Farben, Frequenzen und Feierabendgefühle
Farben wirken tiefer, als wir denken. Sie beruhigen, aktivieren und erzählen Geschichten. Die Apothekenspitzel:in nimmt uns mit auf eine farbenfrohe Reise durch Alltag und Apotheke – mit persönlichen Aha-Momenten.
19:15 Uhr. Die Apothekentür fällt ins Schloss, und ich atme auf. Feierabend! Statt direkt aufs Sofa zu sinken, gönn ich mir noch ein paar Sonnenstrahlen im Park. Zwischen Himmelblau, Baumgrün und Sonnenwarmgelb frage ich mich plötzlich: Warum fühlt sich das eigentlich so gut an? Und: Wäre ein bisschen mehr Farbe in der Apotheke vielleicht auch ganz nett? Spoiler: Ja, wäre es. Und nicht nur nett – sondern richtig sinnvoll.
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Was Farben können und mit uns machen
Farben sind nicht einfach nur Deko. Sie sind viel mehr als das, was wir mit bloßem Auge erkennen – sie haben eine tiefgreifende Wirkung auf unser Gehirn, unsere Emotionen und unseren Körper. Ihr Einfluss reicht bis in unser Nervensystem, wo sie vegetative Funktionen wie Atemfrequenz, Blutdruck und Stoffwechsel beeinflussen. Wir sehen Farben nicht nur, wir fühlen sie auch.
Sie begleiten uns von Geburt an und sind evolutionär tief in unserem Nervensystem verankert. Sie helfen uns, Gefahren zu erkennen, beruhigen uns in stressigen Momenten und unterstützen unsere Orientierung in der Welt. Tatsächlich verarbeitet unser Gehirn bis zu 99 % der Farbimpulse unbewusst – Farben beeinflussen uns weit mehr als wir merken.
Sie dienen uns aber auch als eine Art Orientierungssystem. Wie ein Wörterbuch sind sie in unserem Kopf gespeichert und prägen unsere Emotionen, Entscheidungen und unser Wohlbefinden. Sie wirken nicht nur äußerlich, sie dringen in uns ein, durchlaufen Membranen und entfalten ihre Kraft bis in die tiefsten Ebenen unseres Nervensystems.
Untersuchungen zeigen, dass Farben spezifische räumliche Aktivitätsmuster im Gehirn auslösen. Interessanterweise erzeugen unterschiedliche Helligkeitsstufen einer Farbe ähnliche Muster, während sich verschiedene Farbtöne stärker voneinander unterscheiden. Das bedeutet, dass unser Gehirn Farben, die wir als ähnlich empfinden, tatsächlich auf ähnliche Weise verarbeitet.
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Bestimmte Farben haben spezifische Effekte: Rot steigert Aufmerksamkeit und Energie, Grün wird im Allgemeinen mit positiven Assoziationen wie Natur, Wachstum, Hoffnung, Erneuerung und Gesundheit verbunden. Blau wirkt beruhigend und fördert das Wohlbefinden, Gelb wird als aktivierend empfunden, kann aber auch Unruhe erzeugen.
Farben können also unsere Emotionen lenken – ob bewusst oder unbewusst – und sind daher ein entscheidender Faktor für unser Handeln. Sie helfen uns, uns zu orientieren, Gefahren zu erkennen und uns wohlzufühlen. Sie sind wie ein visuelles Wörterbuch, das unsere Entscheidungen mitprägt – auch am HV-Tisch!
Farben hören? Das geht!
Für manche Menschen ist die Welt nicht nur sichtbar, sondern fühlbar, hörbar – farbig bis in die Tiefe der Sinne. Synästhesie verbindet Buchstaben mit Rot, Zahlen mit Blau, Musik mit goldenen Lichtspielen. Emotionen schimmern in Gelbtönen der Freude oder tauchen in melancholisches Blau. Selbst Namen entfalten farbige Auren – als wären Persönlichkeiten von Licht umgeben.
Doch Farben lassen sich nicht nur sehen. Sie können erklingen. Beim Sonochromatismus wird aus Farbe Ton, aus Licht Klang. Neil Harbisson – farbenblind geboren – hört Farben über eine Antenne in seinem Schädel. Sie übersetzt Wellenlängen in Frequenzen und lässt ihn selbst Unsichtbares wie Infrarot und Ultraviolett wahrnehmen. Eine sinneserweiternde Verschmelzung von Technologie und Wahrnehmung, die zeigt: Unsere Realität ist weit mehr als das, was das Auge sieht. Das klingt total verrückt, oder? Faszinierend ist es auf jeden Fall.
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Farbe bekennen in der Apotheke
Eine durchdachte Farbgestaltung kann Stress reduzieren, Vertrauen schaffen und die Atmosphäre verbessern. Blau im Wartebereich? Beruhigend. Warmes Orange am HV-Tisch? Aktivierend. Und bei der Verpackung von Medikamenten? Farben unterstützen die emotionale Wirkung von Produkten. Dabei beeinflussen bestimmte Farben, wie ein Medikament aufgenommen wird oder welche Assoziationen ein Produkt hervorruft.
Beispielsweise kann die Verpackung von Medikamenten gezielt mit Farben versehen werden, die Vertrauen schaffen. Zudem erleichtert eine einheitliche Farbmarkierung bei Produkten die Orientierung und unterstützt die Kund:innen bei der Auswahl. Auch nehmen verschiedene Helligkeitsstufen Einfluss auf Lesbarkeit und Erkennbarkeit.
Eine Studie bestätigt sogar den positiven Einfluss von Farbe und Licht auf Patienten und Personal von Intensivstationen: die gezielte Farbgestaltung verbesserte den das Gefühl von Geborgen- und Sicherheit der Patient:innen um mehr als 50 % und reduzierte den Medikamentenverbrauch um 30 %.
Zeit für frischen Wind – und frische Farbe
In den nächsten Wochen werde ich auf jeden Fall mal in den Baumarkt ziehen und mir neue Ideen für mein Zuhause holen, vielleicht Gold fürs Esszimmer und Himmelblau fürs Schlafzimmer?
Und die Apotheke? Die reinweiße Funktionalität darf ruhig ein bisschen Farbe abbekommen. Denn Farben machen Räume lebendig – und Begegnungen wertvoll. Im Team sind wir uns einig, mal sehen, was der Chef dazu sagt.
AMIRA fragt: Welche Farben tun dir gut? Wie sieht’s bei euch in der Offizin aus? Teile deine Ideen und Erfahrungen mit deinen Kolleg:innen!