„Gesundheitskioske“ - was hat es auf sich damit?

Zur Verbesserung des deutschen Gesundheitswesens hatte Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach angekündigt, bundesweit 1.000 Gesundheitskioske einrichten zu lassen. Was soll das bringen?

Seit einiger Zeit geistert der Begriff „Gesundheitskiosk“ durch die Medien. Eintausend dieser Einrichtungen sollen in den nächsten Jahren in ganz Deutschland entstehen. Diese Zahl hatte Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach im August 2022 genannt. Doch was ist in den 16 Monaten seither daraus geworden? Und was genau soll die Funktion der Kioske, denen die Apothekerschaft mindestens skeptisch gegenübersteht, sein? 

Lauterbach zufolge sollen die Gesundheitskioske eine Vielzahl von Dienstleistungen anbieten, von der Messung von Vitalparametern bis zur Aufklärung über gesundheitliche Risiken. Ziel ist es, Bürgern einen niedrigschwelligen Zugang zu medizinischen Informationen und Dienstleistungen zu ermöglichen, insbesondere jenen, die über wenige finanzielle Mittel verfügen und in Stadtteilen leben, die als „Brennpunkt“ gelten. Die Gesundheitskioske sollen von multiprofessionellen Teams geführt werden, zu denen Pflegekräfte sowie Kinder-, Alten- und Krankenpfleger*innen gehören können. Die Leitung der Gesundheitskioske soll jeweils eine Pflegefachkraft übernehmen. Perspektiv kommen – im Sinne von Community Health Nursing (CHN) – auch Pflegefachkräfte wie Gesundheits- und Kinder-Krankenpfleger/innen, Altenpfleger/innen, Pflegefachfrauen und -männer mit Heilkundekompetenz in Betracht.

Als Vorbild für das geplante Modell dienen drei bereits seit 2017 bestehende Projekte in Hamburg. Finanziert werden sollen die Kioske von Kommunen und Krankenkassen. „Eine starke Prävention ist der Schlüssel zu einem gesunden Gesundheitssystem“, betont Lauterbach. „Mit diesen Gesundheitskiosken wollen wir die Früherkennung von Krankheiten fördern und den Menschen Werkzeuge an die Hand geben, um aktiv an ihrer eigenen Gesundheit teilzuhaben.“

Ein Kiosk für 80.000 Menschen

Die Gesundheitskioske sollen mit Messgeräten für Blutdruck, Blutzucker und andere Vitalparameter ausgestattet sein. Zudem sollen interaktive Bildschirme genutzt werden, um den Nutzer*innen maßgeschneiderte Gesundheitsinformationen bereitzustellen. Die Kioske sollen an zentralen Orten wie Einkaufszentren, Bahnhöfen und öffentlichen Plätzen entstehen, um breite Bevölkerungskreise zu erreichen. Auf 80.000 Einwohner soll ein Kiosk entfallen, so kommt die Zahl 1.000 zustande. Wie viele seit Herbst 2022 entstanden, ist nicht bekannt. Im August 2023 eröffnete in Köln-Chorweiler einer mit dem fürsorglichen Namen „Kümmerei“, dessen Website Mitte Januar allerdings keine Inhalte aufweist. 

Ein Schlüsselelement von Lauterbachs Vision ist die Nutzung von Künstlicher Intelligenz (KI) zur Analyse von Gesundheitsdaten. Die Kioske sollen in der Lage sein, individuelle Gesundheitsrisiken zu identifizieren und den Nutzern personalisierte Empfehlungen für einen gesunden Lebensstil zu geben. Datenschutz und Datensicherheit stünden dabei im Fokus, versicherte der Minister.

