Kopfkino im Bauch: Darm denkt mit

Die Darm-Hirn-Achse zeigt, wie eng Bauch und Kopf verbunden sind. Erfahre hier, welche Botenstoffe dabei mitspielen und warum dieses Wissen für deine Beratung in der Apotheke wichtig ist.

Die Darm-Hirn-Achse – wenn Bauch und Kopf miteinander sprechen

In der Apotheke suchen Kundinnen und Kunden, die sowohl über Verdauungsprobleme als auch über Stress, Schlafstörungen oder Stimmungsschwankungen berichten, häufig um Rat. Dass all diese Symptome eng zusammenhängen können, ist längst kein vages Bauchgefühl mehr, sondern wissenschaftlich belegt. Die sogenannte Darm-Hirn-Achse beschreibt die enge bidirektionale Verbindung zwischen unserem Verdauungssystem und dem zentralen Nervensystem. Sie zeigt, dass nicht nur das Gehirn Einfluss auf den Magen-Darm-Trakt hat, etwa wenn Stress oder Lampenfieber zu Durchfall oder Bauchschmerzen führt, sondern dass auch der Darm Signale an das Gehirn zurücksendet und so Stimmung, Verhalten und sogar Schlaf beeinflussen kann.

Eine entscheidende Rolle spielt dabei der Nervus vagus, der als direkte Nervenbahn Informationen zwischen Bauch und Kopf austauscht. Beteiligt sind auch die Nervi splanchnici, über die das vegetative Nervensystem Einfluss auf Motorik und Sekretionsvorgänge des Verdauungstrakts nimmt. Eine ebenso wichtige Funktion erfüllt das enterische Nervensystem (ENS), das nicht nur eigenständig Abläufe im Darm steuert, sondern auch neuronale und endokrine Signale an das zentrale Nervensystem sendet.

Auch das körpereigene Mikrobiom ist von großer Bedeutung, denn Darmbakterien und ihre Stoffwechselprodukte beeinflussen Entzündungsprozesse, die wiederum Auswirkungen auf das Gehirn haben können. Spannend wird es, wenn wir das Mikrobiom und seine vielfältigen Aufgaben genauer betrachten. Die Billionen Bakterien, die unseren Darm besiedeln, produzieren zahlreiche Stoffe, die bis ins Gehirn wirken. So wird verständlich, dass der Darm über die Verdauung hinaus eine Schlüsselrolle für unser Wohlbefinden innehat.

Fun fact: In unserem Darm leben tatsächlich mehr Mikroorganismen als wir eigene Körperzellen besitzen. Die aktuelle Schätzung liegt bei etwa 39 Billionen Darmbakterien im Vergleich zu rund 30 Billionen Körperzellen. Die Zahlen sind je nach Quelle leicht unterschiedlich, aber die Größenordnung verdeutlicht das Verhältnis sehr gut.

Die Biochemie hinter der Darm-Hirn-Achse

Besonders interessant ist die Tatsache, dass viele wichtige Neurotransmitter, die mit Stress oder Entspannung im Zusammenhang stehen, nicht ausschließlich im Gehirn gebildet werden. So entstehen etwa rund 90 % des „Glückshormons“ Serotonin im Darm. Es beeinflusst also nicht nur die Darmbewegungen, sondern auch unsere Stimmungslage. Auch Dopamin, der Botenstoff für Motivation und Belohnung, wird teilweise durch Darmbakterien gebildet. Ebenso kann GABA, die Gamma-Aminobuttersäure, die im Nervensystem hemmend und beruhigend wirkt, von bestimmten Milchsäurebakterien produziert werden. Ebenfalls werden Acetylcholin, Katecholamine, Histamin und Melatonin dort gebildet.

Neben diesen bekannten Neurotransmittern spielen auch kurzkettige Fettsäuren wie Butyrat eine Rolle, die beim Abbau von Ballaststoffen im Darm entstehen und sowohl entzündungshemmend als auch neuroaktiv wirken. So wird verständlich, dass ein Ungleichgewicht im Mikrobiom daher nicht nur Verdauungsprobleme verursachen, sondern auch zu Stimmungsschwankungen, Konzentrationsstörungen oder Schlafproblemen beitragen kann.

(Bildquelle: istock/kieferpix)

Beschwerden und Behandlung ganzheitlich betrachten

In der Apotheke ist dieses Wissen daher keineswegs nur ein rein theoretisches „nice-to-know“, denn es hat direkten Bezug zum Alltag in der Offizin. Wenn Kundinnen und Kunden mit Stress, Nervosität oder Schlafstörungen kommen, kann eine Beratung, die auch den Darm mit in den Blick nimmt, sehr wertvoll sein. Pflanzliche Präparate oder Nahrungsergänzungsmittel, die die Verdauung unterstützen, können also indirekt auch das allgemeine Wohlbefinden verbessern. Ebenso wichtig ist die Empfehlung geeigneter Probiotika, wenn sie indiziert sind. Gerade bei Reizdarmsyndrom, nach einer Antibiotikatherapie oder bei wiederkehrenden Infekten können bestimmte probiotische Stämme helfen, das Gleichgewicht im Darm wiederherzustellen – und damit möglicherweise auch das seelische Gleichgewicht zu unterstützen.

Das Wissen über die Darm-Hirn-Achse macht deutlich, dass eine ganzheitliche Betrachtung von Beschwerden in vielen Fällen notwendig sein kann. Wenn Kundinnen und Kunden über Verdauungsprobleme klagen, kann es sich daher lohnen, sie auch noch nach weiteren Begleitsymptomen wie Nervosität, Stimmungstiefs oder Schlafstörungen zu fragen. Umgekehrt sollten bei psychischem Stress auch der Magen-Darm-Trakt und die Verdauung im Blick behalten werden.

Gerade weil dieses Feld intensiv erforscht wird, ist davon auszugehen, dass in den kommenden Jahren immer mehr neue Erkenntnisse aus der Mikrobiomforschung in die Praxis einfließen werden. Schon jetzt prüfen Studien, ob die gezielte Modulation des Mikrobioms künftig auch bei Depressionen, Angststörungen oder neurodegenerativen Erkrankungen eine Rolle spielen könnte. Bleib also am Ball und schau aktiv, was sich auf diesem Feld noch alles entwickelt.

 

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