Wochenrückblick: Kassen fordern MwSt.-Senkung auf Medikamente

Die Apotheken ist auf dem Stand von 1978 angekommen, Klinikeinweisungen wegen Magersucht bei Jugendlichen nehmen dramatisch zu, die Kassen fordern eine MwSt.-Senkung auf Medikamente und Sildenafil wird auch im dritten Anlauf nicht aus der Rezeptpflicht entlassen.

Apothekensterben in Hessen setzt sich fort

Die Apothekerkammer Hessen rechnet mit einem weiteren Rückgang der Apothekenzahl im Land. „Im letzten Jahr hat Hessen unter dem Strich 45 Apotheken verloren“, erklärte der neue Kammerpräsident Christian Ude gegenüber der Deutschen Presse-Agentur. Wirtschaftlichkeitsprobleme und Personalmangel seien die Hauptgründe für diese Entwicklung bei den derzeit rund 1.300 hessischen Apotheken. Besonders kritisch sei die Situation im ländlichen Raum, wo Patienten künftig deutlich weitere Wege zurücklegen müssten - auch für Notdienste. „Wenn Sie statt 20 plötzlich 50 Kilometer fahren müssen, wird das problematisch“, warnte der Darmstädter Apotheker Ude. Die steigende Notdienstfrequenz beeinträchtige zudem die Attraktivität bei potenziellen Nachfolgern. Laut Statistischem Bundesamt versorgte Ende 2023 eine Apotheke in Hessen durchschnittlich 4.756 Menschen - deutschlandweit waren es 4.819. Zehn Jahre zuvor lag der bundesweite Wert noch bei 3.909 Einwohnern pro Apotheke.

Corona-Folgen bei Kindern schwerer als gedacht

Fünf Jahre nach dem ersten Corona-Lockdown leiden viele Kinder und Jugendliche noch immer unter gravierenden psychischen Folgen. Besonders alarmierend: Die Klinikeinweisungen wegen Magersucht bei 9- bis 14-Jährigen stiegen um 42 Prozent im Vergleich zu Vor-Corona-Zeiten, bei 15- bis 19-Jährigen um 25 Prozent. „Das kann man nicht einfach aufholen. Das ist ein gewaltiges Zukunftsproblem für die ganze Gesellschaft“, warnte in dieser Woche Prof. Christine Freitag vom Vorstand der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendpsychiatrie. Neben Essstörungen träten vermehrt Depressionen, Angststörungen und Entwicklungsverzögerungen auf. Als Ursachen sehen Experten die Vereinsamung während der Lockdowns und den gestiegenen Social-Media-Konsum mit problematischen Körperidealen. Auch die atypische Magersucht bereitet Sorgen: Betroffene nehmen stark ab, fallen aber wegen vorherigem Übergewicht nicht unter kritische Grenzwerte. Mediziner empfehlen zur Prävention: mehr soziale Kontakte, Sport und weniger Medienkonsum.

Arztpraxen kaum noch telefonisch erreichbar - Ältere Patienten benachteiligt

Immer mehr Arztpraxen beschränken ihre telefonische Erreichbarkeit drastisch oder setzen ganz auf Online-Terminbuchung. „Am Patientenschutztelefon häufen sich Rückmeldungen, dass Betroffene in endlosen Warteschleifen landen“, berichtet die Deutsche Stiftung Patientenschutz. Besonders problematisch: Jeder fünfte Mensch über 65 hat keinen Zugang zu digitalen Angeboten. „Die telefonische Erreichbarkeit bleibt für ältere und chronisch kranke Patienten unverzichtbar“, betont die Stiftung. Kritisiert wurden zudem „Selbstzahlertermine“, die in Buchungs-Apps für gesetzlich Versicherte angeboten werden. In NRW hat ein Gericht solche Praktiken bereits als unzulässig eingestuft, wenn sie innerhalb der für Kassenpatienten vorgesehenen Sprechzeiten stattfinden. Die Patientenschützer fordern von der Politik mehr Transparenz beim Termin-Management und gleiche Chancen unabhängig vom Versicherungsstatus.

AMIRA fragt: Decken sich eure Erfahrungen mit den hier geschilderten? Sind Arzttermine immer seltener durch ein schlichtes Telefonat zu bekommen?

