Konflikte lösen, bevor es kracht

Was tun, wenn sich in der Apotheke miese Stimmung aufbaut? Und was zeichnet eigentlich eine gute Apothekenleitung aus? Wir haben Erfolgscoach Sabine Herbst gefragt.

In jedem Team gibt es über kurz oder lang mal Ärger. Die neue Kollegin tut nicht, was man für richtig hält, der Chef steht einem nicht zur Seite, die Dienste sind – gefühlt – ausgesprochen ungerecht verteilt. Solche Konflikte können den Arbeitsfluss empfindlich stören. Wie modernes Konfliktmanagement aussieht, wann man es einsetzen sollte und wie man sich externe Hilfe holt, das fragten wir Apothekerin Sabine Herbst, die seit über 20 Jahren selbst als Coach für Apothekenteams tätig und auch in der AMIRA-Welt präsent ist.

AMIRA: In einer Umfrage unter unseren Trendscouts kam heraus, dass rund 80 Prozent mit der Führung und dem Teamzusammenhalt in ihrer Apotheke zufrieden sind. Wie beurteilst du das?

Sabine Herbst: Für mich sind diese positiven Rückmeldungen großartig, diese hohe Zufriedenheit ist ein tolles Signal: In den Apotheken, in denen die AMIRA-Trendscouts beschäftigt sind, sind die Führungskräfte offenbar auf einem sehr guten Weg. Aber auch in gut funktionierenden Teams gibt es oft Raum für Wachstum und Optimierung, sei es durch die Entwicklung von Führungskompetenzen oder Stärkung der Teamdynamik bzw. auch der Teamgesundheit, was aufgrund der ständigen Veränderungen im Apotheken-Markt immer wichtiger wird. Mit den neuen Generationen verändert sich kontinuierlich der Anspruch an die Führung, deshalb ist es sehr förderlich, sich kontinuierlich weiterzubilden und auf veränderte Erwartungshaltungen an die Führungskraft einzustellen.

AMIRA: Andererseits: immerhin 20 Prozent sind in Sachen „Führung“ weniger zufrieden mit ihrer Apotheke. Wie und woran kann die Apothekenleitung erkennen, dass etwas im Team nicht stimmt?

Die Teammotivation nimmt ab, erkennbar an weniger Engagement und Eigeninitiative, die Stimmung wird schlechter, es kommt häufiger zu Konflikten und Spannungen im Team. Zusätzlich kann es zu häufigeren Krankheitsausfällen kommen, im schlimmsten Fall nimmt die Mitarbeiterfluktuation zu. Dagegen helfen regelmäßige Feedbackgespräche oder Teamworkshops in denen die Teammitglieder den Status Quo reflektieren und auch darüber sprechen, welche Dinge verbessert werden sollten. Extern moderiert können auch Themen diskutiert werden, die die Apothekenleitung sonst eher nicht anspricht.

Hilfe vom externen Mediator

AMIRA: Wie können und sollten Apothekenleitungen Unmut im Team einfangen und eindämmen?

Indem sie die Mitarbeitenden mit ins Boot holen und gemeinsam die Arbeitsorganisation optimieren. Dabei ist wichtig, eine Kultur der offenen Kommunikation und Zusammenarbeit zu fördern, regelmäßig Mitarbeiterfeedback einzuholen und die Arbeitsbedingungen zu verbessern. Gut ist es auch, eine Konfliktlösungsstrategie zu entwickeln - wie gehen wir im Team Konflikte an? Wie ist unser Lösungsweg im Team? Eventuell sollte auch ein externer Mediator zu Rate gezogen werden. Gut ist es, wenn die Führungskraft die Grundlagen des Konfliktmanagement-Prozesses beherrscht und geschult ist, um selbst zur Konfliktlösung bei kleineren Auseinandersetzungen beitragen zu können.

AMIRA: Kannst du ungefähr angeben, wie viel Kraft und Energie einem Team genommen wird, wenn Konflikte schwelen, statt gelöst oder zumindest befriedet zu werden?

Enorm, Konflikte leeren das Team-Energiefass, wenn auch der Energieverlust natürlich von der Art des Konflikts abhängig ist. Auswirkungen sind neben der emotionalen Belastung auch gesundheitliche Belastungen - Konflikte können sich auf die psychische und psychische Gesundheit der Teammitglieder auswirken. Mitarbeitende können dann nur noch sehr eingeschränkt positiv am Unternehmen mitwirken, neue Ideen generieren bzw. eine positive Haltung im Kundengespräch einnehmen. Kurz und gut - nicht gelöste Konflikte haben erhebliche Auswirkungen auf die Effektivität, Zusammenarbeit und das Wohlbefinden im Team.

