Welt-Down-Syndrom-Tag: Lichtblicke und eine neue Gefahr

Down-Syndrom, Trisomie 21 und früher das unsägliche „Mongolismus“: Die so unterschiedlich genannte Abweichung im Chromosomensatz des Menschen führt zu Behinderungen, die teilweise auch heute noch in Diskriminierung münden. Aber es gibt Lichtblicke. Und eine neue Gefahr.

Heute, am 21. März ist Welt-Down-Syndrom-Tag. Ins Leben gerufen wurde er von der Down Syndrome International (DSi) und der European Down Syndrome Association (EDSA), um das öffentliche Bewusstsein für das Leben mit Down-Syndrom zu steigern und die Rechte und Chancen der Betroffenen zu fördern. Seit 2006 findet er jedes Jahr an diesem Tag statt. Wie das Syndrom entsteht und welche Einschränkungen die Betroffenen haben erfahrt ihr hier genauso, wie den Grund, warum gerade dieses Datum gewählt wurde.

Die Ursachen

Zurück geht die Bezeichnung „Down-Syndrom“ auf den Briten John Langdon Down, der im Jahr 1866 die äußeren Merkmale der Betroffenen beschrieb und dabei auch auf die Lernfähigkeit der Menschen abhob. Erst 1959 entdeckte der Franzose Jérôme Lejeune die organischen Ursachen: Das Down-Syndrom ist eine genetische Besonderheit, bei der das Chromosom 21 dreifach statt zweifach vorhanden ist. Bei der Zellteilung aus Vorläuferzellen mit doppeltem Chromosomensatz kann es zu einer Fehlverteilung der Chromosomen kommen, so dass eine Keimzelle zwei statt einem Chromosom 21 erhält. Wenn diese Keimzelle mit einer normalen Keimzelle verschmilzt, entsteht eine befruchtete Eizelle mit drei statt zwei Chromosomen 21. Dies nennt man Trisomie 21. Die Trisomie 21 kann in allen Körperzellen vorkommen (freie Trisomie 21) oder nur in einem Teil der Zellen (Mosaik-Trisomie 21). Häufigste Form ist die freie Trisomie 21, sie macht etwa 95 Prozent aller Fälle aus. Die Mosaik-Trisomie 21 entsteht durch eine fehlerhafte Zellteilung nach der Befruchtung und ist etwa ein bis zwei Prozent aller Fälle anzutreffen.

Datum 21.3. – weil: Chromosom 21, 3-fach vorhanden

Das Down-Syndrom ist die häufigste angeborene Chromosomenabweichung beim Menschen. Als Risikofaktor gilt ein erhöhtes Alter der Mutter, diskutiert wird, ob auch ein höheres Alter des Vaters ein Risiko darstellt. In Deutschland werden etwa 1200 Kinder pro Jahr mit Down-Syndrom geboren. Und um das Rätsel um das Datum für diesen Aktionstag aufzulösen: Es ist der 21.3., weil Chromosom 21 3-fach vorhanden ist.

Behinderungen? Ja. Aber die Lebenserwartung steigt!

Das Down-Syndrom kann verschiedene körperliche und geistige Merkmale verursachen, wie z.B. ein charakteristisches Aussehen (daher der früher geläufige Name „Mongolismus“), Herzfehler oder eine unterschiedlich starke geistige Beeinträchtigung. Ausprägung und Verlauf hängen jedoch von vielen Faktoren ab, folglich sind sie individuell sehr verschieden: Betroffene können geistig schwer gehandicapt sein, aber auch eine annähernd durchschnittliche Intelligenz besitzen. Frühkindliche Förderung, logopädische, ergo- und physiotherapeutische Behandlung und weitere integrative Maßnahmen können Menschen mit Trisomie 21 durchgreifend helfen. Auch andere gesundheitliche Probleme, wie etwa obstruktive Schlafapnoe, Herzfehler, Darmprobleme, Fehlbildungen des Skeletts oder Schwierigkeiten mit dem Gehör und der Schilddrüse lassen sich heute behandeln. Wegen der Unterschiede bei der organischen Vorbelastung kann die Lebenserwartung von Menschen mit Down-Syndrom dennoch individuell stark variieren. Zum Glück hat der medizinische Fortschritt dazu beigetragen, ihre Lebenserwartung deutlich zu heben.  Sie liegt heute bei etwa 60 Jahren, während vor gut 100 Jahren die meisten Menschen mit Down-Syndrom das Kindesalter nicht überlebten. Mittlerweile erreicht jeder zehnte Mensch mit Down-Syndrom das 70. Lebensjahr.