Kassen mit Vorschlag zur Kostendämpfung – den AMIRA schon gemacht hatte

Die gesetzlichen Krankenkassen in Niedersachsen melden stark steigende Arzneimittelausgaben. Im vergangenen Jahr wurden über 5,2 Milliarden Euro für Medikamente aus öffentlichen Apotheken ausgegeben, was eine Steigerung von rund 500 Millionen Euro oder 10,75 Prozent im Vergleich zum Vorjahr bedeutet. Bundesweit stiegen die Kosten 2024 um 9,7 Prozent. Der Verband der Ersatzkassen fordert daher Maßnahmen für faire Arzneimittelpreise, insbesondere für neue patentgeschützte Medikamente, sowie eine Senkung der Mehrwertsteuer auf Arzneimittel von 19 auf 7 Prozent, was eine jährliche Entlastung der Beitragszahler um sechs bis sieben Milliarden Euro bringen würde.

AMIRA meint: Diesen Vorschlag hatte unsere Apothekenspitzelin vor kurzem auch gemacht. Hier kannst du ihre Argumente nachlesen.

Koalitionsgespräche: ABDA appelliert an Parteien 

Die Apothekerschaft fordert CDU/CSU und SPD auf, die Arzneimittelversorgung als zentrales gesundheitspolitisches Thema in den laufenden Koalitionsgesprächen zu behandeln. ABDA-Präsident Thomas Preis warnte vor anhaltenden Lieferengpässen und weiteren Apothekenschließungen, die die Versorgung erschwerten. Aufgrund stagnierender Honorare sei eine dramatische Unterfinanzierung entstanden. Preis fordert ein Sofortprogramm zur Stabilisierung und kündigt Gespräche über erweiterte Versorgungsangebote an. Die Apothekenzahl sank 2024 auf 17.041 – ein Rekordtief seit 1978. Deutschland hat im EU-Vergleich eine der niedrigsten Apothekendichten.

Aufmerksames Apothekenpersonal lässt Mann festnehmen 

Ein 32-Jähriger versuchte am vergangenen Samstag in Pommelsbrunn bei Nürnberg, mit gefälschten Rezepten Tilidin zu erhalten. Das verantwortliche Apothekenpersonal erkannte die Fälschung und informierte die Polizei. Bei der Abholung wurde der Mann festgenommen. Er hatte zwei Klappmesser bei sich. Eine Wohnungsdurchsuchung ergab weitere Betäubungsmittel und Hinweise auf einen Handel. Die Staatsanwaltschaft stellte einen Haftantrag wegen Drogenhandels, der Mann wurde tags darauf dem Ermittlungsrichter vorgeführt.

Keine Werbung für „Abnehmspritze“ 

Das Landgericht München I hat einer niederländischen Onlineapotheke untersagt, für die sogenannte Abnehmspritze (Semaglutid) zu werben. Die Apothekerkammer Nordrhein hatte geklagt, da Kunden die Spritze nur per Fragebogen bestellen konnten. Das Gericht entschied, dass dies keine zulässige Fernbehandlung darstelle, da eine persönliche ärztliche Untersuchung und Nachsorge erforderlich seien. Weder die Onlineapotheke noch die beauftragten Ärzte könnten dies gewährleisten. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

Sildenafil bleibt weiter verschreibungspflichtig: Das sind die Gründe

Der dritte Antrag, Sildenafil von der Verschreibungspflicht zu befreien, ist bekanntlich im Januar erneut gescheitert. Der zuständige Ausschuss beim BfArM (Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte) stimmte mit 7:1 dagegen, da keine neue Datenlage vorliege. Zwar sei eine Selbstdiagnose möglich, doch müsse die Ursache medizinisch abgeklärt werden. Zudem befürchteten Mitglieder eine Fehlnutzung bei jungen Männern und sahen keinen Nachweis, dass ein OTC-Status den Schwarzmarkt eindämmen würde, wie aus dem neulich veröffentlichten Sitzungsprotokoll hervorgeht. Sildenafil bleibt somit verschreibungspflichtig, es sei denn, das Bundesgesundheitsministerium übergeht das Votum.

AMRIA fragt: Wie seht ihr das – Sildenafil nun endlich freigeben oder nicht…? Glaubt ihr, das hätte Einfluss auf den Umsatz?