Ab in den Garten

Wenn die Sonne kräftiger wird und die Vögel übermütig, wird es auch für uns Zeit den Frühling zu begrüßen – und zu gärtnern. Weil viele Städter weder Garten noch Balkon haben, heißt die Lösung Urban Gardening. AMIRA stellt euch vor, wie´s geht.

Erde unter den Fingernägeln und ein Lächel im Gesicht? Was Ahnungslose für einen fröhlichen Schmutzfink halten, ist sehr wahrscheinlich ein Glückspilz, der die Freuden des Gärtners kennt und sich durch die Spuren seiner Leidenschaft verrät.

Für nicht Eingeweihte klingt es übertrieben, aber tatsächlich ist Gärtnern eine außergewöhnliche und zutiefst sinnliche Erfahrung. Und für Enthusiasten noch weit mehr als das. Denn während Leute mit Bodenhaftung das Buddeln in der Erde als Entspannungsübung im Freien erfahren, erleben passionierte Garten-Fans den Kontakt mit Mutter Erde als Offenbarung, die auf Wolke Sieben hebt.

Aber ganz gleich ob entspannendes Workout oder spirituelles Retreat: Gärtnern bedeutet raus an die frische Luft zu kommen, und nicht nur der Natur zu begegnen, sondern sich selber wieder als Teil des Großen Ganzen zu fühlen.

Urbane Gärten

Städter ohne eigenen Boden finden all das in Gemeinschaftsgärten, und dazu eine Gruppe Gleichgesinnter, mit der man die schönen Erfahrungen teilen kann. Entsprechend boomt das Phänomen und erobert die Städte. Allein in Deutschland gibt es heute rund 1000 Gemeinschaftsgärten, und es werden laufend mehr. Die Plattform „Urbane Gemeinschaftsgärten“ hat die Übersicht und verbindet dutzende lokale Netzwerke. Wer den nächsten Gemeinschaftsgarten in seiner Gegend noch nicht kennt, wird ihn hier schnell finden.

Natürlich gibt es wie überall auch bei diesem Thema die alten Hasen, die bestens wissen, wovon die Rede ist. Wer die Welt der Gemeinschaftsgärten erst noch kennen lernt, für den gibt es allerhand zu entdecken und - wenn man will - zu lernen. Zum Beispiel was das besondere an Hoch-, Tisch- und Hügelbeeten ist, wofür man eine Kräuterspirale braucht oder wie ein Lehmbackofen funktioniert. Und ja, früher oder später wird jeder Neuling zum ersten Mal eine Komposttoilette benutzen und vielleicht wie viele entdecken, dass das Notwendige so naturnah zum Vergnügen wird.

Die Zukunft im Blick: Waldgärten

In der ohnehin außergewöhnlichen Welt der Gemeinschaftsgärten ist ein Waldgarten noch einmal etwas ganz Besonderes, denn er gibt Antworten auf wichtige Fragen unserer Zeit. Wer eines der bei uns bislang seltenen Exemplare in der Nähe hat, kann an einer visionären Bewegung unserer Landwirtschaft teilhaben, die ökologische und soziale Nachhaltigkeit vereint.

Das Prinzip kurz erklärt: Waldgärten bestehen überwiegend aus essbaren Pflanzen oder zumindest solchen, die Früchte tragen, darunter Obst- und Nussbäume, Beerensträucher, Gemüse und Kräuter. Da das Pflanzen-Arrangement einen robusten Vegetationsbestand mit hoher Artenvielfalt bildet, in dem sich alle Pflanzen gegenseitig unterstützen, kann sich ein Waldgarten gut an klimatische Veränderungen anpassen. Er ist resilient gegenüber Wetter-Extremen und Schädlingsbefall, und er hat noch einen weiteren Bonus: Die Pflanzen erhalten und verbessern völlig selbstständig die Bodenfruchtbarkeit, die in der konventionellen Landwirtschaft künstlich mit Dünger und Pestiziden hergestellt werden muss. Um mitten in unserer reformbedürftigen Kultur lehrreiche Inseln der Nachhaltigkeit zu schaffen, werden Waldgärten deshalb gezielt in unseren Städten angelegt.

