Wenn die Rückenschmerzen aus dem Kiefer kommen

Nicht immer liegen die Ursachen von Rückenschmerzen auch wirklich im Rücken. Auch Fehlfunktionen bzw. -stellungen in den Kiefergelenken und Zähnen können zu massiven Rückenbeschwerden führen. Was sind die Ursachen?

Hinter dem Beschwerdebild, das wir heute in unserer Reihe zu Schmerzen behandeln, versteckt sich die sogenannte craniomandibuläre Dysfunktion (CMD). Der Begriff leitet sich von „Cranium“ (Schädel), „Mandibula“ (Unterkiefer) und „Dysfunktion“ (Fehlfunktion, Störung) ab. Dabei handelt es sich um Kaufunktionsstörungen, welche die Zähne, Kiefergelenke und Kaumuskulatur sowie die neurophysiologische Steuerung des Kausystems betreffen können. Schätzungen besagen, dass etwa 15 Prozent der Erwachsenen in Deutschland betroffen sind.

Welche Symptome haben Betroffene?

Patienten mit CMD haben meist Schmerzen und Bewegungseinschränkungen im Hals-Kopf-Bereich. Die Kiefergelenke können einseitig oder beidseitig, in Ruhe oder bei Belastung und sowohl im Ober- als auch im Unterkiefer betroffen sein. Richtige Zahnschmerzen sowie eine Berührungsempfindlichkeit sind ebenfalls möglich. Im fortgeschrittenen Stadium kann es auch zu Gelenkluxationen oder „Maulsperre“ kommen. Ein Knacken und Reiben im Kiefergelenk kann sich beim Kauen oder Sprechen ebenfalls bemerkbar machen. Durch das häufig nächtlich auftretende Zähneknirschen (Bruxismus) oder Zusammenpressen der Kiefer, entstehen schnell Schäden am Zahnschmelz sowie massive Muskelverspannungen und Schmerzen im gesamten Schädel-, Nacken- oder Rückenbereich.

Es ist bekannt, dass Bruxismus einer der Mechanismen ist, die unser Körper nutzt, um nervliche oder seelische Anspannung im Schlaf zu bewältigen. Gerade morgens kann es zu regelrechter Muskelsteifheit kommen. Im Körper entsteht eine sich bis in den Rücken fortpflanzende „Verspannungskaskade“ mit verhärteten und schmerzenden Muskeln. Unser Mund und unsere gesamte Körpermuskulatur sind eng miteinander verbunden. Beim Kauen, Sprechen und Lachen bewegen wir neben unserem Kiefer auch Kopf, Hals, Rücken und Extremitäten. Gut zu wissen: An einem herzlichen Lachanfall sind 135 Muskeln im gesamten Körper beteiligt.

Wie wird die CMD behandelt?

Da die Beschwerden so vielfältig und verschieden sind, ist eine ganzheitliche Therapie mit interprofessionellem Versorgungsansatz notwendig, bei der Fachkräfte der Zahnmedizin, Kieferorthopädie, Physiotherapie, Osteopathie und Psychotherapie beteiligt sind. Haben die Betroffenen auch eine Grunderkrankung wie Rheuma oder Arthrose, sollte auch ein Rheumatologe hinzugezogen werden.

Nachdem nicht passende Zahnkontakte zahnärztlich ausgeglichen und unpassender Zahnersatz erneuert wurden, wird eine sogenannte Aufbiss-Schiene verordnet. Diese individuell gefertigte Kunststoffschiene gilt als wichtigste Therapiemaßnahme, um das Knirschen zu verhindern und den Druck beim Pressen gleichmäßig zu verteilen. Die Kiefergelenke werden entlastet und Fehlstellungen behoben. Die Muskulatur entspannt sich und langfristig kommt es auch zu einer Neuorganisation der Kaumuskulatur, da sich Muskeln und Nerven neu verschalten.

Diese zahnärztlichen Maßnahmen werden durch physiotherapeutische und/oder osteopathische Behandlungen unterstützt. Die Verspannungskaskade kann durchbrochen und die Muskulatur gelockert werden. Durch aktive und passive Übungen sowie Kälte-, Wärme- und Ultraschalltherapie werden die Muskeln und das Bindegewebe besser durchblutet. Eine bessere Koordination der Kiefer wird ebenfalls erreicht.

Mithilfe von Psychotherapie, Biofeedbackverfahren und verschiedenen Entspannungsmethoden (Yoga, progressive Muskelentspannung, autogenes Training) lassen sich Stress reduzieren oder eventuell vorhandene, ursächliche psychische Erkrankungen wie Depressionen oder Persönlichkeitsstörungen gezielt behandeln.

Zurzeit werden Injektionen mit Botulinumtoxin, einem starken Nervengift, untersucht. Dadurch soll die Funktion bestimmter Kaumuskeln gedämpft, aber nicht gelähmt werden. Die normale Kaufähigkeit muss unbedingt erhalten werden. Wichtig ist, dass die Injektionen von einem Arzt bzw. von einer Ärztin gesetzt werden, die Erfahrung mit Botox (meist aus den Fachgebieten plastische Chirurgie, Neurologie, Dermatologie) haben. Denn die Wirkung hält circa ein Jahr an.

Was gibt es in der Apotheke?

Therapiebegleitend werden auch Arzneimittel wie entzündungshemmende Schmerzmittel (NSAR), Kortikoide oder Muskelrelaxantien eingesetzt. Auch Schlaf- und Beruhigungsmittel oder Antidepressiva werden bei entsprechender Indikation verordnet. Damit die Betroffenen schnell die richtige Therapie bekommen, gilt es bei Zahn- oder Kieferschmerzen nicht nur ein Schmerzmittel für eine momentane Besserung abzugeben, sondern nachzufragen und dringend einen baldigen Besuch beim Zahnarzt oder Kieferorthopäden zu empfehlen. Das gilt erst recht bei unklaren Rückenbeschwerden. Äußern Kunden sich in dieser Richtung, sollten sie auf die mögliche Ursache "craniomandibuläre Dysfunktion" hingewiesen werden.

AMIRA fragt: Haben Kundinnen oder Kunden dir schon einmal von Problemen mit Rücken- oder Verspannungsschmerzen berichtet, die ihren Ursprung im Kiefer haben? Hast du selbst Erfahrungen mit "Bruxismus"? Wie hast du das in den Griff bekommen?