Pharmazie im Ausland: Erste Station Schweiz
In der Schweiz nehmen Apotheker:innen und PTA eine besonders verantwortungsvolle Rolle ein – mit erweiterten Kompetenzen in Beratung und Patientenbetreuung. Was ist im Vergleich zu Deutschland anders?
Grenzenlos beraten
Wie sieht der Apothekenalltag eigentlich jenseits der Landesgrenzen aus? Welche Unterschiede gibt es in Ausbildung, Aufgaben und Arbeitsbedingungen? In unserer kleinen Serie werfen wir einen Blick über den Tellerrand und stellen vor, wie Kolleginnen und Kollegen im Ausland arbeiten.
Den Anfang macht die Schweiz – ein Land, das nicht nur landschaftlich beeindruckt, sondern auch im Gesundheitswesen einiges zu bieten hat. In diesem ersten Teil erfährst du, was Apotheker:innen und PTA erwartet, wenn sie in der Schweiz arbeiten möchten: von rechtlichen Rahmenbedingungen über Gehaltsstrukturen bis hin zum Arbeitsalltag in der Offizin. Dazu haben wir Alina Bachmann*, eine Apothekerin aus Bern, befragt. Sie gibt uns spannende Einblicke in den Berufsalltag und berichtet von Unterschieden zum deutschen System.
Impfen, Anamnese, Antibiotika: Mehr Verantwortung in der Offizin
Für PTA und Apotheker:innen aus Deutschland scheint es zunächst ein großer Schritt zu sein, in der Schweiz zu arbeiten. Denn auf der einen Seite existieren dort zum Teil ganz andere Medikamente und Hersteller, auf der anderen Seite sehr unterschiedliche Gepflogenheiten. „Dennoch dürfte mindestens die Hälfte aller Fachkräfte aus Deutschland diese Herausforderung mit Bravour meistern. Die andere Hälfte kann es ebenfalls schaffen, wenn sie lernbegierig ist und die fehlenden Kenntnisse sowie anderen Gepflogenheiten nachrüstet“, sagt Alina Bachmann.
Fachkräfte aus deutschen Apotheken könnten eine Arbeitserfahrung in der Schweiz zunächst einmal als umfassende Weiterbildung betrachten. Denn dort gibt es gänzlich andere und viel breitere Dienstleistungen, die in Apotheken angeboten werden. Während es in Deutschland noch recht neu ist, dass qualifizierte Apotheker:innen gegen bestimmte Infektionen impfen, dürfen geschulte Fachkräfte in der Schweiz längst so gut wie alle Schutzimpfungen verabreichen. Das reicht von Polio-Diphterie-Tetanus-Dreifachschutz über FSME- oder Hepatitis-Impfungen sowie die Grippeschutzimpfungen und vieles mehr.
Auch kann man als approbierte Apothekerin oder approbierter Apotheker in der Schweiz aufgrund der Weiterbildung anamnestische Gespräche mit Kund:innen führen, wenn sie beispielsweise eine Harnwegsinfektion vermuten. Der Apotheker oder die Apothekerin kann dann durch Rückfragen abklären, ob die Kundin bereits einen fiebrigen Infekt oder Schmerzen im Nierenbereich hat. Falls die Anzeichen unauffällig sind, darf die Apothekerin oder der Apotheker dann sofort ein Antibiotikum mitgeben. „Genau hier liegt der große Vorteil in der Schweiz zu arbeiten“, findet Bachmann. Denn wer dort einige Jahre seine Kompetenzen erweitert, dürfte in Deutschland noch bessere und genauere Empfehlungen im Beratungsgespräch formulieren können.
