Wochenrückblick: 2 x Psychopharmaka, Wahlprüfsteine der ABDA und Lauterbach ist weiterhin aktiv
Die Wahl steht an, Lauterbach schafft deshalb noch schnell Tatsachen. Auch sonst ist eine Menge passiert. Was genau, lest ihr in unserem Wochenrückblick.
Psychopharmaka: Kinderpsychiater Michael Winterhoff vor Gericht
Vor dem Bonner Landgericht hat am Mittwoch der Prozess gegen den Kinderpsychiater Michael Winterhoff begonnen. Ihm wird gefährliche Körperverletzung in 36 Fällen vorgeworfen. Er soll zwischen 2004 und 2021 Kindern Psychopharmaka verschrieben haben, die sie sedierten, ohne sie oder ihre Erziehungsberechtigten umfassend über Nebenwirkungen aufgeklärt zu haben. Die Staatsanwaltschaft ist der Auffassung, das Medikament Pipamperon sei eingesetzt worden, um Kinder für autoritäre Erziehungsmethoden gefügig zu machen. Betroffene litten laut einem Opferanwalt bis heute unter seelischen und körperlichen Folgen. Bei vielen Patienten sind dem Vernehmen nach zufolge Nebenwirkungen wie Müdigkeit, Bewegungssteifheit und erhebliche Gewichtszunahmen aufgetreten. Winterhoffs Verteidigerin bestreitet die Vorwürfe und behauptet, die Medikamente seien nur aus medizinischen Gründen und nicht systematisch verordnet worden. Der Prozess soll bis Ende Juli dauern.
Pollensaison verläuft milder als sonst zu dieser Jahreszeit üblich
Die Pollensaison in Deutschland hat begonnen, verläuft aber aufgrund der aktuell niedrigen Temperaturen gemäßigter als in den Vorjahren. Das hat Matthias Werchan von der Stiftung Deutscher Polleninformationsdienst (PID) erklärt. Derzeit seien vor allem Hasel und Erle aktiv, jedoch nur schwach. Sollte es milder werden, könne der Pollenflug jedoch rasch zunehmen. Experten gingen davon aus, dass sich die Pollensaisons durch den Klimawandel zunehmend überschneiden. Um Allergiker zu entlasten, müsse über eine andere Bepflanzung in Städten nachgedacht werden, etwa durch den Verzicht auf Birken, Erlen und Eschen oder die Pflanzung rein weiblicher Bäume. Für Apfelallergiker gebe es hingegen positive Nachrichten: Ab September solle eine allergikerfreundliche Apfelsorte in Supermärkten erhältlich sein, eine weitere folge 2026. Diese Äpfel seien zwar nicht allergenfrei, jedoch deutlich besser verträglich.
AMRIA fragt: An die Allergiker unter euch - geht´s schon los mit der Schniefnase oder habt ihr noch Ruhe
Möglicher Zusammenhang zwischen Atomoxetin und dem Serotoninsyndrom sowie aggressivem Verhalten bis hin zu Mordgedanken festgestellt
Der Ausschuss für Risikobewertung im Bereich der Pharmakovigilanz (PRAC) der EMA hat einen möglichen Zusammenhang zwischen Atomoxetin und dem Serotoninsyndrom sowie aggressivem Verhalten bis hin zu Mordgedanken festgestellt. Die Koordinierungsgruppe für gegenseitige Anerkennung und dezentralisierte Verfahren (CMDh) hat der Empfehlung zugestimmt, sodass die Produktinformationen angepasst werden. Neu ist der Hinweis, dass das Serotoninsyndrom bei gleichzeitiger Einnahme serotonerger Medikamente oder Überdosierung auftreten könne. Zudem werden bestehende Warnhinweise zu aggressivem Verhalten um Berichte schwerwiegender Fälle bei Kindern ergänzt. Familien sollten bei starken Stimmungsschwankungen ärztlichen Rat einholen. Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) hat betroffene Unternehmen zur Textanpassung verpflichtet, die Arzneimittelkommission (AMK) hat Apothekerinnen und Apotheker aufgefordert, Patienten aufzuklären und Nebenwirkungen zu melden.
Probleme mit THC-Schnelltests zur Identitätsprüfung von Dronabinol-Lösungen
Von Juli 2024 bis Januar 2025 meldeten 34 Apotheken Probleme mit THC-Schnelltests zur Identitätsprüfung von Dronabinol-Lösungen. Das geht aus einer AMK-Mitteilung hervor. Ursache sei eine zu geringe Reagenzmenge. Hersteller empfehlen nun zehn statt fünf Tropfen. Trotz Maßnahmen bestehen jedoch weiterhin Probleme. Das Zentrallaboratorium Deutscher Apotheker (ZL) bestätigte die Lösung, verweist aber auf alternative Prüfmethoden. Die AMK fordert Apotheken auf, Probleme zu melden, besonders bei Therapieunterbrechungen.
