Fortschritt trifft Beratung: Arbeiten in den Niederlanden

Arbeiten in den Niederlanden? Für Apotheker:innen bietet das Nachbarland attraktive Perspektiven. Für PTA gelten eigene Regeln und ein spezieller Ausbildungsweg. Lies hier Teil IV unserer Auslandsserie.

In unserer Serie werfen wir einen Blick über den Tellerrand und zeigen, wie Kolleg:innen im Ausland arbeiten. Nach der Schweiz und Österreich geht es heute um die Niederlande. Dazu haben wir einen Pressebeauftragten des Apothekerverbands KNMP befragt. Er gibt spannende Einblicke und berichtet von Unterschieden zum deutschen System.

Fortschrittlich und kundenfreundlich

In den Niederlanden geht es im Vergleich zu vielen Ländern Europas digital am fortschrittlichsten zu. Die Niederländer gelten als freundlich und überraschend unkompliziert. „Im Gesundheitssektor bedeutet das für Apothekenkund:innen, dass sie folgendes Alltagsszenario bereits lieben und schätzen gelernt haben“, erzählt der Pressebeauftragte. „Wenn Kund:innen zehn Minuten nach dem Verlassen der Arztpraxis eine E-Mail ihrer Stammapotheke erhalten, stehen dort bereits kundenfreundliche Hinweise wie: ,Ihr Antibiotikum verträgt sich nicht mit Ihrer Dauermedikation – wir klären dies bereits mit Ihrem Facharzt bezüglich einer Alternative.‘“

Medikamente rund um die Uhr verfügbar

Darüber hinaus könne fast jederzeit ein Medikament abgeholt werden. „Wer vergisst, das Arzneimittel rechtzeitig abzuholen, kann seine Apotheke häufig bitten, es für sie oder ihn in einem 24-Stunden-Abholautomaten zurechtzulegen“, ergänzt er. Zugang habe man durch seine eCard oder einen Code, den man per E-Mail erhalte. „Ermöglichen Apotheken keinen Abholautomaten, liefern sie stattdessen die Medikamente. Insofern sind stressreduzierende Services in den Niederlanden offenbar die Regel – vielleicht als Gegengewicht zum stark ausgebauten Onlineapothekenmarkt.“

(Bildquelle: istock/Abscent84)

Ausbildung von Apotheker:innen: Umfangreich und praxisnah

Die Ausbildung ähnelt der deutschen, mit kleinen Unterschieden. Apotheker:innen absolvieren einen dreijährigen Bachelor und einen dreijährigen Master in Pharmazie. Im Master ist eine einjährige praktische Berufsausbildung unter Supervision enthalten – die sogenannte „Beroepsopleiding“.
Kurz gesagt: Ein:e deutsche:r approbierte:r Apotheker:in kann nach Anerkennung und Registrierung ohne lange Weiterbildung arbeiten – vorausgesetzt, Sprachkenntnisse und Formalitäten sind erfüllt.

Mehr Verantwortung in der Beratung

Das niederländische Pharmaziestudium ist so lang wie das Medizinstudium, da es neben pharmakologischem Wissen auch anamnestische Kenntnisse vermittelt. Er erklärt: „Niederländische Pharmazeut:innen beraten in den Offizinen nicht nur, sie übernehmen bereits weitere Dienstleistungen – wie Erstabklärung gängiger Volkskrankheiten und häufig auch einen wiederholten Wechselwirkungscheck für die Dauermedikation ihrer Stammkunden, mögliche Abklärungsuntersuchungen für Organe und Blutbild und Empfehlungen zur Ernährung und zu Nahrungsergänzungsmitteln.“ Diese würden oft auch als praktische Tabellen für die Küchenpinnwand mitgegeben und heißen „Medikationsreviews (Medicatiebeoordeling)“.

Bildquelle: istock/Tarja Jarkanen)

Auch komme niederländischen Apotheker:innen für den Hinweis auf einen nötigen Arztbesuche mehr Verantwortung zu. „Dies liegt daran, dass niederländische Ärzte nur in selten Antibiotika verschreiben – aus Rücksicht auf Antibiotikaresistenzen in Pflegeheimen, Krankenhäusern und Privathaushalten“, so der Ansprechpartner.

In den Niederlanden dürfen die Apotheker:innen zudem auf die Daten der Krankenversicherungskarte zugreifen, um medizinische Grunddaten des Patienten zu erhalten. Neben der Kopie der Gesundheitsinformationen auf der eCard liegt ihnen auch die Medikamentenhistorie der Patient:innen vor.
Berufszugang für deutsche Apotheker:innen

Die Anerkennung des deutschen Pharmaziestudiums, des Praktischen Jahrs und der Berufserfahrung ist unkompliziert. Nach Eintragung ins BIG-Register (Berufsregister) dürfen Apotheker:innen als „openbaar apotheker“ („öffentliche Apotheker“) arbeiten.

Ein größeres Hindernis dürften die Sprachkenntnisse sein: Ein staatlich anerkanntes Zertifikat auf Niveau B2+ (zwischen B2 und C1) ist erforderlich.

Bildquelle: (istock/Valerii Minhirov)

Verhoven betont: „Apotheker:innen mit ausländischem Diplom können dieses über die CIBG-Agentur des Ministeriums für Gesundheit, Wohlfahrt und Sport anerkennen lassen.“ Für Diplome innerhalb des europäischen Raums (EWR) gelten andere Verfahren als für Diplome außerhalb Europas.

Berufszugang für PTA nur nach Ausbildung zu „Apothekersassistent“

Der Beruf des niederländischen „Apothekersassistent“ scheint hingegen streng reglementiert und auch anders befugt zu sein. Ohne ein anerkannten Diplom-Abschluss als „Apothekersassistent:in“ kann eine PTA nicht in einer niederländischen Apotheke arbeiten. Die Ausbildung umfasst drei Jahre (MBO-Abschluss) und ein verpflichtendes Praxisjahr. Danach erfolgt die Registrierung im BIG-Berufsverzeichnis.

Nach ihrem Abschluss erhalten sie mehr Eigenverantwortung. Sie beraten zur Dauermedikation, kommunizieren mit Ärzt:innen und geben verschreibungspflichtige Medikamente ab – oft ohne direkte Aufsicht durch Apotheker:innen. Auch hier gilt: Sprachkenntnisse auf Niveau B2 sind Pflicht, nachgewiesen durch ein staatlich anerkanntes Zertifikat.

Attraktives Gehalt für Apotheker:innen und Apothekenassistenten

Laut Daten aus 2024 liegt das Einstiegsgehalt für Apotheker:innen in den Niederlanden bei 3500 bis 4200 Euro brutto monatlich. Hinzu kommen ein 13. Gehalt, 8 % Urlaubsgeld und Zulagen für Wochenenddienste. Nach fünf bis zehn Jahren steigt das Gehalt auf 4500 bis 5500 Euro, leitende Apotheker:innen verdienen 6500 Euro plus. In manchen Apothekenketten gibt es zusätzlich Boni oder Gewinnbeteiligungen.

Apothekenassistent:innen verdienen laut intermediair.nl wie folgt: In manchen Apotheken in größeren Städten liegt der Verdienst derzeit zwischen knapp 3700 bis 4200 Euro brutto. Das Gehalt scheint sich fast jährlich entsprechend der Bedarfe an den Assistent:innen zu verbessern oder verschlechtern – aktuell liegt der Mittelwert bei 3225 Euro und lag für 2020 sogar bei 3928 Euro.

Lies hier die weiteren Artikel der Auslandsserie über die Schweiz, Österreich und Dänemark.