Ökologische und biologische Funktion

Wer Lust hat, kann sich mit seinem Hobby also spielerisch für Nachhaltigkeit und Umweltschutz einsetzen. Urbane Waldgärten erfüllen gleich mehrere wichtige ökologische Funktionen: Die Vielfalt ihrer pflanzlichen Arten liegt oft zwischen 100 und 200 und schafft unter anderem vielfältige Lebensräume, in denen sich eine ganze Reihe von Tieren wohlfühlt. Auf diese Weise tragen Waldgärten zur Verbesserung der biologischen Vielfalt der Stadt bei. Zudem verbessern sie durch ihre mehrschichtige Vegetation das Stadtklima, speichern starke Niederschläge und kühlen in heißen Sommern durch Wasserverdunstung die Umgebung. Außerdem ist der nachhaltige Umgang mit Ressourcen innerhalb des Waldgartens beispielhaft, weil Blätter und Äste als Mulchmaterial die Bodenfunktionen schützen und erhalten.

Soziale Funktion

Und das war noch längst nicht alles. Urbane Waldgärten spielen auch eine wichtige soziale Rolle. Sie bieten Städtern mit Sehnsucht nach Naturerfahrung die Möglichkeit gemeinschaftlich zu Gärtnern und fördern so - wissenschaftlich ausgedrückt - „den Aufbau dauerhafter sozialer Strukturen und die Einbindung der städtischen Gemeinschaft in umweltfreundliche Praktiken“. Darüber hinaus dienen sie als Plattformen für Umweltbildung, weil sie die Vielfalt nutzbarer Pflanzenarten demonstrieren und an traditionelle, heute oft kaum noch bekannte Lebensmittel wie Buchweizen oder bestimmte Beerensträucher erinnern. Letztlich bieten Waldgärten durch ihre mehrschichtige Struktur und die Verwendung von mehrjährigen Pflanzen ein hohes Produktionspotenzial und könnten zukünftig vielleicht sogar einen Beitrag zur Nahrungsmittelversorgung von Städten leisten.

Waldgarten Britz

Zu den urbanen Glückspilzen mit Waldgarten zählen in Deutschland heute auch die Berliner. In der Hauptstadt lädt seit 2020 der Waldgarten Britz https://waldgarten-britz.de/home/ zum Schauen und Staunen ein. Initiiert und aufgebaut hat den Waldgarten ganz im Süden der Metropole eine Doktorandin vom Institut für Umweltwissenschaften und Geographie der Universität Potsdam. Sie koordiniert das Projekt auch heute und begleitet den Waldgarten wissenschaftlich, und ihre Pläne sind ebenso ehrgeizig wie vielversprechend.

Entstehen wird peu a peu eine innovative Kleingartenanlage, zu der ein Gemeinschaftsgarten und private Parzellen gehören werden. Da das Leitbild dabei das anspruchsvolle Prinzip des Waldgartens ist, sollen ökologische Funktionen wie Bodenschutz, Klimaregulierung und Biodiversität mit sozialen Funktionen wie Umweltbildung, Erholung, Lebensmittelproduktion und Begegnung zusammenfinden. Das wesentliche Anliegen: Es sollen neue Gemeinschaften und Beziehungen zwischen Menschen entstehen, aber auch zwischen Menschen und Natur.
Der Startschuss fürs Gärtnern fiel 2022. Wer mitgärtnern will sollte über die Homepage Kontakt zum Verein Waldgarten Berlin-Britz aufnehmen und entweder persönlich bei einem Besuch oder online bei einem Plenum die junge Gemeinschaft kennen lernen.