Radweg benutzen? Pöbeln leicht gemacht!
Die Apothekenspitzelin fährt mit dem Rad zur Arbeit (zurück natürlich auch) und wird aus einem Auto heraus ziemlich übel angeraunzt. Dabei hatte sie nichts falsch gemacht. Was war da los?
Bestimmt habe ich es schon einmal kundgetan: Ja, wann immer es geht, fahre ich mit dem Rad zur Apotheke. Das ist schließlich umweltschonend und gesund, und man sieht was unterwegs. Außerdem wird man ganz schön fit beim Trampeln, vorausgesetzt, man bewegt sich mit der Kraft der eigenen Beine fort oder lässt die Unterstützung beim E-Bike auf „eco“ stehen. Bei schlechtem Wetter, das gebe ich gern zu, weiche ich dann auf wetterfeste Verkehrsmittel aus, vor allem in der kalten Jahreszeit, der garstigen. Welche ich dann wähle? Verrat´ ich nicht…
Jetzt will ich an dieser Stelle auch gar keine Überlegungen darüber anstellen, ob man lieber mit dem „Bio“-Bike oder dem mit Motor unterwegs sein sollte, wie manche vielleicht denken könnten. Die Frage ist auch gar nicht dazu geeignet, große Plädoyers zu halten, zumal Untersuchungen gezeigt haben, dass man seine Fitness sogar auf dem E-Bike steigern kann. Nein, vielmehr möchte ich hier meiner kleinen Reihe „Erlebnisse des Alltags, die für viel Unmut sorgen und eigentlich leicht vermieden werden könnten, weshalb sie ganz besonders nerven“ (erinnert ihr euch an die Supermarkt-Kassenrüpel?) ein weiteres Kapitel hinzufügen.
Straße eng – und ich mit dem Rad drauf…
Ich habe nämlich was erlebt. Beim Radfahren. Und zwar das hier: Donnerstag so gegen 12.30, ich rücke mit dem Rad für meine Schicht in der Offizin an. Der Weg ist rund sechs Kilometer lang. Seit ungefähr zwei Jahren habe ich ein Rad mit E-Antriebsunterstützung, nicht im Leasing- oder Jobradmodell, sondern einfach so gekauft. Ich bin zufrieden damit, weil ich im Schnitt etwas schneller unterwegs bin und ein paar Minütchen später losfahren kann. Na ja, und so richtig geschwitzt bin ich glücklicherweise auch nicht mehr, selbst bei hochsommerlichen Temperaturen.
Auf der Strecke fahre ich durch eine Seitenstraße, die zu beiden Seiten von Autos beparkt wird. Das verengt den Fahrraum natürlich, Autos kommen aneinander nicht mehr vorbei, sondern müssen sich eine Lücke suchen, wo sie dem Entgegenkommer ausweichen. Radfahrer zu überholen ist ebenfalls kniffliger, vor allem, wenn man den laut Straßenverkehrsordnung (STVO) erforderlichen Abstand von innerorts 1,50 Meter einhalten will. Nun befindet sich zwischen den parkenden Autos und dem Bürgersteig ein – hmmm, wie soll ich das Ding nur nennen? – Fahrstreifen, der die Anmutung eines Radwegs macht. Der Streifen ist vielleicht 1,20 Meter breit, mit einem Bordstein von der Straße abgegrenzt, zum Bürgersteig hin mit einem flachen Randstein. Er fällt zu den Autos hin leicht ab, vom Gehsteig her ragen einige Hochbeete mit Bäumen hinein, deren Wurzeln sich unter den Asphalt gegraben haben und diesen buckelig aufwerfen. Auf der Oberfläche zeigt sich ein grünlicher Belag, eine Mischung aus Moos und Algen – schön glitschig. Und fragt besser nicht, wie dieser Weg im Herbst aussieht, wenn überall feuchte Blätter liegen… Wahrscheinlich hatte man sich in den 60er Jahres des vorigen Jahrhunderts, als es viel, viel weniger Autos gab und dieser Streifen niegelnagelneu war, gedacht: „Schöner Radweg, das. Ganz, ganz prima!“
Finde ich überhaupt nicht: Das Ding ist schmal, abschüssig, glatt wie Seife, holperig, links können sich – wenn die Beifahrer aussteigen – unversehens Autotüren öffnen. Also fahre ich stattdessen auf der Straße. So wie vergangenen Donnerstag.
