Wochenrückblick: Schluss mit schmerzenden Babybäuchen, Apothekensterben geht weiter und mehr Umsatz für Pharma

Die Zahl an Apotheken in Deutschland schrumpft weiter, was leider nicht langsam und dazu sicher eine besorgniserregendere Situation hervorruft. Apropos Sorgen: Impfstoffe konnten diese in den letzten Jahrzehnten deutlich verringern und Millionen von Menschenleben retten. Zudem: Neues Nahrungsergänzungsmittel, was für Babys und Eltern mehr Glück und weniger Geschrei verschaffen dürfte – all das und mehr kannst du in unserem Wochenrückblick nachlesen.

Zahlen zu Schließungen bleiben erschreckend hoch und haben Einfluss auf Distanzen zur Vor-Ort-Apotheke

Das Jahr 2023 verzeichnete laut kürzlich bekannt gegebener Angaben der ABDA beinahe 500 Apothekenschließungen in Deutschland, was etwa der Gesamtzahl der Apotheken in Thüringen entspricht. Besonders betroffen sind demnach ländliche Gebiete, wo sich der Weg zur nächsten Apotheke für einige Kund*innen um mehr als zehn Kilometer verlängern kann. Diese Entwicklung führt zu einem verstärkten Trend zum Kauf von Medikamenten im Versandhandel, insbesondere in Gebieten mit geringerer Bevölkerungsdichte.

Trotz des Apothekensterbens steigt der Apothekenumsatz paradoxerweise, was auf einen höheren Umsatz pro Apotheke zurückzuführen ist. Dieser Anstieg betrifft sowohl rezeptfreie als auch verschreibungspflichtige Medikamente. Dennoch ist dies keine tröstliche Nachricht für ehemalige Apothekeninhaber*innen und Mitarbeitende.

Die ABDA kündigte angesichts der fortschreitenden Apothekenschließungen neue Proteste an und betont die wichtige Rolle von Apotheken für die wohnortnahe Gesundheitsversorgung. Trotz zahlreicher Gespräche und Bemühungen der Apothekerverbände bleibe eine Stärkung der Apothekenlage ungewiss, es gebe auch keine Anzeichen für eine Besserung der Situation. Fachkräftemangel und unterfinanzierte Vergütungssysteme verschärften die Lage zusätzlich.

Die ABDA plant, Patient*innen direkt in den Apotheken über die prekäre Situation zu informieren und setzt sich für den Erhalt der Arzneimittelversorgung und die Interessen der Patient*innen ein. Sie appelliert an die Bundesregierung, die Bedeutung der Arzneimittelversorgung zu erkennen und entsprechende Maßnahmen zu ergreifen, um die Lage zu stabilisieren.

WHO: Impfstoffe eine Erfolgsstory der Medizin

Laut einer Studie der Weltgesundheitsorganisation (WHO) haben Impfungen in den letzten 50 Jahren dazu beigetragen, 154 Millionen Menschen zu retten, darunter 146 Millionen Kinder unter fünf Jahren. Dies entspricht sechs Menschen pro Minute, die vor dem Tod bewahrt wurden, wie die WHO am Mittwoch in Genf berichtete. Der Impfstoff gegen Masern habe den größten Nutzen gebracht, indem 60 Prozent der geretteten Menschen ihm ihr Leben verdanken.

Insgesamt haben Impfstoffe gegen 14 Krankheiten die Sterberate von Babys weltweit um 40 Prozent reduziert, darunter Diphtherie, Polio, Tetanus und Keuchhusten. Deshalb seien Impfstoffe als eine der wirkungsvollsten Erfindungen der Geschichte, da sie einst gefürchtete Krankheiten vermeidbar machen. Vor 50 Jahren waren weniger als fünf Prozent der Babys weltweit routinemäßig gegen Diphtherie, Tetanus und Keuchhusten geimpft worden. Heute sind es 84 Prozent, so die WHO.

Masern ist eine lebensbedrohliche virale Infektionskrankheit, die durch Impfung verhindert werden kann. Die Zahl der Ausbrüche weltweit steigt jedoch, da der Impfschutz in vielen Bevölkerungen noch nicht ausreichend ist. Um Masernausbrüche zu verhindern, müssen 95 Prozent oder mehr der Bevölkerung zwei Impfdosen erhalten haben. Derzeit liegt die Impfquote bei 83 Prozent für die erste und 74 Prozent für die zweite Impfdosis. Im Jahr 2022 haben fast 22 Millionen Babys die erste Dosis nicht erhalten und elf Millionen die zweite Dosis verpasst. Schätzungen zufolge starben im selben Jahr 136.000 Menschen an Masern, hauptsächlich Kinder unter fünf Jahren.

