Osteoporose: Wenn eine Umarmung die Rippe bricht

Osteoporose ist sowohl von der Zahl der Betroffenen als auch von der wirtschaftlichen Bedeutung her eine echte Volkskrankheit. Wir sagen, wie sie entsteht und was wir zur Prävention bzw. Linderung beitragen können.

Osteoporose ist eine weit verbreitete Knochendegeneration, die vor allem Menschen in fortgeschrittenem Alter trifft. Die häufigste Folge dieser Erkrankung sind Knochenbrüche, die nicht nur schmerzhaft sind, sondern – vor allem, wenn sie untere Extremitäten, wie den Oberschenkelhals oder auch das Becken betreffen – zu einer langandauernden Immobilisierung führen können, die fatale Auswirkungen auf die allgemeine Gesundheit haben kann. Schätzungen gehen davon aus, dass in Deutschland 30 Prozent der Frauen nach den Wechseljahren eine Osteoporose entwickeln, Männer sind, wenn auch in höherem Alter, ebenfalls betroffen. Es handelt sich also um eine echte Volkskrankheit. 95 Prozent der Erkrankungen fallen dabei unter die sogenannte primäre Osteoporose, nur fünf Prozent werden der sekundären Form zugerechnet, die als Folge anderer Erkrankungen auftritt.

Die Krankheit geht mit einer Abnahme der Knochensubstanz einher, die im Alter von etwa 30 Jahren ihren Maximalstand erreicht und mit zunehmendem Alter – teils hormonell bedingt – abnimmt. Stark Betroffene können sich bereits durch kräftiges Husten Rippenbrüche zuziehen oder durch Umarmungen Frakturen erleiden. Angesichts des Welttages der Osteoporose, der jährlich am 20. Oktober begangen wird, fragten wir Apothekerin Deniz Cicek-Görkem, was sie zur Vorbeugung gegen die Volkskrankheit Osteoporose empfehlen kann.

AMIRA: Was passiert in den Knochen, wenn von Osteoporose die Rede ist?

Deniz Cicek-Görkem: Ganz allgemein ist bei einer Osteoporose die Knochendichte reduziert. Dies geht mit einer Verschlechterung der Knochenmikroarchitektur einher. Seine Stabilität erhält der Knochen wesentlich durch den Einbau eines hydroxylierten Kalziumphosphat-Salzes (Hydroxylapatit). Leider verliert der Knochen mit zunehmendem Alter die Fähigkeit, diese Substanz zu verwerten. Dann leidet die Knochendichte, es kann zu Osteoporose kommen. Aber auch eine Arzneimitteltherapie mit beispielsweise Glucocorticoiden oder Protonenpumpenhemmern, Konsum von Tabak und Alkohol sowie bestimmte Grunderkrankungen können das Risiko für die Krankheit erhöhen.

Zudem ist bei einer Osteoporose das Zusammenspiel zwischen den Knochen-abbauenden Osteoklasten und den aufbauenden Osteoblasten gestört. Unsere Knochen werden ständig ausgebessert: Osteoklasten entfernen schadhafte Substanz, Osteoblasten ersetzen diese durch neue. Bei einem Kalziummangel werden diese ausgebesserten Stellen nicht mehr ausreichend mineralisiert, also verfestigt. Dann verliert der Knochen seine Stabilität und kann leichter brechen.

AMIRA: Wenn Kalzium fehlt, sollte man es doch einfach zuführen, oder?

Deniz: Eine ausgewogene Ernährung, die reich an Kalzium und Vitaminen ist, kann das Risiko für eine Osteoporose reduzieren.

Kalziumzufuhr im Auge behalten

AMIRA: Dann noch einmal im Schnellkurs – Welche Nahrungsmittel enthalten Kalzium, welche sind als Kalziumräuber bekannt?

Deniz: Kalzium ist primär in Milchprodukten wie Käse oder Joghurt enthalten, wobei Milch selbst ein wenig seinen Ruf eingebüßt hat, weil sie im Verdacht steht, die knochenabbauenden Osteoklasten zu aktivieren, was verarbeitete Milchprodukte nicht tun. Hilfreich sind auch grünes Gemüse, einige Nüsse wie Haselnüsse und Paranüsse sowie bestimmte Mineralwässer mit hohem Calciumgehalt. Ein potenter Kalziumräuber ist Phosphat, dieser ist in Wurst, Fleisch, Alkohol und Softdrinks zu finden. Die also besser in Maßen genießen. Wichtig ist außerdem eine ausreichend hohe Vitamin-D-Versorgung, auch dieses schützt die Knochen. Wer nicht genug Sonne abbekommt, kann mit hochdosierten Präparaten aus der Apotheke für Ausgleich sorgen. Zu beachten ist dabei, dass sich Vitamin D auch in Nahrungsergänzungsmitteln finden lässt. Generell sollte in diesem Zusammenhang auf die (Tages-)Dosierung geachtet werden. Ein zu hoher Vitamin-D-Konsum kann beispielsweise zu Bauchkrämpfen und Nierensteinen führen.

AMIRA: Wie steht´s mit Bewegung?

Deniz: Die ist als Vorbeugung ebenfalls wichtig. Empfohlen werden Joggen, Nordic Walking, Aerobic, Volleyball oder Tennis. Gut ist auch leichtes Training mit Gewichtsbelastung. Zur Not reicht auch das Treppensteigen, vor allem das Herablaufen hat positive Wirkung. Die damit einhergehenden kleinen Erschütterungen sind Reize, die den Knochen zum Aufbau von Substanz anregen. Aber die Art der Bewegung und Belastung sind natürlich von Alter und Schweregrad der Erkrankung abhängig.

AMIRA: Welche Rolle spielt das Östrogen?

Deniz: Östrogen sorgt dafür, dass das dem Körper zugeführte Kalzium im Sinne des Knochenerhalts und -aufbaus besser verwertet werden kann. Sinkt der Östrogenspiegel nach der Menopause, entfällt dieser Effekt und der Knochen verliert an Stabilität. Deswegen sind Frauen häufiger betroffen als Männer. Übrigens sind leicht übergewichtige Frauen von dieser Hormon-Abnahme weniger gefährdet als sehr Schlanke, denn das Bauchfett produziert weiterhin geringe Mengen Östrogen.

Die Devise heißt: Verlauf verzögern!

AMIRA: Und wenn die Osteoporose bereits manifest ist und das Leben erschwert – welche Möglichkeiten gibt es dann?

Deniz: Es gibt Medikamente, die eine hemmende Wirkung auf den Knochenabbau haben. Dazu zählen Bisphosphonate wie Alendronat und Risedronat. Zu dieser Kategorie zählen ebenfalls Östrogene und die sogenannten Selektiven Estrogenrezeptor-Modulatoren (SERM). Die Östrogengabe wird wegen der Gefahr, eine Krebserkrankung zu erleiden, nur noch in Ausnahmefällen verabreicht. Außerdem kann der Antikörper Denosumab bei postmenopausalen Frauen und Männern mit erhöhtem Frakturrisiko eingesetzt werden. Dieser wird subkutan injiziert. Des Weiteren gibt es Arzneimittel mit stimulierender Wirkung auf den Knochenaufbau mit dem Wirkstoff Teriparatid, die ebenfalls injiziert werden.

AMIRA: „Heilen“ kann man die Krankheit aber nicht, oder?

Deniz: Nein, es wird lediglich das Voranschreiten gehemmt. Aber auch das kann die Lebensqualität nachhaltig erhöhen.