Gesundheit von Geburt an – Hebamme im Interview
Von der Schwangerschaft bis zur Geburt: Diese emotionale Reise wird von Ärzten, Ärztinnen und Hebammen begleitet. Hebamme Caroline Gasthaus berichtet im Interview von ihrem Alltag zwischen werdenden Müttern und großen Gefühlen.
Du bist seit acht Jahren als Hebamme tätig. Was gefällt dir an deinem Beruf besonders? Was macht ihn aus?
Ich bin Hebamme in einer großen Geburtsklinik im Rheinland mit angeschlossener Kinderklinik Perinatalzentrum Level 1. Mein Beruf ist abwechslungsreich, jeden Tag anders. Ich habe mit so vielen unterschiedlichen Frauen zu tun, sei es wegen ihrer Kultur oder auch aufgrund ihrer ganz persönlichen Lebensgeschichte. Jede Geburt ist anders und das ist auch besonders. Es gibt immer noch Situationen, die auch für eine erfahrenen Hebamme herausfordernd sind. Wir erleben jeden Tag die Paare und werdenden Familien in einer Grenzerfahrung. Ihnen dabei mit dem notwendigen Know-how, Einfühlungsvermögen und dem ein oder anderen flotten Spruch zur Seite zu stehen, ist ganz wichtig. In der Freiberuflichkeit abseits der Klinik hat man natürlich oft noch wesentlich mehr Zeit für die Paare und Familien.
Wir Hebammen und Ärzte sind immer wachsam und begleiten die Geburt dementsprechend, ohne jedoch Ängste zu schüren. Manchmal sind wir selbst übermüdet nach einer stressigen Schicht oder von uns fällt nach einer nicht ganz so einfachen Geburt auch die Anspannung ab. Ich würde sagen, am meisten gefallen mir die abwechslungsreiche Arbeit, die Verantwortung und auch die Dankbarkeit, die uns von Seiten der Eltern entgegengebracht wird. Das Miteinander mit den Kinderärzten, Gynäkologen und Narkoseärzten und den anderen Fachabteilungen ist meistens auch sehr nett und jeder kann sich auf den anderen zu 100 Prozent verlassen.
Und nach wie vor ist es für mich der schönste Beruf, weil wir Hebammen bei so einem wunderschönen, elementaren und intimen Moment wie der Geburt dabei sein dürfen. Da kommen einem auch nach so vielen Berufsjahren noch bei der ein oder anderen Geburt selbst die Tränen.
Was zeichnet euch Hebammen aus?
Wenn ich uns Hebammen mit Adjektiven beschreiben müsste, dann wären das diese: flexibel, empathisch, einfühlsam, stressresistent, selbstbewusst, diskussionsfreudig, willensstark, humorvoll – denn nach „müde“ kommt halt „doof“! Wir sind die letzten, die auf einer Party erscheinen und die ersten, die bei Rufbereitschaft wieder losmüssen. Wer eine Hebamme in seinem näheren Umfeld hat, braucht definitiv gute Nerven (lacht).
Am 5. Mai jeden Jahres ist Internationaler Hebammentag, der im Zeichen des Respektes für alle Hebammen stehen soll. Hast du das Gefühl, dass deine Arbeit ausreichend geschätzt wird?
