Wer hat hier das Sagen?

Der Umgang mit Hierarchien wird in Apotheken unterschiedlich ausgelebt. Sind flache Hierarchien förderlich für das Arbeitsklima? Dieser Frage geht die Apothekenspitzel:in nach.

Ich erinnere mich noch an meine Anfangszeiten in der Apotheke. Da gab es eine Pharmazeutin im Praktikum und eine erfahrene PKA, die seit 25 Jahren dort tätig war und meinte sagen zu können, wo es lang geht. Zwischen den beiden kam es regelmäßig zu Reibungen. Den negativen Höhepunkt erreichten diese, als die PKA am Telefon die Rezepturgrundlage falsch aufschrieb und die Pharmazeutin dann eine Salbe herstellte, obwohl es laut ärztlicher Verordnung eine Creme sein sollte.

Wie wir wissen, haben manche Grundlagen auch ohne Wirkstoffzusatz eine Eigenwirkung auf Hauterkrankungen. Auch wenn es in dem Fall nicht so wäre: Der Arzt wird sich sicherlich etwas dabei gedacht haben, wenn er ausdrücklich Unguentum emulsificans aquosum rezeptiert statt Unguentum emulsificans. Für die Hauterkrankung der Kundin sollte es eine Creme sein, am Ende wurde es eine Salbe: Für die Pharmazeutin ein No-Go, für die PKA höchstens ein Allerweltsfehler. Gegenüber der Kundin nickte sie das (was ich bis heute nicht verstehe …): „Alles roger!“. Doch aus pharmazeutischer Sicht ist es eben vielleicht schlimm, wenn man eine fettige Salbe statt einer leichten Creme auf die Haut aufträgt. Die Pharmazeutin war an dem Tag sehr genervt von der PKA, nach dem Motto: Was erlaubt sie sich eigentlich, sich als PKA ein- und mitzumischen? Sie ist doch keine PTA und auch keine Apothekerin …

Als Angestellte mit kaufmännischem Hintergrund hatte sie darüber nicht zu entscheiden. Erst nachdem die Kundin die Apotheke verließ, wurde die junge Filialleiterin über den Fall in Kenntnis gesetzt. Alles etwas suboptimal gelaufen, wie ich finde.

Hierarchien in der Apotheke

Wenn wir uns die Verantwortlichkeiten in der Apotheke anschauen, stellen wir fest: Ja, es gibt verschiedene Hierarchieebenen, die sich auf die Qualifikation zurückführen lassen. Erfahrungsgemäß hat es niemand in der Apotheke gern, wenn jemand im Team „den Chef raushängen“ lässt. Dinge lassen sich auch mit einem besseren Ton bzw. freundlicheren Umgang regeln. Andererseits muss man aber auch sagen, es gibt nun mal unterschiedliche Qualifikationen. Einmal habe ich erlebt, wie eine PKA sagte: „Die Apotheker machen doch das Gleiche wie wir und kriegen mehr Geld dafür.“ Da musste ich erstmal staunen. Warum bist du dann nicht Apothekerin geworden, wenn es doch so leicht ist, dass zu behaupten? Es muss doch einen Unterschied geben, ob jemand Pharmazie studiert hat oder nicht. Andere PTA-Kolleginnen sehen das genauso.

Wenn Chefinnen bzw. Chefs die Machtspielchen zulassen

Außerdem habe ich auch folgendes Phänomen beobachtet: Langjährige Teammitglieder, die seit zehn, 15 oder 25 Jahren in der Apotheke arbeiten, nehmen manchmal Züge einer Apothekenleitung an. Das hat mir auch eine Freundin erzählt, die eine eigene Apotheke hat. „Kräfte, insbesondere die PKA, die schon lange dabei sind, können ein enormes Selbstbewusstsein und -verständnis entwickeln und ein bisschen in die Chef-Rolle tauchen“, so ihre Beobachtung. „Ich habe hier eine alteingesessene PKA, die alles für mich organisiert. Sie ist vielleicht auch nicht die einfachste Kraft. Ich lasse es aber zu, da die Leistung stimmt“, so die Apothekerin. Ansonsten müsste sie die ganze Arbeit allein machen, gibt sie zu. Und dafür habe sie weder die Kapazitäten noch die Lust. 