Seine Pläne stießen bisher weitgehend auf (schweigende) Zustimmung, da sie nicht nur den Zugang zu Gesundheitsdienstleistungen verbessern, sondern auch die Überlastung von Arztpraxen und Krankenhäusern reduzieren könnten. Klare Kritik wurde jedenfalls, wenn überhaupt, nur vereinzelt laut. Allerdings könnte sich das ändern, denn es gibt auch öffentlich geäußerte Bedenken hinsichtlich Finanzierung und langfristiger Effektivität des Projekts. Einige private Versicherungen etwa halten die Kioske für vermeidbare Mehrbelastungen: „Wir sehen bei den Gesundheitskiosken die Gefahr teurer und letztlich ineffizienter Parallelstrukturen. Stattdessen war bereits in der Diskussion, den öffentlichen Gesundheitsdienst zu stärken. Das könnte besser geeignet sein, um eine Bündelung und mehr Vernetzung zu erreichen. […] Aus unserer Sicht ist keine weitere zusätzliche Koordinationsstelle in Form von Gesundheitskiosken erforderlich. Es sollte daran gearbeitet werden, die bestehenden Angebote zu bündeln (insbesondere auch die der Behörden vor Ort), anstatt eine weitere Parallelstruktur danebenzusetzen. Überdies leidet das Gesundheitswesen bereits an Fachkräftemangel, da würden die Kioske nur anderen Versorgungsbereichen das Fachpersonal wegnehmen“, wird Dr. Anke Schlieker, Projektleiterin Gesundheitsversorgung beim PKV-Verband, von DocCheck News zitiert. Aus denselben Gründen sollen auch Barmer, DAK und Techniker Krankenkasse ihr Engagement in den Hamburger Gesundheitskiosken beendet haben. 

Wie ist die Haltung der Apotheken?

Zwiegespalten und eher ablehnend ist auch die Haltung der Apothekerschaft. Gründe dafür sind unter anderem:

Wettbewerb um Dienstleistungen: Gesundheitskioske könnten als potenzielle Konkurrenz zu den Dienstleistungen der Apotheken wahrgenommen werden. Wenn Kioske beispielsweise Medikamentenempfehlungen oder Gesundheitsinformationen bereitstellen, könnte dies Auswirkungen auf den Umsatz von Apotheken haben.

Qualität und Genauigkeit der Beratung: Einige Apotheken könnten Bedenken hinsichtlich der Qualität und Genauigkeit der Gesundheitsberatung haben, die von Kiosken angeboten wird. Die persönliche Interaktion zwischen Apothekenpersonal und Kundschaft wird oft als wichtiger Faktor für eine qualitativ hochwertige Beratung angesehen.

Datenschutzbedenken: Die Sammlung und Analyse von Gesundheitsdaten durch Gesundheitskioske könnten Datenschutzbedenken aufwerfen. Apotheken legen großen Wert auf den Schutz der Privatsphäre ihrer Kundschaft, die Integration von Technologien in diesem Bereich erfordert möglicherweise strenge Sicherheitsmaßnahmen.

Regulatorische Herausforderungen: Neue Technologien und Dienstleistungen im Gesundheitswesen können regulatorische Herausforderungen mit sich bringen. Apotheken müssen sicherstellen, dass alle neuen Konzepte den bestehenden Gesundheitsvorschriften entsprechen.

Hinzu kommt, dass Lauterbach mit seinem Auftreten und seinen Plänen in den letzten Monaten viel Kredit in der Branche verspielt hat und sein Handeln daher mit Argwohn betrachtet wird. Das Thema „Gesundheitskiosk“ ist derzeit dennoch eines, das nicht so prominent auf der Tagesordnung steht, was sich aber ändern könnte, wenn der Minister die Zahl 1.000 tatsächlich ernst gemeint hat. Daran gibt es nämlich ernsthafte Zweifel.

AMIRA fragt: Was hältst du vom Konzept der Gesundheitskioske? Wir dort Medizin dritter Klasse angeboten? Bringen sie als Konkurrenz-Einrichtung weitere Gefahr für die Apotheken? Oder bringen sie eine wichtige Verbesserung für die Gesundheit von sozial benachteiligten Gruppen in unserer Gesellschaft?