals) auf dem Markt.

Was bedeutet der Markt-Rückzug für Patient:innen?

Betroffene Patient:innen mit einem Rezept über ein Digimerck-Präparat sollten sich erneut in der Arztpraxis vorstellen, da die Therapie umgestellt werden muss. Laut der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie kann als Alternative Digoxin verwendet werden, wenn eine Indikation zur Therapie mit Digitalis besteht. Allerdings ist zu beachten, dass Digoxin deutlich mehr über die Niere eliminiert wird als Digitoxin, sodass eher mit einer Überdosierung gerechnet werden muss, insbesondere bei Verschlechterung der Nierenfunktion. „Es sollten häufigere Spiegelkontrollen erfolgen und bei Niereninsuffizienz niedrigere Dosierungen eingesetzt werden“, so die Expert:innen.