Neue Velgastin® Biotic Baby Tropfen reduzieren Schreizeit bei Säuglingen deutlich

Am Dienstag der Woche stellte Engelhard Arzneimittel ein neues Nahrungsergänzungsmittel vor, das kleinen Babys und ihren Eltern deutliche Erleichterung verschaffen dürfte. Denn die am Firmensitz in Niederdorfelden der Fachpresse präsentierten neuen Velgastin® Biotic Baby Tropfen reduzieren die Schreizeit eines von Blähungen und Bauchweh geplagten Babys bereits nach sieben Tagen um bis zu 2,5 Stunden – und zwar pro Tag.

Im Durchschnitt schreien Neugeborene etwa 30 Minuten täglich. So machen sie auf ihre ganz normalen, täglichen Bedürfnisse aufmerksam. Doch viele Babys schreien viel länger, denn sie haben Bauchschmerzen, die von einem noch unreifen und noch nicht vielfältig besiedelten Darm-Mikrobiom herrühren. Dieses aber ist erforderlich, um zum Beispiel Muttermilch verdauen zu können. Babys, die in ihren ersten Wochen mit Antibiotika behandelt oder per Kaiserschnitt entbunden wurden, sind besonders gefährdet: Antibiotika zerstören auch die „guten“ Bakterien im Darm, und bei einem Kaiserschnitt entgehen die Säuglinge der von der Mutter auf natürlichem Weg verabreichten Impfung mit förderlichen Darmbakterien, die bei einer normalen Geburt erfolgt. Die Folge: Ein unreifes Darm-Mikrobiom, das seinen Aufgaben nicht gewachsen ist, den Babys langanhaltende Bauchschmerzen beschert und zu gequältem Schreien zwingt. Eltern üben dann häufig den sogenannten „Fliegergriff“, bei dem das Baby bäuchlings auf dem Unterarm von Vater oder Mutter liegt. Ob das Linderung bringt? Ungewiss. Sicher ist aber, dass Eltern diese Zeit als anstrengend und auslaugend erleben, denn Stress, Angst und Sorge um das Baby sind groß.

Am Aufbau des Darm-Mikrobioms setzen die neuen Velgastin® Biotic Baby Tropfen an: Das Nahrungsergänzungsmittel auf Ölbasis enthält eine patentierte Zusammensetzung von lebenden und aktiven Bifidobacterium- und Pediococcus-Stämmen, von denen klinisch erwiesen ist, dass sie ein ausgeglichenes Mikrobiom bei Säuglingen fördern. Damit greifen die Tropfen gleichsam an der Ursache an. Dabei genügen einmal täglich fünf Tropfen, um bereits spürbare Ergebnisse zu erzielen, betont Engelhard. Die mit dem sterilisierbaren Applikator leicht zu dosierenden Tropfen können bereits ab dem 1. Lebenstag angewendet werden und eignen sich gleichermaßen für gestillte Säuglinge sowie Babys, die mit der Flasche gefüttert werden.

Das neue Nahrungsergänzungsmittel gegen schmerzende Baby-Bäuche wurde gemeinsam mit dem spanischen Hersteller AB-Biotics entwickelt, der auch die Patente auf die verwendeten Bakterienstämme hält. Weltweit wurde das Mittel bereits 25 Millionen Mal verkauft. Senior Brand Managerin Zarah Adam, bei Engelhard verantwortlich für die Gastro-Marke Velgastin®, sagte zum Verkaufsstart: „Wir sind sehr glücklich, dass wir als Unternehmen dieses bei Eltern und Hebammen bewährte Produkt unter der Dachmarke Velgastin® auf den deutschen Markt einführen können. So verschaffen wir Eltern mehr Zeit zum Kuscheln, statt mit Fliegergriff das Baby von seinen Beschwerden befreien zu wollen.“

AMIRA glaubt: Vielen Eltern wird ein Stein vom Herzen fallen…

Cannabis I: Problematischer Cannabiskonsum hat zugenommen

Die Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen (DHS) verzeichnet eine steigende Zahl problematischer Cannabiskonsumenten, insbesondere seit der teilweisen Legalisierung des Kiffens. Dies geht aus dem jüngsten "Jahrbuch Sucht" der DHS hervor. Die Ambulanzen verzeichneten seit der Jahrtausendwende eine fast dreifache Zunahme von Fällen aufgrund von Cannabisproblemen, während stationäre Behandlungen sogar verzehnfacht wurden.