Pöbelei: „Verschwinde gefälligst“
Prompt überholt mich ein weißer Kleinwagen, durch dessen heruntergefahrene Beifahrertür-Scheibe eine erstaunlich junge Frau mich heftig anflegelt: „Hast du den Radweg nicht gesehen? Benutz´ den gefälligst, runter von der Straße, hier hast du nichts zu suchen!“
Boah ey – ich sag´ euch… Und am liebsten hätte ich ihr das auch persönlich mitgeteilt. Aber natürlich höre ich, noch bevor sie nach links abbiegt, wie sich die Fensterscheibe wieder nach oben bewegt – weg ist sie. Ich weiß nicht, ob es am hermetischen, Sicherheit und Unverwundbarkeit vermittelnden Stahlblechgehäuse namens „Auto“ liegt, dass die Leute in fahrende Erziehungspöbler verwandelt. Ich weiß nur eins: Die Frau hatte Unrecht. Und zwar voll und ganz!
Es ist nämlich schlicht und einfach so: Ich durfte sehr wohl auf der Straße fahren, denn auf genanntem „Radweg“ gab es von Asphaltschäden bis Wurzelwerk wahrlich alles, nur nichts, was mich als Radlerin zur Benutzung verpflichtet hätte. Im Allgemeinen werden die Verkehrsregeln hierzulande durch Schilder angezeigt, und das Schild, das mich auf den Radweg verwiesen hätte, ist rund und blau und zeigt ein weißes Fahrrad-Piktogramm. Es ist das Verkehrszeichen Nummer 237 und heißt „Radweg“. Das fehlte aber. Nochmal: Nur bei einem solchen Schild muss ich auf den Radweg, andernfalls kann ich auch die Fahrbahn benutzen. Achtet mal drauf: Das Schild steht längst nicht an jedem „Radweg“, wahrscheinlich, weil viele von ihnen in so schlechtem Zustand sind, dass man die Benutzung nicht vorschreiben will, weil es sonst gefährlich werden könnte. Die blauen Schilder gibt es in verschiedenen Varianten: Sind Fußgänger und Radfahrer-Piktogramm durch einen waagerechten Strich geteilt, müssen sich beide den Weg teilen, ein senkrechter Strich zeigt, dass beide ihren eigenen Bereich haben, den sie nicht verlassen dürfen. Fehlt eines der Schilder, gibt´s keine Radwege-Benutzungspflicht. (Das war die dritte Wiederholung, ab jetzt lass´ ich es.)
Fenster runter und rumpöbeln
Diese kurze Episode aus der Reihe „Erlebnisse des Alltags, die für viel Unmut sorgen und eigentlich leicht vermieden werden könnten, weshalb sie ganz besonders nerven“ erzähle ich aber eigentlich gar nicht für die Radlerinnen unter uns. Sondern für die, die Auto fahren und immer wieder mal aufsteigenden Groll wegen der Frage spüren, … wieso denn jetzt schon wieder ein Radler das zügige Vorankommen erschwert, obwohl rechts neben der Straße doch so ein wunderbarer Radweg entlangführt, die deshalb das Beifahrerfenster runterfahren und dem Radler eine Lektion in Verkehrserziehung verpassen… Dazu zwei Anmerkungen: Erstens sind meiner Beobachtung nach viele Radwege eben gar nicht wunderbar. Weswegen man diese, zweitens, in Ermangelung eines blauen Schildes häufig auch gar nicht benutzen muss. (Für alle, die mitgezählt haben: Ja, das war die vierte Wiederholung, jetzt reicht´s aber wirklich…) Was soll also das Gemotze?
In der Apotheke angekommen war der Ärger über das Rumgeraunze der Autofahrerin schon wieder abgekühlt, zack, Team-Polo übergezogen und geschaut, was der Tag sonst noch brachte. Für die kommenden Tage als Radlerin im Auto-dominierten Verkehr fände ich ganz schön: weniger Besserwisserei und Rumgepampe aus dem geöffneten Beifahrerfenster heraus, vor allem, wenn man mit der Nölerei komplett falsch liegt. Vielleicht trägt die Kenntnis von der Bedeutung bzw. dem Fehlen des runden, blauen Schildes ja dazu bei, diesen Wunsch zu erfüllen…
AMIRA fragt: Kanntest du die Bedeutung des Radweg-Schildes? Und vor allem, was Radler dürfen, wenn es nicht vorhanden ist? Und hattest du schon einmal ähnliche Erlebnisse?