AMIRA: Hilft es in allen Fällen, Mitarbeiter in Entscheidungsprozesse einzubeziehen, oder muss die Leitung auch mal sagen: „Halt, das entscheide ich!“?

Das hängt natürlich sehr stark von der Art der Entscheidung ab - strategische Unternehmensentscheidungen muss die Leitung alleine treffen, bei solchen im operativen Bereich ist es sinnvoll, Mitarbeitende miteinzubeziehen. Die Apothekenleitung sollte je nach Thema abwägen, was für das Unternehmen in der jeweiligen Situation passt. Neben der Unternehmenskultur spielt die Art der Führung eine große Rolle - moderne Führung ist partizipativ, aber auch situativ- d.h. miteinander wenn möglich, aber auch die jeweilige Situation im Blick haben und bei der Entscheidung berücksichtigen!

Zwischen den Generationen fehlt das Verständnis

AMIRA: Wo hakt es deiner Erfahrung nach am häufigsten in der Apotheke: Bei fachlichen Problemen, zwischenmenschlichen Konflikten oder organisatorischen Fragen? Und in welcher Kategorie sind die Wogen am schwersten zu glätten?

Der Schwerpunkt liegt auf organisatorischen Fragen und zwischenmenschlichen Themen. Zu den typischen organisatorischen Problemen gehört die Uneinigkeit über Arbeitsaufteilung, Zuständigkeiten oder Arbeitsabläufe, mangelnde Zeit für Spezialaufgaben, fehlerhafte Personalplanung. Zu den zwischenmenschlichen Konflikten zählen persönliche Differenzen, Kommunikationsprobleme wie zu wenig Kommunikation, Missverständnisse, keine individuelle, wertschätzende Kommunikation. Dazu kommen noch die unterschiedlichen Bedürfnisse der einzelnen Generationen – hier fehlt es häufig an Wissen und Verständnis füreinander. Ich denke, am Schwierigsten ist es, zwischenmenschliche Wogen zu glätten, denn hier stehen Emotionen und individuelle Bedürfnisse im Vordergrund. Ich kann nur empfehlen, solche Konflikte frühzeitig zu erkennen und auch anzugehen.

AMIRA: Lass uns mal auf drei ganz konkrete Problemlagen schauen, die in unserer Communityumfrage geschildert wurden. Was würdest du jemandem raten, der sich wie folgt äußert:

 „Lob oder Anerkennung gibt´s bei uns NIE!“

Selbst das Gespräch mit der Führungsebene suchen und die Rückmeldung des Chefs/der Chefin einfordern, auch sich im Team gegenseitig selbst Anerkennung geben, Thema auf Teammeetings konstruktiv ansprechen

„Unsere Chefin geht allen Konflikten aus dem Weg!“

Im nächsten Team-Meeting oder Mitarbeitergespräch das Thema offen ansprechen, den Wunsch äußern, einen Konfliktmanagementprozess für das Team zu entwickeln, Unterstützung durch die Führungskraft aktiv einfordern, die Führungskraft sollte sich in diesem Thema schulen lassen: Wie kommuniziere ich wertschätzend? Wie löse ich Konflikte?

„In unserer Apotheke existiert so gut wie keine Führung!“

Auch hier im Teammeeting  oder Gespräch äußern, dass Führung fehlt (auch konkrete Beispiele nennen) , selbst Verantwortung übernehmen und die Führungskraft unterstützen, gemeinsame Ziele definieren und überlegen, wie diese Ziele gemeinsam erreicht werden können - wer übernimmt welche Aufgaben, wer übernimmt in den einzelnen Bereichen Verantwortung? Welche Kompetenzen und Fähigkeiten sind im Team vorhanden?

AMIRA: Abschließend: Warum und ab welcher „Schmerzschwelle“ macht ein Anti-Konflikt-Coaching für Apothekenteams Sinn?

Wenn die Führungskraft als Konfliktmanager an ihre Grenzen kommt und sich ein Problem nicht eigenständig lösen lässt, sondern weiter verschärft und zur Belastung für das Team wird, ist es dringend notwendig, einen externen Coach als Konfliktmanager bzw. Mediator zu Rate zu ziehen. Dieser kann als neutraler Mediator zwischen den Konfliktparteien vermitteln und gemeinsame Lösungen erarbeiten. Ein Anti-Konflikt-Coaching vermittelt Strategien zur Problembewältigung im Team und hilft, Konflikte frühzeitig zu erkennen und zu intervenieren. Damit wird in jedem Fall der Teamzusammenhalt verbessert – das passiert besser früher als zu spät.

Liebe Sabine, vielen Dank für deine Tipps.