Ach, Günther!
Die Apothekenspitzelin ist von Herrn Jauch genervt. Nicht als einzige. Wirft sie ihm wegen seiner Werbung für eine Online-Apotheke Geldgier vor? Nein, etwas anderes stört sie mehr.
Ich weiß nicht, wie es euch geht, aber ich bin von einer Person im TV in letzter Zeit besonders genervt. Sie erscheint regelmäßig vor den 20 Uhr Nachrichten, fährt Aufzug und hantiert mit einer Gesundheitskarte herum.
Was ich dazu sage? Ach, Günther Jauch – hättest du doch bloß geschwiegen! Im Aufzug, meine ich. Im Studio, wo du sonst auf seinem Hochstuhl thronst und knifflige Fragen stellst, warst du meines Erachtens deutlich besser aufgehoben. Manchmal bist du sogar so freundlich, Kandidaten über die ein oder andere Hürde zu helfen und (beinahe) Millionär zu werden. Doch nun, so finde ich, hast du selbst eine Frage falsch beantwortet – die nach der gesellschaftlichen Verantwortung.
In einem Werbespot für eine Online-Apotheke mimst du den modernen Digitalpatienten: Im Aufzug triffst du eine junge Frau, die dich fragt, ob du gerade beim Arzt gewesen bist und jetzt direkt in die Apotheke gehst. Deine süffisante Antwort: Das sei doch heute wirklich nicht mehr nötig. Stattdessen zückst du deine Gesundheitskarte, hältst sie ans Smartphone und bestellst fix bei der Online-Apotheke.
Nun, der Spot stößt einigen aus unserer Branche ganz unbehaglich auf, und dagegen hilft auch kein Protonenpumpenhemmer. Die Kolleginnen und Kollegen werfen dir, dem beliebten TV-Moderator vor, dass du den Vor-Ort-Apotheken in ihrem Existenzkampf in den Rücken fällst. Der Vorsitzende des sächsischen Landesapothekerverbandes befürchtet, dir sei nicht bewusst, dass durch deine Werbebotschaft nicht nur manche Apotheke dicht machen muss, sondern auch die ein oder andere Kleinstadt-City schlapp machen wird. Da ist was dran, finde ich, und das nicht nur, weil manche Oma nach der Apothekenvisite auch gern noch mal das Cafe gegenüber besucht. Andere Inhaber bedanken sich verbittert auf Insta für deine Online-Werbung und klingen verdammt sauer – ähhh, ich meine: süffisant.
Ist das berechtigt? Natürlich bist du ein freier Mensch. Als solcher weißt du, „Geld stinkt nicht“ und dass man nie genug davon haben kann. Das ist okay. Also kannst du Werbung machen für alles, wovon du überzeugt bist, Hauptsache, es ist legal. Und Online-Apotheken sind nun mal legal, auch wenn sie vielen von uns ein Dorn im Auge sind.
Aber da ist noch etwas anderes, das mir bitter hochkommt: Ich finde nämlich, die ach so alltägliche Aufzugsszene ist überhaupt nicht authentisch, sondern grotesk inszeniert. Die hat mit der Realität ungefähr so viel zu tun, wie deine Millionärsfrage mit Stadt, Land, Fluss. Genauso gut könnten Verkehrsbetriebe mit Robert Geiss für die Vorzüge des öffentlichen Nahverkehrs werben. Denn Hand aufs Herz: Glaubt irgendjemand ernsthaft, dass du Kassenpatient und darauf angewiesen bist, tatsächlich mit einer schnöden Gesundheitskarte am Smartphone zu hantieren? Dass du dein Rezept nicht längst in deiner Stamm-Apotheke einlöst, wo man dich kennt und schätzt und als den Promi behandelt, der du bist?
Was ich hier sehe, ist ein Paradebeispiel dafür, wie Prominente ihre Glaubwürdigkeit gegen Honorar vermieten. Du spielst eine Rolle, die so weit von deiner Realität entfernt ist wie dein Kontostand von dem deiner Quizkandidaten. Du verkaufst uns eine Geschichte von digitaler Modernität, während du selbst vermutlich die persönliche Beratung und Verschwiegenheit deines Apothekers zu schätzen weißt. Glaubwürdig ist anders, ich finde, da hat dein PR-Berater gepennt!
Vielleicht hättest du ausnahmsweise mal selbst den Publikumsjoker ziehen und fragen sollen, was deine Zuschauer von dieser Art Werbung halten. Die Antwort könnte überraschend sein… Aber Halt! Autsch – Vorsicht, liebe Apothekenspitzelin! Ich könnte mir vorstellen, dass viele Unbedarfte die Sache gar nicht so kritisch sehen unsereiner. Jauch, der ist doch immer so jovial und nett – da probier´ ich´s vielleicht auch mal mit der Online-Bestellung. Insofern wäre deine Mission dann erfüllt und du wärest dein Geld wert gewesen, lieber Günther. Was die Sache für uns noch schmerzlicher macht.
Aber hey, wenigstens wissen wir jetzt: Auch ein Günther Jauch kann mal daneben liegen. Das macht dich zwar menschlich, aber in diesem Fall nicht unbedingt sympathischer. Die richtige Antwort auf die Frage nach gesellschaftlicher Verantwortung sieht meines Erachtens anders aus.
Und falls du mal ´ne knifflige Frage für die Million suchst, wie wäre es mit dieser hier: Wie viele Apotheken haben im letzten Jahr in Deutschland dicht gemacht? Die Antwort würde auch dich erschrecken…