So haben Apotheker und auch dazu ausgebildete Fachkräfte, die als „Fachfrau/Fachmann Apotheke“ (= das dortige Pendant zu PTA mit drei Jahren Ausbildung) bezeichnet werden, in der Schweiz die Befugnis, Kundinnen und Kunden zu impfen, erste Anamnesen für manche Erkrankungen zu stellen oder ihnen Blut abzunehmen. Dafür sind umfangreiche medizinische und anamnestische Zusatzkenntnisse nötig. „Zudem führen Apotheker:innen beispielsweise einen Urintest aus, um bei Infekten etwa einen Nierenbefall oder überhöhte Harnsäure auszuschließen“, ergänzt die Apothekerin.
Andere Medikamente, andere Gepflogenheiten
Fachlich gibt es zwar viele Arzneimittel und Nahrungsergänzungsmittel, die es auch in Deutschland gibt, aber auch ebenso viele, die anders heißen. Hinzu kommen solche Präparate, die in der Schweiz zugelassen bzw. nicht für den deutschen Markt bestimmt sind. „Daher ist eine große Bereitschaft, Neues zu lernen, vonnöten“, so Bachmann. Auch die Kassensysteme und Computersysteme in Schweizer Apotheken seien komplett anders. Hinzu kommen noch sehr verschiedene Gepflogenheiten. In der Schweiz gibt es beispielsweise schon länger ein Dauerrezept, auch Wiederholungsrezept oder Wiederholungsverordnung genannt, das es in Deutschland erst seit 2023 gibt. „Und einer Patientin oder einem Patienten, auf deren oder dessen Rezept etwas unklar ist, würde man in der Schweiz nie das Rezept zurückgeben. Das gilt als unhöflich“, erklärt die Apothekerin. Im Gegenteil, in solch einem Fall kümmere sich immer die Apotheke.
Auf eine korrekte und freundliche Ansprache werde viel Wert gelegt: „Man versucht, so rücksichtsvoll wie möglich mit dem Gegenüber umzugehen. Dies bedeutet, dass man eine 14-Jährige, die etwas älter aussieht, im Zweifelsfall lieber siezt, um keinen Fehler zu begehen. Auch spiele die diskrete Beratung eine große Rolle: „In der Schweiz würde man etwa zur „Pille danach“ nie am HV-Tisch beraten. Dies gehöre dort immer in einem Nebenraum unter vier Augen besprochen.
Wie Apotheker:innen und PTA in der Schweiz arbeiten können
In der Schweiz gibt es Grenzgängerbestimmungen für Städte, die an der Grenze liegen, die es Mitarbeitenden aus Deutschland erleichtern, als Apotheker oder PTA in Schweizer Apotheken zu arbeiten. Für jegliche Abklärung von Bestimmungen ist es ratsam, sich an die „Schweizer Apothekenstelle FPH (Fachgesellschaft für Weiter- und Fortbildung in der Offizinpharmazie)“ zu wenden.
Für die übrige Schweiz gelten andere Bestimmungen. Hinsichtlich PTA liegt die Entscheidungsbefugnis gänzlich bei dem oder der „verantwortlichen Apotheker:in“ oder „verantwortlichen Verwalter:in“. „Bestätigt die verantwortliche Person, dass er die oder den PTA aus Deutschland für seine Offizin benötigt und für fachlich geeignet hält, wird die Behörde diese Entscheidung in aller Regel absegnen“, erklärt Bachmann. Sie oder er kann dann oft ohne vorherige Weiterbildung in einer Apotheke anfangen. Doch es gebe noch die Möglichkeit, sich bei der FPH hinsichtlich der Kompetenzen einstufen zu lassen.
Mindestens 2-jährige Weiterbildung für Apotheker:innen
Bei Apotheker:innen aus Deutschland gilt, dass sie genauso wie die Schweizer Pharmazeut:innen zunächst eine Weiterbildung von mindestens zwei und maximal fünf Jahren bei der FPH absolvieren müssen. Nur dann können sie „in eigener fachlicher Verantwortung“ als verantwortliche Apothekerin bzw. als verantwortlicher Apotheker arbeiten, Rezepte abzeichnen und Rezepte mit den Krankenkassen abrechnen. Jedoch ist es auch möglich, immer in Anwesenheit einer Schweizer Apothekerin oder eines Apothekers, die oder der die geforderte berufsbegleitende Weiterbildung bereits absolviert hat, tätig zu sein.
