Wenn die Abwehr müde wird: Immunfunktionen im Alter
Mit dem Alter wird das Immunsystem schwächer: Infekte, chronische Krankheiten und Impfversagen nehmen zu. Vor allem im Herbst sind ältere Menschen besonders gefährdet. Was ist wichtig zu wissen?
Mit dem Herbst beginnt nicht nur die bunte Jahreszeit, sondern auch die Hochsaison für Erkältungen und Infekte. Gerade ältere Patient:innen sind in dieser Zeit besonders anfällig für Infektionskrankheiten. Doch warum ist das so? Die Antwort liegt im alternden Immunsystem, das sich im Laufe des Lebens grundlegend verändert und zahlreiche Herausforderungen mit sich bringt – für die Betroffenen selbst, aber auch für das medizinische und pharmazeutische Fachpersonal.
Immunoseneszenz: Das passiert mit dem Immunsystem im Alter
Der Begriff „Immunoseneszenz“ beschreibt die altersbedingten Veränderungen des Immunsystems. Mit zunehmendem Alter kommt es sowohl im angeborenen (innaten) als auch im erworbenen (adaptiven) Immunsystem zu funktionellen Einbußen. Die Studie von Fuentes et al. (2017) zeigt, dass ältere Menschen häufig unter einer chronisch niedrigen Entzündungsaktivität („inflammaging“) leiden, die mit einer erhöhten Produktion proinflammatorischer Zytokine einhergeht. Gleichzeitig nimmt die Fähigkeit des Immunsystems ab, auf neue Krankheitserreger adäquat zu reagieren.
Im angeborenen Immunsystem sind vor allem die Barrierefunktionen der Haut und Schleimhäute beeinträchtigt. Die Regeneration der Hautzellen verlangsamt sich, die Schleimproduktion nimmt ab und die Funktion von Immunzellen wie den dendritischen Zellen verschlechtert sich. Auch die Produktion von Immunglobulin A, das in den Schleimhäuten eine wichtige Rolle spielt, sinkt im höheren Alter.
Im adaptiven Immunsystem kommt es zu einer Abnahme der naiven T-Zellen durch die altersbedingte Rückbildung des Thymus. Die Folge: Die Immunantwort auf neue Antigene ist deutlich eingeschränkt. Gleichzeitig steigt die Zahl der Gedächtnis-T-Zellen, die jedoch weniger flexibel auf neue Erreger reagieren können. Auch die B-Zell-Funktion nimmt ab, was die Antikörperproduktion schwächt.
Folgen: Infektionen, chronische Erkrankungen und Impfversagen
Die beschriebenen Veränderungen führen dazu, dass ältere Menschen häufiger und schwerer an Infektionen erkranken. Auch die Anfälligkeit für chronische Erkrankungen wie Krebs oder Autoimmunerkrankungen steigt. Die Immunoseneszenz ist zudem ein Grund dafür, dass Impfungen im Alter oft weniger wirksam sind. Die reduzierte Produktion von Antikörpern und die eingeschränkte T-Zell-Antwort führen dazu, dass der Impfschutz schwächer ausfällt und schneller nachlässt.

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Ein weiteres Problem ist die erhöhte Neigung zu chronisch-entzündlichen Prozessen. Die ständige, niedriggradige Entzündungsaktivität („inflammaging“) begünstigt die Entstehung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes und neurodegenerativen Erkrankungen. Die Studie hebt hervor, dass diese Prozesse nicht nur die Lebensqualität, sondern auch die Lebenserwartung älterer Menschen negativ beeinflussen können.
Herausforderungen für die Medikamenteneinnahme im Alter
Mit dem Älterwerden verändern sich nicht nur das Immunsystem, sondern auch die Pharmakokinetik und -dynamik vieler Arzneimittel. Die veränderte Immunlage kann dazu führen, dass neben Impfstoffen auch Medikamente, die das Immunsystem beeinflussen (z. B. Immunsuppressiva), anders wirken als bei jüngeren Patient:innen. Hinzu kommt, dass ältere Menschen häufig mehrere Medikamente gleichzeitig einnehmen (Polypharmazie), was das Risiko für Wechselwirkungen und Nebenwirkungen erhöht.

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Ein weiteres Problem ist die erhöhte Empfindlichkeit gegenüber Infektionen durch immunsuppressive Therapien, wie sie beispielsweise bei Autoimmunerkrankungen oder nach Organtransplantationen eingesetzt werden. Da die Wirksamkeit von Impfungen bei älteren Patient:innen reduziert ist, werden zusätzliche Schutzmaßnahmen (z. B. Hochdosis-Impfstoffe oder adjuvantierte Impfstoffe) empfohlen. Außerdem rät die Ständige Impfkommission Menschen ab 60 Jahren, sich zusätzlich gegen Grippe, Pneumokokken, Herpes zoster (Gürtelrose), COVID-19 und und ab 75 Jahren ergänzend auch gegen das Respiratorische Synzytial-Virus (RSV) zu impfen.
Beratung und Prävention
Für Apothekenteams bedeutet dies, dass sie eine wichtige Rolle in der Prävention und Beratung älterer Patient:innen einnehmen. Dazu gehört die Aufklärung über die Bedeutung von Impfungen, die Erkennung von Infektionsrisiken und die Beratung zu unterstützenden Maßnahmen wie Hygiene, Ernährung und Bewegung. Auch die Überprüfung der Medikation auf mögliche Wechselwirkungen und die Sensibilisierung für Nebenwirkungen sind zentrale Aufgaben.
Die Studie von Fuentes et al. betont, dass die Beobachtung von Veränderungen im Immunsystem älterer Menschen ein wichtiger Biomarker für die Bewertung und Optimierung von Therapien sein kann. Ein geschulter Blick auf die besonderen Bedürfnisse älterer Patient:innen kann daher dazu beitragen, deren Lebensqualität und Gesundheit zu erhalten.
 
  
  
 