Die Anzahl der Kiffer hat sich in den letzten Jahrzehnten deutlich erhöht, wobei jeder Zehnte der 18- bis 59-Jährigen angab, in den letzten 12 Monaten Cannabis konsumiert zu haben. Die Experten betonen, dass Männer häufiger konsumieren als Frauen und ihren Konsum öfter als problematisch einschätzen. Obwohl seit dem 1. April der Besitz und Anbau von Cannabis für Erwachsene erlaubt ist und staatlich kontrollierte Anbauvereine geplant sind, fordert die DHS eine angemessene Finanzierung von Präventions- und Beratungsmaßnahmen. Die DHS warnt vor möglichen Umsetzungsschwierigkeiten während der Übergangsphase der Gesetzesänderung und betont die Notwendigkeit einer verstärkten Prävention und Ausbau der Suchtberatung. Trotz bereits vorhandener Angebote zur Prävention werden in einigen Regionen sogar Kürzungen beobachtet.

Neben Cannabis geht der Bericht auch auf den weitverbreiteten Tabak- und Alkoholkonsum ein. Während der Tabakkonsum rückläufig ist, bleibt Deutschland ein Land mit hohem Alkoholkonsum, wobei der Verbrauch über dem Durchschnitt der OECD-Länder liegt.

Cannabis II: THC-Grenzwert soll bleiben

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat trotz der teilweisen Legalisierung von Cannabis am bisherigen strengen Orientierungswert für Strafen bei schweren Verstößen festgehalten. Eine härtere Strafe droht gemäß dem Gesetz bei Taten, die sich auf eine nicht geringe Menge beziehen, wobei die Definition der „nicht geringen Menge“ der Rechtsprechung überlassen bleibt. Der BGH hat den Grenzwert für die Menge des Wirkstoffs Tetrahydrocannabinol (THC) auf 7,5 Gramm festgesetzt. Die Bundesregierung hatte zuvor angenommen, dass dieser Grenzwert überholt werden müsse, angesichts der legalisierten Mengen. Ab dem 1. April ist der Besitz und Anbau von Cannabis für Erwachsene zum Eigenkonsum mit bestimmten Vorgaben legal, wobei der Besitz zu Hause auf bis zu 50 Gramm und draußen auf maximal 25 Gramm begrenzt ist. Die Weitergabe und der Verkauf bleiben jedoch verboten.

Pharmaverband rechnet mit höherem Umsatz

Der Verband Forschender Arzneimittelhersteller (vfa) prognostiziert eine Erholung der deutschen Pharmaindustrie nach einem Umsatz- und Produktionsrückgang im Jahr 2023. Nach dem Ende des Booms um Corona-Impfstoffe soll die Branche wieder an die Vor-Pandemie-Zeiten anknüpfen und sich von der Flaute der deutschen Industrie abkoppeln, so der vfa in Frankfurt. Im vergangenen Jahr hat der rekordhohe Krankenstand in Deutschland die Pharmaindustrie gestützt, obwohl der Umsatz der Branche um 4,3 Prozent zum Vorjahr sank. Die Erlöse im Inland haben sich nach der Corona-Sonderkonjunktur lediglich normalisiert, aber gegen Jahresende angezogen, vermutlich aufgrund eines höheren Bedarfs infolge des hohen Krankenstands. Das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung sprach von einem Rekord-Krankenstand in Deutschland, wobei Beschäftigte 2023 im Schnitt 20 Tage im Job fehlten, vor allem aufgrund von Atemwegserkrankungen.

Für dieses Jahr erwartet der vfa ein Umsatzwachstum von 2,0 Prozent in der Pharmabranche und bis 2025 eine Steigerung um 1,8 Prozent. Auch die Produktion soll nach einem Minus von 3,5 Prozent im vergangenen Jahr 2024 um 2,1 Prozent wachsen und 2025 um weitere 1,7 Prozent. Der Beschäftigungsaufbau werde sich fortsetzen, während das Abflauen der Inflation wieder mehr Investitionen ermögliche. Der vfa lobte die Pharmastrategie der Bundesregierung, die unter anderem mit schnelleren Zulassungsverfahren und unbürokratischeren Genehmigungen die Arzneiforschung stärken will. Milliardeninvestitionen in den Bau von Produktionsstätten in Deutschland zeugten von Vertrauen in den Standort. Beispielsweise errichtet der US-Konzern Eli Lilly ein neues Werk im rheinland-pfälzischen Alzey, während der Schweizer Pharmakonzern Roche ein neues Produktionszentrum für Diagnostika im bayerischen Penzberg plant.

