„KI ist Partner der Apotheken, nicht Bedrohung“

Wie und wozu können ChatGPT und Co. in der Apotheke sinnvoll eingesetzt werden? Wir sprachen darüber mit Martin Schaible, Marketing-Experte und KI-Coach.

Künstliche Intelligenz (englisch: AI, artificial intelligence) hat mit Anwendungen wie „ChatGPT“ oder „Bing Copilot“ rasend schnell Eingang in die tägliche Arbeit vieler Berufsgruppen gefunden. Auch in die Apotheken? Als Marketing-Experte und Coach sieht Martin Schaible, Chef der Agentur Upgrade-Media und seit zwei Jahren ebenso intensiver wie begeisterter Nutzer von KI-Modellen, eine Menge Potenzial für die Anwendung dieser Technologie in der Offizin. Er klärt uns auf über Optionen, Chancen und Risiken.

Lieber Herr Schaible, geben Sie uns doch mal einen kurzen Überblick, wo und wie KI bereits in Apotheken eingesetzt wird.

KI ist in Apotheken schon heute hilfreich. Sie sorgt dafür, dass immer genug Medikamente da sind, indem sie das Lager clever verwaltet. Auch kann sie vorhersagen, wann welche Medikamente besonders gefragt sein werden, dank der Analyse von Trends und Kaufverhalten. Zusätzlich machen Chatbots den Kundenservice besser und schneller, da sie häufige Fragen beantworten. Das entlastet die Mitarbeiter, die sich so auf wichtige Kundenberatungen konzentrieren können.

Sie sind Marketingspezialist. Wie sind Sie auf das Thema KI gekommen und warum glauben Sie, dass KI auch in der Apotheke Marketingaufgaben übernehmen wird?

Meine Begeisterung für KI im Marketing kommt von der Erkenntnis, dass eine persönliche Ansprache und smarte Datenanalyse heute das A und O sind. KI ermöglicht eine Personalisierung und Effizienz, die uns vorher nicht möglich war. Das ist gerade in Apotheken Gold wert, wo es auf persönlichen Service ankommt. Für mich ist die KI mittlerweile im Arbeitsalltag angekommen. Bei der Textgestaltung, bei Daten-Analysen, aber auch bei der schnellen Recherche zu wissenschaftlichen Untersuchungen. Hier gibt es mittlerweile neue Spezial GPTs (Anm. der Redaktion: GPT = Generative pre-trained transformers, eine Bezeichnung für die Arbeitsweise von KI-Modellen), die auch wissenschaftliche Datenbanken für bestimmte medizinische Wirkstoffe untersuchen können.


Martin Schaible, Chef der Agentur Upgrade-Media und KI-Coach

KI stärkt die Kundenbindung

Die Apotheken vor Ort stehen in einem harten Konkurrenzkampf mit den Versandapotheken. Können KI-Anwendungen wie ChatGPT und andere in diesem Wettbewerb einen Vorteil verschaffen?

Mit KI wie ChatGPT können lokale Apotheken im digitalen Zeitalter mithalten. Sie ermöglicht eine Kommunikation, die genau auf den Kunden zugeschnitten ist. So können Apotheken persönliche Gesundheitstipps, Erinnerungen für das Erneuern von Rezepten und spezielle Angebote direkt an ihre Kunden senden. Das stärkt die Kundenbindung. Mittlerweile kann man mit der KI auch über Spracheingabe kommunizieren, das vereinfacht die Zusammenarbeit mit der KI sehr. Gerade wenn ich komplexe Sachverhalte einem Kunden erklären möchte, kann mir die künstliche Intelligenz mit Analogien oder Beispielen helfen. Mein Lieblings-Prompt (= Eingabesatz in das Eingabe-Feld der KI) lautet: „Erkläre es so, wie du es einem Elfjährigen erklären würdest.“

Welche Arbeitsschritte und Aufgaben in Sachen Marketing und Verkaufsförderung in der Apotheke von heute können Ihrer Ansicht nach an die KI ausgelagert oder übergeben werden? 

