Achtung: Serotonin-Syndrom!

Wenn im Wechselwirkungstool der Software die Gefahr eines Serotonin-Syndroms angezeigt wird, müssen Apothekenmitarbeitende hellhörig werden und unverzüglich reagieren, denn diese Interaktion kann lebensgefährlich werden.

Der Botenstoff Serotonin

Serotonin (chemisch: 5-Hydroxy-Tryptamin) ist ein Gewebshormon und einer der wichtigsten Neurotransmitter im synaptischen Spalt unseres Nervensystems. Es hat in unserem Körper viele wichtige Aufgaben. Die Substanz kommt sowohl im zentralen Nervensystem (ZNS), also in Gehirn und Rückenmark, als auch im peripheren Nervensystem vor. Im ZNS steuert es den Schlaf-Wach-Rhythmus, die Weiterleitung von Schmerzen, die Körpertemperatur und die Emotionen. Aber auch an Lernvorgängen und der Gedächtnisbildung ist es beteiligt. Im übrigen Körper steuert Serotonin die Magen-Darm-Peristaltik, es erweitert Gefäße in Haut und Skelettmuskeln und es verengt Herzgefäße. Außerdem sorgt es für eine Thrombozytenaggegation im Blut.

Serotonin-Syndrom – plötzlich zu viel des Guten

Kommt es im ZNS zu einem Überschuss an Serotonin, kann ein Serotonin-Syndrom, auch serotonerges Syndrom oder zentrales Serotonin-Syndrom genannt, entstehen. Es wird durch die Einnahme von serotonergen Arzneimitteln und/oder durch eine Überaktivierung bestimmter Rezeptoren im synaptischen Spalt sowohl im zentralen als auch im peripheren Nervensystem verursacht.

Medikamentöse Auslöser

Ein Serotoninsyndrom kann durch die therapeutische Einnahme von serotonergen Arzneimitteln alleine, durch eine Überdosierung von serotonergen Arzneimitteln oder am häufigsten durch die Interaktion zwischen zwei serotonergen Arzneimitteln, die nach unterschiedlichen Mechanismen wirken. Der Wirkstoff Tryptophan beispielsweise steigert die Serotonin-Synthese. Stimulanzien wie Ecstasy, Amphetamine oder Nicotin steigern in unserem Körper die Serotonin-Freisetzung. Eine Hemmung der Wiederaufnahme von Serotonin aus dem synaptischen Spalt wird durch verschiedene Antidepressiva (SSRI, SNRI, Trizyclika, atypische Antidepressiva) durch Drogen wie Kokain oder Amphetamine, durch den Hustenblocker Dextrometorphan, durch bestimmte Opioide (z. B. Pethidin) oder durch den pflanzlichen Stimmungsaufheller Johanniskraut bewirkt. 

MAO-A-Hemmer (z. B. Moclobemid und Tranylcypromin) und bestimmte Antibiotika hemmen den Abbau von Serotonin. Das Anxiolytikum Buspiron stimuliert die Serotoninrezeptoren. Einige Triptane stehen ebenfalls im Verdacht, eine stimulierende Wirkung auf die Rezeptoren zu haben. Lithium, das zur Phasenprophylaxe bei bipolarer Erkrankung eingesetzt wird, kann die Serotonineffekte im Stoffwechsel verstärken.

Nicht zu vergessern sind verschiedene CYP-Inhibitoren, die den Abbau der genannten Arzneimittel verzögern und somit für eine längere Wirkung im Körper sorgen. Meist findet ein äußerst komplexes Zusammenspiel an Wirkungen und Wirkmechanismen statt, sodass ein einzelner „Übeltäter“ schwer identifiziert werden kann.

Aufgrund dieser Tatsache ist wahrscheinlich die tatsächliche Inzidenz des Serotonin-Syndroms nicht bekannt. Es gibt keine genauen Fallzahlen. Wahrscheinlich ist die Zahl der tatsächlichen Fälle um einiges höher als die gemeldeten Fälle.


Serotonin (chemisch: 5-Hydroxy-Tryptamin) ist ein Gewebshormon und einer der wichtigsten Neurotransmitter im synaptischen Spalt unseres Nervensystems. Kommt es im ZNS zu einem Überschuss, kann ein Serotonin-Syndrom entstehen.

Symptome und mögliche Folgen

Die ersten Anzeichen eines Serotonin-Syndroms treten meist schnell innerhalb von 24 Stunden nach der Einnahme des oder der serotonergen Arzneimittel auf und können aber sehr unterschiedlich ausfallen. Anfänglich können die Symptome einem grippalen Infekt ähneln. Häufig treten gastrointestinale Symptome wie Durchfall, Verhaltensänderungen und Änderungen des psychiatrischen Status, wie Verwirrtheit, motorische Störungen wie Störungen der Bewegungskoordination sowie die Instabilität autonomer Funktionen (z. B. des Blutdrucks) auf.

Die Symptomatik kann unterschiedlich stark ausgeprägt sein und Symptome wie Hypertonie, Tachykardie, Schwitzen, Zittern, Zuckungen und eine Hyperreflexie zeigen. Aber auch ein Anstieg der Körpertemperatur > 40 °C, innere Unruhe, unwillkürliche Augenbewegung und eine erhöhte Wachsamkeit konnten beobachtet werden. Manchmal kommt es zu einer Muskelsteifheit, zu Krampfanfällen oder zur Entwicklung eines Delirs. Auch können Patient:innen ins Koma fallen oder schlimmstenfalls versterben.

Behandlung eines Serotonin-Syndroms

Ein Serotonin-Syndrom gilt als psychiatrischer und neurologischer Notfall und muss immer ärztlich, meist sogar in einer Klinik, behandelt werden. Es gilt schnell zu handeln und nicht abzuwarten. In erster Linie werden das oder die auslösenden Medikamente abgesetzt. Bei leichten Symptomen reicht dieses Vorgehen meist aus (in etwa 90 % der Fälle). Die weitere Therapie richtet sich nach dem Schweregrad. Bei anhaltenden Beschwerden ergreifen Ärzte und Ärztinnen zusätzliche Maßnahmen. Meist wird symptomatisch behandelt mit Antipyretika gegen das Fieber, Muskelrelaxantien gegen die erhöhte Muskelspannung und Benzodiazepine gegen Krampfanfälle. 

Bei anhaltenden Beschwerden wird außerdem Cyproheptadin verabreicht. Der Wirkstoff ist ein Serotonin-Rezeptor-Antagonist und hemmt den schädlichen Einfluss des Serotonins. Ein schwerwiegendes Serotonin-Syndrom erfordert eine intensivmedizinische Überwachung und Betreuung.

Tipps für die pharmazeutische Beratung

Das pharmazeutische Personal sollte am HV stets wachsam sein und und immer einen Interaktionscheck durchführen. Kund:innen, die ein Medikament zum ersten Mal verordnet bekommen haben, sollten umfangreich beraten werden, ohne dass sie verängstigt werden. Weiterhin sollten sie über die Anzeichen eines Serotonin-Syndroms aufgeklärt und darauf hingewiesen werden, dass sofort bei Auftreten von Symptomen ärztlicher Rat eingeholt werden sollte. 

Bei gemeinsamer Verordnung von mehreren serotonergen Arzneistoffen sollte gegebenenfalls ärztliche Rücksprache mit beiden verordnenden Personen gehalten werden. Bei der Abgabe von Nahrungsergänzungsmitteln und rezeptfreien Arzneimittel sollte immer nach der Einnahme weiterer Arzneimittel gefragt werden.