Esketamin: Mit Nasenspray gegen Depressionen

Die Idee, ein Antidepressivum in die Nase zu sprühen, mag ungewöhnlich klingen, aber mit einem alten, bekannten Wirkstoff verpackt in einem Nasenspray wird sie Realität – die Rede ist von Esketamin.

Als Verwandter von Ketamin, das schon lange in der Anästhesie verwendet wurde, zeigt Esketamin eine vielversprechende Wirkung bei der Behandlung von Depressionen. Durch die intranasale Anwendung in der Arztpraxis eröffnet sich ein innovativer Ansatz, der insbesondere für Patienten mit therapieresistenten Depressionen relevant ist.

Esketamin ist das S-Enantiomer von Ketamin und wurde 2022 neu in die Leitlinien zur Behandlung von Depressionen aufgenommen. Es wird bei Erwachsenen zur Behandlung von therapieresistenten Major Depressionen angewendet, die in mittelschweren bis schweren depressiven Episoden nicht auf andere Behandlungsversuche angesprochen haben. Angewendet wird es nur in Kombination mit einem Selektiven Serotonin-Wiederaufnahme-Hemmer (SSRI) oder Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer (SNRI). In Deutschland ist das Nasenspray mit 28 mg Esketamin der Firma Janssen-Cilag auf dem Markt. Es wird unter dem Namen Spravato® vertrieben.

Die Verabreichung erfolgt in der Arztpraxis, wo die Patienten das Spray unter Aufsicht in die Nase sprühen. Sie verbleiben dort, bis sie nach ärztlicher Einschätzung entlassen werden können. Zu den möglichen Nebenwirkungen zählen Schwindel, Beeinträchtigung des Geschmackssinns, Schläfrigkeit und erhöhter Blutdruck. Vor und nach der Behandlung mit Spravato® wird daher der Blutdruck gemessen, um Nutzen und Risiken der Therapie abzuwägen.

Wirkmechanismus & besondere Patientengruppen 

Es wird wahrscheinlich, dass die antidepressive Wirkung hauptsächlich durch die Blockade des N-Methyl-D-Aspartat (NMDA)-Rezeptors vermittelt wird, was zu einer vorübergehenden Erhöhung der Glutamatfreisetzung führt. Neue Erkenntnisse legen zudem nahe, dass die pharmakologische Wirkung durch eine Aktivierung des AMPA-Rezeptors auf einen seiner Metaboliten zurückzuführen ist. Esketamin wirkt am NMDA-Rezeptor ähnlich wie Ketamin, jedoch mit einer stärkeren Wirkung. Diese Eigenschaft hat dazu geführt, dass Esketamin in intranasaler Form zur Behandlung von Depressionen eingesetzt wird. 

Bei älteren Patient:innen (65 Jahre und älter) kann nach der Anwendung ein erhöhtes Sturzrisiko bestehen, daher sollten diese engmaschig überwacht werden. Das Präparat wird während der Schwangerschaft und für Frauen im gebährfähigen Alter, die nicht verhüten, nicht empfohlen. Wenn eine Frau während der Behandlung mit Spravato® schwanger wird, muss die Behandlung abgebrochen werden. Interessanterweise ist die Wirksamkeit bei japanischen und chinesischen Patient:innen untersucht, aber nicht belegt worden.

Erfolge bei postnataler Depression

Eine neue Anwendung von Esketamin betrifft auch junge Mütter (mit einem durchschnittlichen Alter von 32 Jahren) mit postnataler Depression. Eine einzige, niedrige Dosis Esketamin in Form einer Infusion (0,2 mg pro kg Körpergewicht) nach der Geburt führte zu einer Reduktion depressiver Episoden um etwa drei Viertel, so das Team von Dr. Shuo Wang vom Department of Anaesthesiology am Peking University First Hospital. Ein Erfolg? Fraglich, denn zu beachten ist, dass neuropsychiatrische Symptome zwar häufiger auftreten, aber oft vorübergehend sind und keine medikamentöse Intervention erfordern. Darüber hinaus kann ein Follow-up aus der Ferne nach der Geburt zu einer Unterschätzung der Symptome führen, und die 42-tägige Studie erlaubt keine Vorhersage zukünftiger Depressionen oder Nebenwirkungen.

Frühere Forschung hat gezeigt, dass unmittelbar nach der Geburt mit Kaiserschnitt das Schmerzniveau unter Esketamin im Vergleich zu Placebo niedriger war, jedoch klinisch nicht signifikant. Die Sedierungstiefe war unter Esketamin tiefer als unter Placebo, und vorübergehende neurologische oder psychische Symptome traten häufiger auf.