Vitamin D - ein ganz besonderer Stoff

Über kein anderes Vitamin gab es so viele Diskussionen wie über Vitamin D. Mythen und Gerüchte über dieses besondere Vitamin verbreiten sich mit extrem hoher Geschwindigkeit, wodurch auch die Nachfrage in Apotheken steigt.

Das fettlösliche Vitamin D hat in den letzten Jahren sehr viel Aufmerksamkeit erhalten. In Apotheken sind unterschiedliche Präparate erhältlich, sowohl OTC (rezeptfrei) als auch auf Rezept, in Form von Tabletten, Kapseln und Tropfen in unterschiedlicher Dosierung. Auch im Internet gibt es zahlreiche Nahrungsergänzungsmittel im Angebot. Ist der Hype gerechtfertigt? Wir haben die Informationen zusammengefasst, wann Vitamin D zugeführt werden muss, wer es wirklich benötigt und welche Gefahren bei falscher Einnahme oder Überdosierung lauern. 

Die Kraft der Sonne

Zur Erinnerung, was sind Vitamine? Vitamine sind lebensnotwendige organische Verbindungen, die in niedriger Dosis physiologisch wirksam sind und im menschlichen Organismus entweder nicht oder nur unzureichend gebildet werden können. Vitamin D weicht als Secosteroid in seiner Art von dieser Definition ab, da es sich dabei um ein Hormon handelt. Dieses wird im Vergleich zu den anderen Vitaminen im Körper mithilfe einer mehrschrittigen Synthese gebildet. Aus Cholesterin wird in der Leber 7-Dehydroxycholesterol gebildet, das durch Einwirkung von UV-B-Strahlung in Prävitamin D3 (Colecalciferol) umgewandelt wird. Über weitere Stoffwechselprozesse wird letztendlich die aktive Form von Vitamin D, namens Calcitriol, gebildet. Der Körper bildet 80 bis 90 Prozent des Vitamins selbst mithilfe von Sonnenlicht, genauer gesagt UV-B-Strahlung. Dafür ist ein Aufenthalt im Freien notwendig. In den Monaten Juni bis August reichen täglich 5 bis 10 Minuten Sonnenstrahlung für Menschen mit heller bis sehr heller Hautfarbe, für Menschen mit dunkler Haut 10 bis 15 Minuten. Ein Aufenthalt in hellen Räumen reicht nicht aus, da die UV-B-Anteile im Sonnenlicht nicht durch das Glas von Fensterscheiben dringen können. Daraus kann man schließen, dass die Vitamin-D-Bildung im Herbst und Winter in Deutschland kaum möglich ist. Auch wer sich bei Sonnenschein vollständig bekleidet im Freien bewegt, erhält nicht genug Sonne, um Vitamin D zu produzieren. Zu den Risikogruppen zählen auch Menschen mit dunkler Hautfarbe (hoher Gehalt an Melanin), denn in der Regel bilden sie weniger Vitamin D als Menschen mit heller Haut. Die Ernährung trägt mit einem Anteil von circa 10  bis 20 Prozent nur relativ wenig zur Vitamin-D-Versorgung bei. Ein Grund hierfür ist, dass nur wenige Lebensmittel nennenswerte Mengen an Vitamin D enthalten, wie zum Beispiel fetter Seefisch wie Hering, Lachs und Aal. Pflanzliche Quellen sind Pilze wie Pfefferlinge oder Champignons.

Vitamin D hat als Hormon eine modulierende Wirkung und ist an der Differenzierung von Monozyten zu Makrophagen beteiligt, in denen es lysosomale Enzyme aktiviert. Dadurch nimmt die Phagozytoserate zu und die Infektanfälligkeit ab. Aber wieviel Vitamin D braucht der Mensch? Der Referenzwert für die Vitamin-D-Zufuhr beträgt bei fehlender körpereigener Bildung 20 Mikrogramm pro Tag. Dieser von der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) aus Studien abgeleitete Schätzwert gilt für alle Altersgruppen ab einem Lebensjahr. Auch Schwangere und Stillende haben den gleichen Bedarf. Wann spricht man von einem Mangel? Bei Serumkonzentrationen des Markers 25-Hydroxyvitamin-D unterhalb von 30 Nanomol pro Liter Serum (30 nmol/l) spricht man von einem Mangel. In Deutschland haben 12,5 Prozent der Kinder und 30 Prozent der Erwachsenen einen Mangel an Vitamin D.

Wie äußert sich der Mangel? Bei einem Vitamin-D-Mangel im Säuglings- und Kindesalter werden die Knochen unzureichend mineralisiert, sie bleiben weich und können sich verformen (Rachitis). Im Erwachsenenalter kann es auch zu einer Störung des Knochenstoffwechsels kommen. Durch die Demineralisierung des Knochens können die Knochen weich werden (Osteomalazie). Besonders im höheren Alter kann ein Vitamin-D-Mangel zur Entstehung von Osteoporose beitragen. 

Gut gemeint, aber riskant: Zu viel Vitamin D ist auch nicht gut

Wann sollte supplementiert werden? Die DGE schreibt vor, dass bei Säuglingen bis zum zweiten erlebten Frühling täglich 400-500 IE peroral zugeführt werden müssen. Danach beginnt die Eigensynthese. Bei Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen sollten 20 µg/Tag, was 800 IE/Tag bei fehlender endogener Synthese entspricht, zugeführt werden. 

Wie äußert sich Vitamin-D-Überdosierung? Bei einer Intoxikation kommt es zu Hypercalcämie, die sich in Symptomen wie Müdigkeit, Muskelschwäche, Erbrechen, Verstopfung, Nierenschäden, Herzrhythmusstörungen und Gefäßverkalkungen äußern kann. Eine Überdosierung von Vitamin D kann für Kinder besonders gefährlich sein, da sie empfindlicher auf Veränderungen im Mineralstoffhaushalt reagieren als Erwachsene. Risikogruppen, wie ältere Menschen oder Personen mit bestimmten Vorerkrankungen sind besonders anfällig für die negativen Auswirkungen einer Überdosierung. Ältere Menschen haben oft eine geringere Nierenfunktion, was bedeutet, dass sie Vitamin D langsamer abbauen und ausscheiden können, was das Risiko einer Überdosierung erhöht. 

Es mehren sich die Hinweise, dass Vitamin D in der Prävention anderer Erkrankungen eine wichtige Rolle spielt, wie bei Myopathien, Rheuma und kardiovaskulären Erkrankungen. Auch findet man Informationen, dass es zusätzlich in der Behandlung von Asthma und Covid-19 genutzt werden kann. Allerdings sind bisherige Studienergebnisse nicht aussagekräftig genug, um eine breite Vitamin-D-Prophylaxe zu empfehlen. Eins ist bis jetzt klar: Eine erhöhte Aufnahme ohne gesundheitliche Notwendigkeit ist gefährlich. Für die Kundschaft, die in der Apotheke nach Vitamin D verlangt, heißt das: In den Wintermonaten ist die Einnahme eines moderat dosierten Präparats nicht verkehrt, im Sommer ist sie überflüssig, es sei denn, es besteht eine durch Laborergebnisse bestätigte Indikation.