„Zerstörung“, „Kriegserklärung“: Lauterbach bringt Apotheker endgültig gegen sich auf
Der heutige „Tag der Antworten“ wurde zum Fiasko. Die Rede von Bundesgesundheitsminister Lauterbach und vor allem seine Pläne für die Apotheken kamen nicht gut an.
Mit Spannung wurde erwartet, was der von der ABDA Anfang September ausgerufene „Tag der Apotheken“ am heutigen Mittwoch, der zugleich den Beginn des Deutschen Apothekertags 2023 (DAT) in Düsseldorf markiert, bringt. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) sollte auf sechs Fragen antworten, die ihm die ABDA vorab hatte zukommen lassen.
Doch dieser sorgte im Vorfeld für einen Eklat. Mit der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ teilte er seine Ideen, wie die Zukunft der Apotheken aussehen soll. Die ABDA erfuhr von seinen Ideen ebenfalls erst aus der Zeitung. Der am Dienstag erschienene Artikel, hier zu lesen hinter einer Paywall, sorgte in der Branche für ein großes Echo und wurde auch von anderen Medien vielfach aufgegriffen. ABDA-Präsidentin Gabriele Regina Overwiening fühlte sich zurecht vor den Kopf gestoßen. „Der Minister zeigt, wie tief er in der Kommunikationskultur gesunken ist“, erklärte sie gleich zu Beginn ihrer Rede auf dem DAT.
Kommunikationskultur vermutlich das geringere Problem
Dass er in jener Kultur schon recht weit unten war, bewies er bereits, als er die Einladung der ABDA, persönlich nach Düsseldorf zu kommen, abgelehnt hatte. Stattdessen ließ er sich live zuschalten. Doch die Kommunikationskultur ist vermutlich das geringere Problem. Größere Sprengkraft haben die Ideen, die Lauterbach in der FAZ präsentierte. Overwiening spricht davon, dass der Minister das derzeitige Apothekensystem „zerstören“ wolle. Die Pläne seien „völlig verrückt“.
In der Tat haben diese es in sich. Unter anderem soll das Mehrbesitzverbot aufgehoben werden. Das führe langfristig dazu, dass das System den Angriffen von Fremdkapital ausgeliefert werde. Zudem sollen in Apothekenfilialen im ländlichen Raum keine Rezepturen und keine Nacht- und Notdienste mehr angeboten werden, bei telepharmazeutischen Leistungen sollen PTA dort die Patientinnen und Patienten auch ohne Anwesenheit einer Apothekerin oder eines Apothekers versorgen können. Für die ABDA-Präsidentin, die im Saal für ihren Auftritt mehrfach lautstarken Applaus von den Delegierten erntete, „erneut ein unfassbares Zeichen verantwortungsloser Undankbarkeit und schwerwiegender Geringschätzung“, das Lauterbach an die Apotheken gesendet habe. Hans-Peter Hubmann, Vorsitzender des Deutschen Apothekerverbands (DAV), bezeichnete die unerwarteten Pläne des Bundesgesundheitsministers bei seiner Eröffnungsrede zur Expopharm in Düsseldorf, die zeitgleich zum DAT stattfindet, gar als „Kriegserklärung“.
Overwiening kündigt Streiks an
Durch den FAZ-Artikel gerieten die sechs Fragen der ABDA klar in den Hintergrund, dennoch ging Lauterbach auf sie ein. Seine Antworten missfielen den meisten Apothekerinnen und Apothekern allerdings, nimmt man eine zeitgleich durchgeführte Umfrage der ABDA als Maßstab. Fast drei Viertel der Abstimmenden gaben dem Minister die Schulnote 5 oder 6. Fast 99 Prozent erklärten, dass sie ihren Protest weiter fortsetzen wollen. Lauterbach erklärte zudem, es sei nicht sein Ziel, das bestehende System zu zerstören, sondern für mehr Flexibilität zu sorgen.
Nach diesem „Tag der Antworten“ steht fest: Die Beziehung zwischen dem Bundesgesundheitsminister und der Apothekerschaft hat einen neuen Tiefpunkt erreicht. Es ist mit weiteren Protesten zu rechnen. Das betonte auch Overwiening. Der November, so kündigte sie an, werde zum „Protestmonat“. Zwischen dem 8. und 29.11. soll das Bundesgebiet in vier Zonen aufgeteilt werden, in denen die Apotheken an vier aufeinanderfolgenden Mittwochen reihum schließen sollen. Es werde an jenen Tagen auch Kundgebungen geben, den Abschluss soll am 29. November eine Großdemo in Berlin bilden. Weitere Details würden demnächst bekanntgegeben.
AMIRA fragt: Wie steht ihr zu den Vorschlägen von Lauterbach, die dieser in der Zeitung "FAZ" gemacht hat? Hat er Recht oder hat er das Maß vollständig verloren?