Jetzt zeigen wir es der Politik – mit Postkarten!

Der Protest-Tag ist nun einige Wochen her, getan hat sich danach gefühlt nur wenig. Die Eskalations-Strategie der ABDA lässt zu wünschen übrig, schreibt die Apothekenspitzel:in in ihrer neuen Kolumne.

Apotheken möchten mit ihren Forderungen von der Politik endlich gehört werden, es muss sich was ändern. Honorarkürzungen, Retaxierungen, Bürokratie-Irrsinn etc. können nicht die Zukunft der Apotheke vor Ort sein. Wir überlegen uns da mal was Tolles, dachte sich die ABDA. Und siehe da: Es geht weiter mit der „Eskalation“. Wer jetzt denkt, wir gehen auf die Barrikaden, der irrt sich. Stattdessen starten wir mal ganz analog eine Postkarten-Aktion, die Politiker wird es sicher wachrütteln. 

Wer hat sich das ausgedacht? 

Wikipedia versteht unter Eskalation Verhaltensmuster im Konfliktmanagement und in der Politik, die zum Übergang eines Konfliktes in einen höheren Intensitätsgrad durch sich wechselseitig verschärfende Aktionen und Reaktionen beitragen (…). Aha, also wenn Oma Hildegard was Nettes auf die Postkarte schreibt (die dann noch von der Apotheke zum Gesundheitsministerium geschickt werden soll), dann hat das einen höheren Intensitätsgrad als ein Protest-Tag, an dem die Apotheken geschlossen haben. Interessant. 

Ich kann mich nicht damit anfreunden. Das soll die richtige Strategie sein? Nie im Leben! Wir haben in der Apotheke doch ohnehin wenige Kapazitäten und dann sollen wir noch die Kunden um paar nette Zeilen für uns bitten und vorher natürlich freundlich auf die Datenschutzerklärung hinweisen? Und das auch noch selbst einschicken? Das ist doch Schwachsinn. So eskaliert man doch nicht. Wir brauchen viel härtere Maßnahmen! Wir könnten z. B. mal an einem Montagvormittag (wo erfahrungsgemäß viel Betrieb ist) bundesweit die Apotheken schließen oder vielleicht mal mit den Ärzt:innen zusammen streiken, auf die Straßen gehen und Praxen sowie Apotheken dicht machen. Das wäre doch mal ein Ansatz. 

Niemand will für Gesundheit bezahlen 

Vielleicht liegt der drohende Misserfolg der Eskalation aber auch gar nicht daran, dass die ABDA zu Wattebäuschchen greift, statt zum Holzhammer. Vielleicht liegt das Problem viel zu tief, als dass eine Apotheker-Standesvertretung es adressieren und lösen könnte. Wenn es um teure Autos, Markenkleidung, regionales Bio-Gemüse, etc. geht, sind die Menschen bereit zu zahlen. Aber Gesundheit darf nichts kosten.

Hauptsache kostenlos - niemand möchte bezahlen... (Bild: Dr. Erol Yilmaz)

Selbst Apotheker:innen mit ihren drei Staatsexamen müssen sich gegenüber der Arztpraxis oft genug erklären, warum sie hier noch eine Unterschrift der verordnenden Person brauchen oder warum eine andere Packungsgröße aufgeschrieben werden muss, weil die Verordnung sonst nicht abzurechnen ist. Das ist Zeit, die von der Beratung abgeknapst werden muss. Ist das nötig? Zumal die Anrufe aus der Apotheke in der Arztpraxis nicht immer mit Begeisterung entgegengenommen werden – wir kennen es aus dem Alltag.  

Generell lautet die Frage doch: Warum darf man mit Gesundheit nicht Geld verdienen? Ist das unethisch? Eine Apotheke hat doch auch laufende Kosten, die müssen auch irgendwie gestemmt werden. Die Gehälter sind nicht markt- und verantwortungsgerecht. Und und und Kein Wunder, dass manche PTA-Kolleg:innen die Ferne suchen und lieber im Supermarkt für mehr Geld arbeiten.  

Die Kundschaft schätzt an der Apotheke die kostenlose Beratung, wie auch auf der abgebildeten Postkarte zu erkennen ist. Aber was immer kostenlos ist, ist doch nichts wert, oder? Warum wird die Arbeit in der Apotheke so wenig wertgeschätzt, aber gleichzeitig sind Leute bereit, für eine:n Heilpraktiker:in 70 bis 120 Euro die Stunde auszugeben? Auf die (fehlende) Qualifikation möchte ich schon gar nicht eingehen. Warum darf ein Rechtsanwalt dreistellige Beträge abrufen und wir kämpfen gegen die Kürzungen der ohnehin mickrigen Honorare?  

Irgendwann bricht das System zusammen. Postkarten sind, so glaube ich, keine stabile Stütze. Geschweige denn unsere Rettung.