Alle Frauen, Paare, Familien, die mit einer Hebamme oder der Arbeit einer Hebamme zu tun haben, bringen unserem Berufsstand gegenüber auf jeden Fall Wertschätzung und Dankbarkeit entgegen, beispielsweise in Form eines Briefes an das entsprechende geburtshilfliche Team, Nervennahrung oder einfach eines ernst gemeinten „Danke, dass es dich/euch gibt.“
Von der Politik würde man sich als Hebamme aber ehrlich gesagt etwas anderes wünschen. Hier spreche ich aber für alle im Gesundheitswesen Tätige. Wir arbeiten zu jeder Tages- und Nachtzeit sowie am Wochenende. Gerade bei der Arbeit am und mit Menschen ist es das allerwichtigste, dass man Zeit hat. Zeit, um den Geburtsverlauf zu erklären oder einfach für ein einfühlsames Gespräch, in dem Ängste abgebaut werden können. Wenn andere Weihnachten, Silvester oder Ostern mit ihren Familien feiern, sind wir auch im Dienst. Das macht jeder in diesem Job von Herzen gerne, aber die Bezahlung ist dafür nicht verhältnismäßig. Nicht zu vergessen ist der emotionale Stress, wenn einem Mal ein Geburtsverlauf nahe geht. Es passiert nicht ohne Grund, dass einige Kolleginnen der Geburtshilfe den Rücken zuwenden, weil sie entweder ins Burnout gerutscht sind oder ihnen der Alltagsstress in deutschen Kliniken zu groß wird. Das betrifft aber nicht nur uns Hebammen. Das ist dem System geschuldet.
Zum Thema Schwangerschaftsvorbereitung: Was sollten alle werdenden Mütter beachten? Gibt es spezielle Nahrungsergänzungsmittel, die Mitarbeiter:innen in der Apotheke ihren Kundinnen empfehlen können?
Es wird empfohlen, Folsäure schon bei Kinderwunsch und bis zur 16. Schwangerschaftswoche regelmäßig zu nehmen – darüber hinaus muss man Folsäure nur zusätzlich supplementieren, wenn der Körper Bedarf anmeldet. Zusätzlich eignen sich Magnesium bei Waden- oder Unterbauchkrämpfen, Eisen bei Müdigkeit oder bei im Labor gezeigter Eisenanämie, Calcium & Zink bei Hautbeschwerden, Vitamin C für das Immunsystem. Und besonders bei veganen Schwangeren ist es wichtig, auf eine ausreichende Aufnahme von B-Vitaminen und Omega-3-Fettsäuren zu achten. Grundsätzlich sollte man als Schwangere jede Medikamenten- oder Nahrungsergänzungsmitteleinnahme im Vorhinein ärztlich und/oder mit der Hebamme abklären. Zum Informieren über Arzneimittel in der Schwangerschaft ist das Portal www.embryotox.de sehr gut geeignet – jedoch bitte nicht zur selbstständigen Therapie und Medikation durch die Schwangere auf Verdacht hin, sondern nur für beratende Ärzte, Hebammen oder PTA.
Mütter bereiten sich neun Monate und länger auf die Geburt vor, manchmal geht dann trotzdem alles drunter und drüber. Welche Tipps gibst du ihnen, um sie zu beruhigen und zu entspannen, wenn es mal stressig wird?
Ich versuche den Frauen Zuversicht zu geben und selber – auch wenn man oft ein Pokerface als Hebamme aufsetzen muss – Ruhe auszustrahlen. Progressive Muskelanspannung und Entspannungstechniken können helfen. Ich erkläre den Eltern alles, was sie wissen möchten. Wenn die Frauen unter Schmerzen anfangen zu hyperventilieren, atme ich ganz ruhig mit ihnen. Ich erinnere sie in den Wehenpausen, sich wieder zu entspannen und ermutige sie dazu, sich unter der Geburt möglichst viel zu bewegen und nicht im Bett zu liegen.
Gibt es besondere Entspannungsübungen für Schwangere? Atemtechniken, Bewegungen und andere Praktiken, die entlasten und Ruhe bringen?
Vor der Geburt können K-Taping, Akupunktur, Geburtsvorbereitende Massage, Homöopathie und auch Hypnose helfen, um der Schwangeren mehr Sicherheit zu vermitteln. Sicher ist auch ein Geburtsvorbereitungskurs sinnvoll, um Ängste abzubauen und sich mit anderen Schwangeren und Expert:innen auszutauschen. Grundsätzlich gilt aber: Schwangerschaft ist keine Krankheit. Fit bleiben und sich bewegen, wenn man sich gut fühlt, ist der Schlüssel. Es bietet sich beispielsweise Schwimmen oder Schwangerenyoga als leichteres Training an.