Sie schränkt aber auch ein: „Ich würde es nicht dulden, wenn der Personalmarkt nicht so wäre, wie er gerade ist. Es ist alles so begrenzt, dass du halt keine andere Wahl hast, so zu handeln. Wenn die PKA eher das Sagen hat und nicht eine Apothekerin oder ein Apotheker – damit kann nicht jeder/r umgehen. Reibungen und Probleme sind somit programmiert. „Bei mir haben sogar schon Apotheker deswegen gekündigt“, verrät meine Freundin.  

Neuer Trend „flache“ Hierarchien?

Früher wurde der Begriff nur in der „Büro-Welt“ genutzt, heute werben auch Apotheken damit. Bei dieser Art der Personalführung gibt es nur wenige Ebenen zwischen den Mitarbeitern, sodass Kommunikation und Entscheidungsfindung, vor allem durch kurze Entscheidungswege, erleichtert werden sollen. Außerdem ist es eine Möglichkeit, die Mitarbeiterzufriedenheit durch Wertschätzung und flexible Aufgabenzuteilung nach Fähigkeiten und Kenntnissen positiv zu beeinflussen (auch wenn es bei manchen negativ ankommt). Die Übernahme von Verantwortung soll die Motivation und das Engagement der Mitarbeitenden steigern. Auch soll die Zusammenarbeit und gemeinsame Entscheidungsfindung die Gruppendynamik stärken, sagt man.

In der Uni lernt man eher Wissenschaftlichkeit und Theorie, während der Apothekenalltag vor allem am Anfang praktisches Wissen erfordert. Es ist doch klar, dass jemand, der 25 Jahre in derselben Apotheke arbeitet, alle Arbeitsabläufe in- und auswendig kann und jede Ecke der Offizin genau kennt. Die Kunst, vor allem für junge Uniabsolventen, besteht doch darin, das theoretische Wissen mit dem Praktischen zu kombinieren, um die Kundschaft bestmöglich zu beraten. Daher sollte man sich im Team gegenseitig unterstützen.

Expertise des anderen schätzen, Grenzen kennen

Fehler macht jeder und irren ist menschlich. Wichtig ist doch, ein funktionierendes Fehlermanagement zu haben. Wie ist der Fehler entscheiden und wie können wir ihn künftig vermeiden? Diese Frage sollten wir uns jedes Mal stellen. Aber es reicht auch nicht, ein offizielles Fehlermanagement als QMS-Karteileiche zu haben: Man muss das auch ausleben, dabei müssen alle an einem Strang ziehen.

Jeder sollte aber auch wissen, was sie oder er zu verantworten hat und wo die Grenzen des eigenen Wissens liegen. Eine PKA sollte sich eben nicht in Rezeptur-Themen einmischen und mitbestimmen wollen – es sei denn, es hat etwas mit der Beschaffung etc. zu tun. Das soll nicht heißen, dass PKA von untergeordneter Bedeutung sind. Ganz im Gegenteil, mit guten PKA lässt sich die Lagerhaltung optimieren. Eine gute PKA ist Gold wert! (Ich habe die besten Kolleginnen! 🤩) Jede Berufsgruppe hat seine Daseinsberechtigung. Man arbeitet doch als Team, also miteinander und nicht gegeneinander. Teams, in denen alle Beteiligten ihre Stärken im Sinne aller einbringen und ihre Schwächen und Grenzen kennen, haben aus meiner Sicht bisher immer am besten funktioniert.

Wie geht ihr in der Apotheke mit „Hierarchien“ um? Habt ihr ähnliche Erfahrungen mit Kolleg:innen gemacht, die schon lange zum Team gehören? Wie lassen sich mögliche Reibungspunkte entschärfen/reduzieren? Schreibe deine Meinung zu dem Thema in die Kommentare!