ABDA-Wahlprüfsteine: Was die Parteien vorhaben
Die Bundestagsparteien wollen Apotheken stärken, Honorare erhöhen und zusätzliche Leistungen wie Impfungen ausbauen, wie ihre Antworten auf die „Wahlprüfsteine“ der ABDA zeigen. ABDA-Präsident Thomas Preis betonte kürzlich nochmals die Notwendigkeit einer wirtschaftlichen Stabilisierung und Kompetenzausweitung für Apotheken. Er fordert eine Honoraranpassung, da seit 2013 steigende Kosten zu einem Apothekenrückgang führten. Die ABDA werde sich weiterhin aktiv für diese Themen im Wahlkampf und den Koalitionsverhandlungen einsetzen, so Preis, der sein Amt im Januar angetreten hatte.
AMIRA empfiehlt: Lest mal, was die Parteien in punkto Apotheken in ihre Wahlprogramme geschrieben haben, die Apothekenspitzelin hat sich das hier angeschaut.
Hohe Zustimmung zur Organspende
Die Zustimmung zur Organspende erreicht in Deutschland einen neuen Höchststand: 85 Prozent der Befragten stehen ihr laut einer aktuellen Umfrage der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) positiv gegenüber. Dies zeigt eine jetzt veröffentlichte repräsentative Befragung von 4.001 Personen zwischen 14 und 75 Jahren. 62 Prozent der Befragten haben bereits eine Entscheidung zur Organspende getroffen, davon haben 45 Prozent diese in einem Organspendeausweis oder einer Patientenverfügung dokumentiert. 35 Prozent haben sich noch nicht entschieden. Trotz der hohen Zustimmung ging die Zahl der Organspender 2024 leicht zurück: 953 Menschen spendeten nach ihrem Tod Organe, im Vorjahr waren es 965. Ende 2024 warteten etwa 8.300 Menschen auf ein Spenderorgan.
Derzeit sind Organentnahmen in Deutschland nur mit ausdrücklicher Zustimmung erlaubt. Ein aktueller Gesetzentwurf im Bundestag sieht vor, stattdessen eine Widerspruchsregelung einzuführen, wie sie bereits in anderen Ländern gilt.
Online-Arzneimittelkäufe in NRW nehmen zu
Immer mehr Menschen in Nordrhein-Westfalen bestellen Medikamente und Nahrungsergänzungsmittel im Internet. Laut einer aktuellen Erhebung des Statistischen Landesamts (IT.NRW) kauften 21 Prozent der 16- bis 74-Jährigen diese Produkte in den drei Monaten vor der Befragung online - eine deutliche Steigerung gegenüber 2021, als der Anteil bei 15 Prozent lag. Frauen nutzen den Online-Einkauf für Gesundheitsprodukte häufiger als Männer: 24 Prozent der befragten Frauen bestellten Medikamente oder Nahrungsergänzungsmittel im Internet, bei den Männern waren es 18 Prozent. Die Daten stammen aus der europäischen Erhebung zur Nutzung von Informations- und Kommunikationstechnologien in privaten Haushalten, die als freiwillige Unterstichprobe des Mikrozensus durchgeführt wird.
Lauterbach weiterhin aktiv
Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) wird zum Bundesinstitut für öffentliche Gesundheit (BIÖG) umbenannt. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) verfügte die Änderung per Ministererlass, nachdem ein entsprechendes Gesetz aufgrund des Bruchs der Ampel-Koalition nicht mehr beschlossen werden konnte.
Das neue Institut soll eng mit dem Robert Koch-Institut (RKI) zusammenarbeiten. Eine entsprechende Kooperationsvereinbarung unterzeichneten der kommissarische BIÖG-Leiter Johannes Nießen und RKI-Präsident Lars Schaade in Köln. Zu den Aufgaben des Instituts gehören die verständliche Vermittlung von Wissen über gesunde Verhaltensweisen sowie die Erhebung und Analyse von Gesundheitsdaten. Schwerpunkte sollen unter anderem Bewegungsförderung, Ernährung und Suchtprävention sein. Lauterbach betonte die Bedeutung der Prävention: Deutschland habe trotz hoher Gesundheitsausgaben die schlechteste Lebenserwartung in Europa und verzeichne jährlich zehntausende vermeidbare Todesfälle.
Gute Nachrichten für Allergiker
Zwei neue allergikerfreundliche Apfelsorten kommen auf den deutschen Markt. Die erste Sorte soll ab September in Supermärkten erhältlich sein, die zweite folgt im Januar 2026, wie die Europäische Allergiestiftung Ecarf in Berlin mitteilte. Die Äpfel wurden in einem fünfjährigen Forschungsprojekt von Wissenschaftlern der Hochschule Osnabrück, der TU München und der Charité Berlin entwickelt. Sie enthalten nur sehr geringe Mengen des Hauptallergens Mal d 1, das bei vielen Menschen mit Birkenpollenallergie allergische Reaktionen auslöst. Von den geschätzten 7,5 Millionen Menschen in Deutschland mit Antikörpern gegen dieses Allergen entwickeln etwa 3,5 Millionen Symptome.
Eine klinische Studie mit rund 150 Teilnehmern zeigte, dass die meisten Allergiker die neuen Sorten gut vertragen. Die Äpfel werden im Alten Land bei Hamburg angebaut, wo bereits 200.000 Bäume gepflanzt wurden. Sie sollen mit einem Ecarf-Qualitätssiegel gekennzeichnet und in allen großen Supermarktketten verkauft werden.
AMIRA meint: Wir machen einen Testkauf und schauen mal, wie die neue Sorte schmeckt!