Gesundheitswesen: Harte Zeiten für Kinder
Die derzeitige Lage von sensiblen Patientengruppen wie Kindern ist kein Zuckerschlecken. Warum ich damit nicht nur den Apothekenalltag meine und was das mit Gummibärchen zu tun hat.
Fast in jeder Apotheke, in der ich gearbeitet habe, gab es eine Schublade mit Give-aways für Kinder. Traubenzucker, Gummibärchen und manchmal sogar einige Sandkastenspielzeuge hatten wir für die kleine Kundschaft parat. Klar, Kinder lieben Süßes und kennen es von ihren Apothekenbesuchen. Auch von mir bekommen sie etwas, vorher frage ich aber die erwachsene Begleitperson immer, ob das Kind etwas Süßes haben darf. Ich möchte ja nicht die hart durchgezogene zuckerfreie Ernährungsweise mancher Eltern negativ beeinflussen. Direkt von den Kindern wurde und werde ich in den seltensten Fällen gefragt und wenn ich zwei Geschwisterkinder am HV-Tisch habe, erhalten sie auch separate kleine Gummibärchen-Tütchen von mir. Ich habe zwar nie explizit nachgezählt, wie viele Gummibärchen in dem kleinen Tütchen drin sind, aber mehr als drei bis maximal vier Stück dürften es nicht sein.
Kürzlich habe ich die Erfahrung gemacht, dass eine ältere Kollegin nur ein Tütchen rausgegeben hat für zwei Geschwisterkinder. Wollte Sie in Zeiten von Inflation und Sparmaßnahmen in der Apotheke das Budget schonen? Oder die Kinder zum Teilen animieren? Oder beides? Jedenfalls habe ich das für mein Handeln bis zu diesem Moment nie hinterfragt. Da wir selten zusammenarbeiten und viel los war, konnte ich sie an dem Tag nicht fragen. Beim nächsten Mal werde ich das aber tun, einfach aus Neugier. Man lernt ja immer dazu.
Kinder haben keine Lobby
Wenn Kinder nun ihre Gummibärchen aufgrund von Sparmaßnahmen teilen müssten, wäre das das kleinste Übel. Viel schlimmer ist doch, dass wir wichtige Medikamente für sie nur sehr schwer bekommen. Bei Fieber- und Schmerzmittel dürfte sich die Lage etwas entspannt haben, aber bei Antibiotika (und aktuell bei Salbutamol-Sprays) sieht die Lage düster aus. Eine Entspannung ist nicht in Sicht. Ich lese zwar immer wieder davon, dass es bis Herbst besser werden soll. Aber ganz im Ernst: Wer glaubt denn daran und woher sollen die ganzen Antibiotika-Säfte auf einmal herkommen?
Wenn dann Mittel verfügbar sind, müssen Eltern manchmal lange Fahrten unternehmen. Medienberichten zufolge kommt es immer wieder zu Fällen, wo kilometerlange Wege in Kauf genommen werden müssen. Für Autokonzerne oder Fluggesellschaften gibt es schonmal Rettungspakete und Staatshilfen (erinnern wir uns mal an die Pandemie zurück …), beim Essenziellen unseres Daseins – unserer Gesundheit – muss aber immer gespart werden. Das trifft vor allem die Schwachen der Gesellschaft. Kinder haben keine Lobby und können auch ihre Meinung nicht äußern. Sie müssen das Ganze einfach hinnehmen, aber zu welchem Preis?
Änderung der ärztlichen Approbationsordnung: Kinderärzte schlagen Alarm
Anlass zur Sorge bereitet auch die medizinische Betreuung. Kinder sind keine kleinen Erwachsenen und die Pharmakotherapien, insbesondere die Dosierungen, können nicht einfach übertragen und runtergerechnet werden. Aufgrund der Unterschiede in Resorption, Verteilungsvolumen, Leistungsfähigkeit von Leber und Niere sowie Pharmakodynamik gibt es vieles zu beachten. Pädiatrische Fachkenntnisse sind für eine adäquate Behandlung daher von besonderer Bedeutung.
Für zukünftige Ärztinnen und Ärzte wurde kürzlich der Entwurf einer neuen Ärztlichen Approbationsordnung (ÄApprO) vorgelegt. „Die fachgerechte Versorgung von Kindern und Jugendlichen wird darin marginalisiert“, warnt die Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin (DGKJ) in einer Pressemitteilung. Hintergrund ist, dass die Kinder- und Jugendmedizin dadurch nicht mehr Teil des klinischen Pflicht-Unterrichtes während des Medizinstudiums wird. Auch im ambulanten Pflicht-Praktikum und im Praktischen Jahr (PJ) in der hausärztlichen Versorgung ist die Kinder- und Jugendmedizin nur eine Wahlmöglichkeit ohne Bedeutung für die Prüfung zum Studienabschluss. Wird die neue ÄApprO so umgesetzt wie vorgestellt, wird es möglich sein, Ärztin oder Arzt zu werden, ohne während der Ausbildung je ein krankes Kind gesehen und untersucht zu haben.
Es geht um 14,25 Millionen Kinder und Jugendliche in Deutschland
„Nur ein Bruchteil der Medizinstudierenden wird noch lernen, wie man erkrankte Kinder behandelt. Dies wird unvermeidbar negative Auswirkungen auf die Qualität der Ausbildung und zeitversetzt der medizinischen Versorgung von Kindern haben“, mahnt Professor Dr. Jörg Dötsch, Präsident der DGKJ. Der Generalsekretär der DGKJ, PD Dr. Burkhard Rodeck, ergänzt: „Wir appellieren dringend, das verpflichtende Blockpraktikum in der Kinder- und Jugendmedizin beizubehalten, um hier nicht schon sehr bald vor der dramatischen Situation zu stehen, dass kranke Kinder zur unbekannten Größe der medizinischen Tätigkeit werden“. Wie traurig ist bitte der letzte Satz?
In der Apotheke sind Kinder zwar eine bekannte Größe, aber für ihre notwendigen Arzneimittel sind häufig die Lieferdaten unbekannt. In Sachen Gesundheit haben wir es heutzutage mit so vielen Variablen zu tun, dass uns sogar die Mathematik nicht mehr weiterhelfen kann. So viel zum Thema bekannte/unbekannte Größe ...