Eine frischgebackene Mama hat so einiges im Kopf. Was können PTA, Apotheker:innen und Co. ihnen in der Apotheke empfehlen? Was sind absolute Must-Haves?
Ein Fieberthermometer für Mutter und Kind gehört zur Pflichtausstattung. Für die Mama: Paracetamol, Ibuprofen, kühlende Quarkumschläge für die Brust, Brustwarzensalbe, Silberhütchen bei wunden Brustwarzen, Heilwolle, Wunddesinfektion Spray, Vorlagen für den Wochenfluss. Insgesamt gilt hier: Weniger ist mehr.
Für das Neugeborene: keine Medikamente, nur in Verbindung mit einem Besuch beim Kinderarzt. Bei Fieber muss die Mutter sowieso mit dem Kind zum Kinderarzt. Im Zweifel bespricht die Hebamme kleinere Sachen, die man gut für das Baby noch gebrauchen könnte, beim Wochenbettbesuch. Meistens brauchen Mutter und Kind jedoch einfach Ruhe.
Worauf sollte sich jede werdende Mutter vor der Geburt vorbereiten?
Auf ihren Körper zu vertrauen. Das eigene Körpergefühl ist leider nicht selbstverständlich. Die Geburt ist immer mit Stress verbunden, daher ist es besonders wichtig, im Vorfeld für Entspannung zu sorgen. Dafür sind Massagen und gegebenenfalls auch Akupunktur gut geeignet. Je entspannter die Geburt angegangen wird und je mehr Vertrauen die Schwangere in ihren Körper steckt, desto natürlicher verläuft die Geburt auch.
Sommer bedeutet unter anderem Sonne und Reisen. Was darf in der Reiseapotheke für Mütter mit einem Neugeborenen nicht fehlen?
Ein Fieberthermometer für Mutter und Kind, für die Mutter Ibuprofen und Paracetamol. Diese sind auf jeden Fall mit dem Stillen verträglich, sollten aber dennoch nicht leichtsinnig oder häufiger als notwendig eingenommen werden.
Für das Kind bzw. das Neugeborene besser nichts an Medikamenten. Das verleitet schnell dazu, ohne ärztliche Untersuchung selbst zu therapieren. Und bei Fieber oder sonstigen Krankheitszeichen von einem Neugeborenen ist ohnehin umgehend ein Kinderarzt zu konsultieren. Sonnencreme mit Lichtschutzfaktor 50+ macht außerdem noch Sinn, wobei ein Neugeborenes immer in den Schatten gehört.
Welche groben Fehler passieren immer noch in der Beratung von Schwangeren? Gibt es absolute No-Gos?
Kein Ibuprofen in der Schwangerschaft – Paracetamol ist das Mittel der Wahl. Ibuprofen kann insbesondere im letzten Drittel der Schwangerschaft den Ductus arteriosus Botalli beim Ungeborenen verschließen, was zu schwerwiegenden gesundheitlichen Konsequenzen führen kann. Dies gilt für alle Wirkstoffe, die zu den nichtsteroidalen Antirheumatika zählen.
Was wünscht du dir als Hebamme an Aufklärungsarbeit, die Mitarbeiter:innen in der Apotheke werdenden Müttern gegenüber leisten können?
Weniger ist mehr, wenn es um Medikation und Nahrungsergänzungsmittel geht. Folsäure sollte direkt ab Kinderwunsch eingenommen werden. Bezüglich Corona oder anderen Infekten mehr Unterstützung und Wissen der PTA, was Schwangere nehmen dürfen, beispielsweise bei Übelkeit. Am schönsten ist es natürlich, wenn alle – sprich Ärzte, Apotheker, PTA, Hebammen und Co. – an einem Strang ziehen und jeder in seinem Fachgebiet die bestmögliche Arbeit leistet, um Mutter und Kind passend zu unterstützen und zu beraten.