„Das kann ja wohl nicht wahr sein!“ So löst du Konflikte mit Kunden

Der Konfliktexperte Christoph M. Michalski verrät im Interview mit AMIRA, dass sich Konflikte in Apotheken am besten lösen, wenn man dem Kunden signalisiert, dass man ihn ernst nimmt – sein Dauerklagen jedoch unterbindet.

AMIRA: Herr Michalski, es gibt ja sehr unterschiedliche Arten von Kunden, die in eine Apotheke kommen. Wie lassen sich denn zunächst Schwierigkeiten mit Kunden geschickt lösen?
Christoph Maria Michalski: Zunächst finde ich wichtig, sich zu fragen, ob mir ein klagender oder ein kaufwilliger Kunde gegenübersteht. Klagende werden überwiegend von ihren Emotionen überwältigt und möchten hauptsächlich ihre Sorgen loswerden. Kunden dagegen kommen, um etwas zu kaufen. Damit muss man unterschiedlich umgehen – dazu komme ich später. Und wichtig ist für das Apothekenteam, sich bewusst zu sein, dass aufflackernde Emotionen zunächst Auskunft darüber geben, dass bei dem Menschen ein Bedürfnis nicht erfüllt ist: das Bedürfnis nach Sicherheit, Zugehörigkeit oder persönlichem Wachstum. Ein Beispiel: Nehmen wir einmal an, ich brauche Kinderfiebersaft und die Apothekenmitarbeiterin sagt, dass hätte die Apotheke leider nicht. Dann ist natürlich mein Bedürfnis nach Sicherheit angetriggert, sodass ich erwidere: „Ja, das kann doch nicht wahr sein!“ Die Wut und Verzweiflung des Kunden beruhen also an einem Mangel, dem Wunsch, sicher zu sein. 

Christoph M. Michalski mit AMIRA im Interview

Bloß nicht endlos diskutieren

AMIRA: Wenn jetzt der Apothekenmitarbeiter auf der emotionalen Ebene antwortet und sagt „Ich verstehe Ihr Bedürfnis nach Sicherheit, das ist ja ganz elementar für Ihr Kind“ - wäre dies besser?
Michalski: Richtig, denn hier gilt wieder die Frage: Ist das ein „Kunde“ der nur etwas erwerben möchte oder ist das ein Klagender? Einem „Kunden“ könnte ich antworten: „Haben wir nicht.“ Dann würde dieser fragen: „Wann gibt es diesen Saft?“ Und ich könnte reagieren: „Das weiß ich auch nicht genau, aber ich kann Ihnen folgendes sagen: Wenn Sie mir Ihre Telefonnummer dalassen, dann rufe ich Sie an, sobald ich ihn habe.“ Natürlich könne auch solche Art lösungsorientierter Kunden einmal genervt reagieren. Sie würden jedoch nicht anfange zu diskutieren. 

AMIRA: Okay, das ist jetzt gleichsam der rationale „Kunde“. Was ist mit dem, der sich aufregt?
Michalski: Solch ein klagender Mensch realisiert nicht, dass die Apotheke nicht die richtige Adresse ist, um über den Lieferengpass zu klagen, da diesem Problem eine ganze Reihe an politischen Fehlentscheidungen zugrunde liegt. Doch solche Menschen sind von der Struktur her so beschaffen, dass sie erst einmal klagen müssen. Und hier sind wir beim wichtigen Aspekt der inneren Haltung. Gerade in den sozialen Berufen besteht die Gefahr, dass wir uns sofort in den Rechtfertigungsmodus begeben. Dann würden wir nämlich antworten: „Ja, ich kann Sie verstehen, aber ich kann ja auch nichts dafür!“ Eine solche Aussage, vielleicht auch noch durch hochgezogene Schultern als Körpersprache verstärkt, verleitet den Klagenden dazu, sich weiter auszulassen – das geäußerte Verständnis beeinflusst ihn überhaupt nicht. Im Gegenteil, endlich kann er einmal seine Sorgen und Gedanken loswerden – zunächst über Lieferengpässe, dann über Politik, zuletzt vielleicht sogar über seine persönlichen Erlebnisse. Dennoch muss auch bei solchen Kunden Verständnis dafür herrschen, dass etwa ein Vater eines fiebernden Kindes in einem emotionalen Ausnahmezustand ist. 

Dann auch mal ein Gespräch beenden

AMIRA: Und wie ginge es ohne sich zu rechtfertigen?
Michalski: Besser wäre die Haltung eines Erklärenden. Dabei stehe ich für die Fakten gerade, nicht aber für die Verursachung des Problems. Ich erkläre dem Menschen, dass die Situation so ist. Ich würde im Fall des Fiebersaftes sagen: „Wir haben es hier mit einem weltweiten Lieferengpass rund um Fiebersäfte für Kinder zu tun.  Doch den Umstand an sich kann ich nicht ändern. Wir können jedoch über eine Lösung sprechen und überlegen, welches Medikament wir Ihnen als Alternative anbieten können oder wann wir den verschriebenen Saft hätten. Außerdem gebe ich Ihnen zur Erklärung gerne einen Flyer mit, den unser Apothekenteam mit alten Hausmitteln bei Fieber für Sie vorbereitet hat.“

AMIRA: Welchen Vorschlag haben Sie, wenn der Kunde weiter klagt?
Michalski: Dann würde ich sagen: „Ich kann Sie verstehen, die Situation jedoch nicht ändern. Es warten Andere hinter Ihnen auf meine Beratung und auf Medikamente, deshalb bitte ich Sie, unser Gespräch zu beenden. Danke!“ Das klingt auf den ersten Blick hart – es gibt keine Lösung in diesem Moment. Freundliche Klarheit ist für viele Menschen heutzutage ungewohnt – aber was ist die Alternative?

Wir danken Ihnen herzlich für das Gespräch!

Im 2. Teil des Gesprächs mit Christoph Maria Michalski erfährst du, wie man Teamkonflikte elegant löst.