 

Schulische und berufliche Gleichstellung hakt

Während man diese Entwicklung als durchaus ermutigend bezeichnen kann, steht es mit anderen Umständen weiterhin nicht zum Besten, so mit der schulischen und beruflichen Teilhabe. Zwar haben behinderte und geistig eingeschränkte Kinder laut UN-Konvention das Recht, eine Regelschule zu besuchen, aber in Deutschland steht diese Entwicklung allenfalls am Anfang. Zudem ist es durchaus nicht Konsens, dass solchen Kindern in der Regelschule eine bessere geistige und persönliche Entwicklung gelingt, manche Experten plädieren nach wie vor für das etablierte System von Förder- bzw. Sonderschulen. Auch die berufliche Integration in den ersten Arbeitsmarkt ist noch nicht geglückt, viele Betroffene arbeiten zu geringen Entgelten in sogenannten Behindertenwerkstätten. Dabei sind Unternehmen mit mehr als 20 Angestellten eigentlich verpflichtet, auf fünf Prozent ihrer Stellen Behinderte zu beschäftigen. Die meisten zahlen aber lieber eine Ausgleichsabgabe, die der Staat dann an Unternehmen weiterreicht, die Menschen mit Behinderung anstellen.

Dennoch gelingt es einigen betroffenen Menschen, erstaunliche Karrieren als Schauspieler, Künstler oder sogar Model zu ergreifen. Zwei Beispiele nur: 2015 lief das australische Model Madeline Stuart über den Laufsteg der New Yorker Fashion Week, seither nahm sie an vielen weiteren Modenschauen teil. Die deutsche Schauspielerin Carina Kühne hat ebenfalls Trisomie 21 und wirkte in verschiedenen Filmen und Fernsehserien mit. Beide sind Vorbilder für Menschen mit Down-Syndrom.

Neuer Test verfügbar

Das eigentliche Problem betrifft aber gar nicht die Menschen, die mit dem Down-Syndrom leben müssen. Sondern die, die es wegen einer pränatal festgestellten Trisomie 21 gar nicht erst beginnen dürfen. So sieht es, neben vielen anderen Initiativen auch, der Bundesverband Lebensrecht e.V.. Denn während früher eine vorgeburtliche Diagnose nur via Punktion der Fruchtblase möglich war, bei der Fruchtwasser entnommen wurde, um die darin schwebenden embryonalen Zellen auf Trisomie 21 untersuchen zu können, sind heute nicht-invasive Bluttests am Markt, die die Diagnose viel unkomplizierter und risikoärmer machen. In Deutschland sind diese Test seit einem dreiviertel Jahr zugelassen und werden in „begründeten Fällen“ auch von der Krankenkasse gezahlt. Welche das sind, ist gesetzlich nicht geregelt. Positiven Ergebnissen folgt in den allermeisten Fällen die Abtreibung.

 

Lebensschützer kritisieren

Alexandra Linder, Vorsitzende des Bundesverbands Lebensrecht sagte angesichts der neuen Testmöglichkeiten zum Welt-Down-Syndrom-Tag: „Inklusion beginnt (…) schon vor der Geburt. Es ist unglaubwürdig, für Kinder mit genetischen Besonderheiten, Behinderungen und Krankheiten nach der Geburt alles zu tun, was möglich ist, und gleichzeitig vor der Geburt gezielt nach solchen Kindern zu suchen, um sie dann abzutreiben.“

Ein heftiger Vorwurf, der sich aber angesichts der Entwicklungen in anderen Ländern, in denen der Test schon länger verfügbar ist, kaum von der Hand weisen lässt. In den Niederlanden soll sich – obwohl der Test anteilig selbst finanziert werden muss – bereits jede zweite Frau einer derartigen Untersuchung unterziehen. In Dänemark, das den Test schon 2004 freigegeben hat, seien im Jahr 2019 nur noch sieben Kinder mit Down-Syndrom geboren worden, so Linder. Das zeige die zunehmende Tendenz, Menschen mit Trisomie 21 den Eintritt ins Leben zu verwehren. Für Linder eine unethische Entwicklung. Ihr Argument: „Der Mensch ist mehr als eine Ansammlung von Genen. Auf Mitmenschen angewiesen zu sein, ist eine Grunddimension des Lebens, keine Behinderung. Unsere Bestimmung als Mitmenschen ist es, dem Leben zu dienen, Nöte zu lindern und Krankheiten zu heilen. Der Staat ist für die ethischen wie praktischen Rahmenbedingungen zuständig, die das Lebensrecht jedes Menschen wahren und ein menschenwürdiges Leben ermöglichen.“

 

Fazit mit Licht und Schatten

Menschen mit Down-Syndrom haben heute bessere Möglichkeiten als früher, ein längeres, selbstbestimmtes und erfülltes Leben zu führen. Sie können von besserer Medizin, frühkindlicher Förderung, sowie immer häufiger von integrativer Bildung, beruflicher Qualifizierung und sozialer Teilhabe profitieren. Dennoch gibt es immer noch Vorurteile und Diskriminierung in der Gesellschaft, die ihre Entwicklung und Integration erschweren. Zugleich führen neue Diagnosemöglichkeiten dazu, dass künftig wohl immer weniger Kinder mit Trisomie 21 geboren werden. Ob das wünschenswert oder eher problematisch ist, ist eine schwierig zu beantwortende Frage.

AMIRA fragt: Wohl kaum jemand ist gegen stärkere Teilhabe und bessere Förderung bzw. Integration von Menschen mit Trisomie 21. Vielleicht kennt ihr positive, mutmachende Beispiele, die ihr uns hier schildern möchtet. Anders könnte es mit eurer Meinung zu den Bluttests aussehen. Wenn ihr euch auch dazu äußern wollt – wir sind gespannt.