KI kann ganz automatisch Marketingaktionen kreieren, die genau auf die Zielgruppe abgestimmt sind, indem sie Kundendaten analysiert. Sie passt Werbung in Echtzeit an, basierend darauf, wie Kunden reagieren. Für die Kundenbindung kann KI Muster im Kaufverhalten erkennen und individuelle Empfehlungen aussprechen. Man muss sich das so vorstellen, als ob man sowohl einen guten Marketing Experten, als auch einen Textexperten für Werbung an seiner Seite hat. Das macht Kunden glücklicher und treuer.

Bedeutet der Einsatz von KI für diese Zwecke nicht einen ziemlich großen Aufwand?

Es braucht auf jeden Fall Planung und die Integration in bestehende Systeme. Wichtig ist auch, das Team gut zu schulen, damit alle mit der KI umgehen können. Mit der Zeit zahlt sich die Investition aus, denn die Abläufe werden effizienter und der Kundenservice besser.

Ist es ratsam, dass die Apotheken einen KI-Beauftragten benennen? Wo und von wem erhält diese Person das nötige Wissen?

Ein KI-Beauftragter kann sehr hilfreich sein, um Technik und Tagesgeschäft zu verbinden. Für diese Rolle gibt es spezielle Kurse und Workshops von Tech-Firmen und Bildungseinrichtungen. Das richtige Training ist hier der Schlüssel.

Individuelle Schulungen sind durch nichts zu ersetzen

Braucht es wirklich individuelle Coachings für Apothekenteams? Das Internet ist doch voll mit Ratschlägen, wie man ChatGPT und Co. optimal nutzt…

Im Netz und bei YouTube gibt es im Grunde Trainings und Wissen für alle Themenbereiche. Aber leider gibt es eben dort keine Kurse, die Menschen langsam an die Materie heranführen und dann Stück für Stück besser machen. Meine Erfahrung zeigt, dass individuelle Schulungen durch nichts zu ersetzen sind. Im Training kann man Rückfragen stellen, das Tempo wird an die Kompetenzen und das Wissen der Mitarbeiter angepasst. Zudem kann sich das Training exakt auf die Herausforderungen der Apotheke konzentrieren. So ein Coaching berücksichtigt also die besonderen Bedürfnisse und Ziele und hilft, das Potenzial voll auszuschöpfen.

Glauben Sie, dass KI die Personalprobleme der Apotheke lösen oder zumindest lindern kann?

Im Prinzip ja. KI kann einfache Aufgaben übernehmen und so das Team entlasten. Die Mitarbeiter können sich dann auf die wichtige Beratung konzentrieren, was sie und die Kunden zufriedener macht. Allerdings bin ich hier vorsichtig, denn zunächst müssen die Menschen erst einmal lernen, mit der künstlichen Intelligenz umzugehen, d.h. der Zeitvorteil stellt sich erst im Laufe der Zeit ein.

Könnte KI das Modell „öffentliche Apotheke“ vielleicht sogar grundsätzlich infrage stellen und am Ende sogar überflüssig machen?

Ich sehe KI eher als starken Partner für Apotheken, nicht als Bedrohung. Sie unterstützt das Team, macht den Service besser und hilft bei der Beratung. In den nächsten ein bis zwei Jahren werden wir zwar noch genau hinschauen müssen, da die KI nicht fehlerfrei ist. Doch sie bietet uns die Chance, nicht bei Null anfangen zu müssen und gibt uns wertvolle Einblicke in Daten und Analysen. Am Ende wird die KI den Menschen nicht ersetzen, aber der Mensch, der top mit der KI umgehen kann wird Menschen ersetzen, die diese Schlüsselkompetenz nicht aufweisen.

Lieber Herr Schaible, vielen Dank für das Gespräch und die spannenden Perspektiven!

AMIRA fragt: Wie ist es bei euch in der Apotheke? Setzt ihr ChatGPT oder den Bind-Copilot bereits ein, zum Beispiel, um Sonderaktionen zu betexten? Wie sind eure Erfahrungen? Und wenn ihr der KI noch nicht vertraut, was sind die Gründe für eure Skepsis?