"Wer taktvoll und lernbegierig ist, passt hier hin", findet Alina Bachmann (Foto :istock/makasana).
Das Schweizer Pendant zur PTA
Ein/e PTA aus Deutschland hat zwar zuweilen ähnliche Ausbildungsinhalte wie die bzw. der dortige „Fachfrau bzw. Fachmann Apotheke e.f.z. mit eidgenössischer Bestätigung“, zuweilen aber auch ganz andere Kenntnisse. Die Ausbildung des Schweizer Pendants „Fachfrau/Fachmann Apotheke“ dauert drei Jahre. Sie umfasst jedoch nicht so stark die Rezeptur. Diese Tätigkeit wird in Schweizer Apotheken nicht vom dortigen Pendant zur hiesigen PTA ausgeübt, sondern von Apotheker:innen und Pharma-Assistent:innen. Gerade dieses andere Einsatzfeld stoße bei manchen deutschen PTA dann auf Enttäuschung, die sehr gerne Rezepturen herstellen. „Aber dafür können sie auf anamnestischem Gebiet deutlich hinzulernen, wenn sie Apotheker:innen begleiten, Patient:innen gesundheitlich aufzuklären.“
Gehalt, Lebenshaltungskosten und Sprachkenntnisse
Das Gehalt ist sowohl bei Apotheker:innen als auch PTA aus Deutschland häufig Verhandlungssache. Apotheker:innen in der Schweiz verdienen oft über 6.000 Franken – das sind umgerechnet knapp 6500 Euro. Die Apothekerin weist aber darauf hin: „In der Schweiz zahlt man allerdings selbst für kleine Wohnungen meist über 2000 Euro Miete – die deutlich höheren Lebenshaltungskosten muss man daher von dem stattlichen Gehalt herunterrechnen.“
Sprachlich ist es hingegen viel einfacher. Sowohl Apotheker:innen als auch PTA müssen in der Regel keine Sprachkenntnisse außer des Hochdeutschen nachweisen. „Denn in allen Schweizer Städten und Dörfern ist der Gebrauch des Schweizerdeutsch inzwischen fast gänzlich verschwunden“, berichtet die Apothekerin. „Eine 90-jährige Kundin wird sich sicher freuen, wenn man sie auf Schweizerdeutsch anspricht. Doch auch sie dürfte problemlos auf Hochdeutsch kommunizieren können.“
Kurzum gilt: Für eine deutschsprachige Region sind keine speziellen Sprachkenntnisse erforderlich. „Anders ist das für eine italienisch- oder eine französischsprachige Region. Hier müssen zwingend gute Italienisch- oder Französischkenntnisse nachgewiesen werden“, so Bachmann. Denn eine Kundin oder ein Kunde könne einfach nicht gut beraten werden, wenn ihre Sprache nicht umfassend verstanden wird.
Für mehr Informationen rät die Apothekerin, sich an die „Kantonapotheker“ des jeweiligen Schweizer Kantons zuwenden, die vergleichbar mit einer Landesapothekenkammer sind. Die PTA oder der PTA könnten sich hier auch freiwillig eine Niveaubestätigung einholen. Das könnte dann ein Vorteil sein für die dortige Arbeitswelt.
Fazit
Der Apothekenalltag in der Schweiz bietet viele neue Perspektiven – sowohl fachlich als auch persönlich. Wer bereit ist, sich auf neue Strukturen, Gepflogenheiten und ein erweitertes Aufgabenfeld einzulassen, kann in der Schweiz wertvolle Erfahrungen sammeln. Nicht alle Aufgabenbereiche sind eins zu eins mit denen in Deutschland vergleichbar, aber die erweiterten Kompetenzen in der Beratung und Patientenbetreuung machen den Beruf dort vielseitiger.
*Name von der Redaktion geändert