Allianz gegen Lieferengpässe 

Die Europäische Union hat vor geraumer Zeit den Kampf gegen Arzneimittel-Lieferengpässe verstärkt und im Dezember letzten Jahres die erste EU-Liste kritischer Arzneimittel veröffentlicht. Diese umfasst Medikamente, die für das Funktionieren der Gesundheitssysteme von entscheidender Bedeutung sind. Die Medicines Shortages Steering Group (MSSG) der Europäischen Arzneimittel-Agentur (EMA) hat nun Empfehlungen entwickelt, um die Verfügbarkeit und Versorgung mit kritischen Humanarzneimitteln in der EU zu verbessern. Dazu gehöre die Steigerung der Produktionskapazitäten und die Diversifizierung der Lieferketten durch Pharmaunternehmen. Zudem sollen bestimmte Akteure der Lieferkette kritische Arzneimittel lagern, um Engpässe auszugleichen.

Die EMA plant eigenen Angaben nach im Juni 2024 die Veröffentlichung von Leitlinien und Vorschlägen zur Vermeidung von Engpässen bei kritischen Arzneimitteln. Auch eine bessere wissenschaftliche und regulatorische Unterstützung zur Bekämpfung von Schwachstellen in den Lieferketten sei geplant. Parallel dazu hat die Europäische Kommission gemeinsam mit der belgischen Ratspräsidentschaft eine Allianz für kritische Arzneimittel ins Leben gerufen. Diese will verschiedene Akteure zusammenbringen, um über Maßnahmen zur Bewältigung und Vermeidung von Engpässen bei kritischen Arzneimitteln zu beraten. Die Allianz soll bis Ende des Jahres erste Empfehlungen zur Verbesserung der Versorgung mit diesen Arzneimitteln veröffentlichen. EU-Gesundheitskommissarin Stella Kyriakides betonte die Bedeutung der neuen Allianz für die Stärkung der Herstellungskapazitäten und die Diversifizierung der internationalen Versorgungsketten. Die Allianz hat derzeit etwa 250 registrierte Mitglieder, darunter Ministerien, Pharmaunternehmen, Industrieverbände, Nichtregierungsorganisationen und der Zusammenschluss europäischer Apotheker (PGEU). Sie steht offen für neue Mitglieder und ist auf fünf Jahre angelegt.

Bundesrat befasst sich mit Kinderarzneimitteln

In einer am Freitag verabschiedeten Entschließung des Bundesrates wird die Bundesregierung aufgefordert, die Versorgung mit Arzneimitteln, insbesondere für Kinder und Jugendliche, nachhaltig zu verbessern. Diese Initiative, die auf eine gemeinsame Anstrengung von Baden-Württemberg und Bayern zurückgeht, bezieht sich auf Erfahrungen der letzten Jahre mit knappen Kinderarzneimitteln und aktuellen Versorgungsengpässen.

Der Bundesrat betonte demnach die Notwendigkeit, Vorschriften für den Import und die Lagerhaltung dringend benötigter Medikamente zu lockern, insbesondere für Vor-Ort-Apotheken. Zusätzlich soll es möglich sein, Restbestände von Arzneimitteln, die aufgrund von Versorgungsmängeln eingeführt wurden, für einen bestimmten Zeitraum weiter zu verkaufen. Zudem wird mehr Handlungsspielraum für Apotheken beim Austausch von Arzneimitteln gefordert, sowie die Möglichkeit für Apotheken, von verordneten, aber nicht vorrätigen Wirkstoffen abzuweichen, wenn diese nicht auf der Substitutionsausschlussliste stehen. Für die Versorgung von Kindern und Jugendlichen sollen Apotheken wie Arzneimittelhersteller unbürokratisch Fiebersäfte und -zäpfchen herstellen und vertreiben können, um den steigenden Bedarf zu decken. Gabriele Regina Overwiening, Präsidentin der ABDA, begrüßte diesen Schritt.