Bye-bye Metamizol!

Rummms – der nächste! Jetzt wird auch der letzte Hersteller des so segensreichen Wirkstoffs Metamizol Europa verlassen und das hierzulande unter dem Namen Novalgin® bekannte Medikament in China produzieren.

Bisher kümmerte sich die Firma Euro-API um die Produktion von Metamizol, und zwar im Chemiepark von Hoechst in Frankfurt. Ohne Umstände oder nähere Gründe für die Verlagerung zu nennen, hat Euro-API, an der der französische Pharmakonzern Sanofi Anteile hält, beschlossen, den Wirkstoff künftig in Fernost zu produzieren. Im nächsten Jahr soll´s vorbei sein. Denn: China ist deutlich billiger.

Ist das schlimm?

Schlimm, was heißt das schon …? Natürlich wird es auch weiterhin Tabletten und Tropfen mit Metamizol, von Hoechst bereits im Jahr 1922 auf den Markt gebracht, bei uns geben. Es existieren schließlich zig Hersteller, die sich auf Generika spezialisiert haben und außerdem wird das Mittel ja auch weiterhin fleißig verordnet – wir kennen das aus unserer täglichen Arbeit. Droht uns da also die nächste Mangelsituation?

Erstmal nicht, möchte ich denken. Der Wirkstoff wird in ausreichender Menge zur Verfügung stehen, weil auch die chinesischen Hersteller ein Interesse daran haben, den Markt zu versorgen. Die wollen Geld verdienen und das können sie umso besser, je weniger Konkurrenz es gibt. Eine schöne Voraussetzung, um hin und wieder mal die Preise zu erhöhen. So funktioniert das halt in der Marktwirtschaft, selbst im Bereich „Pharma“. Es kann natürlich sein, dass mal wieder ein Tanker feststeckt irgendwo, oder China es rund um Taiwan knallen lässt, was unweigerlich zu Lieferengpässen führen würde. Aber wisst ihr was? Sollen andere sich drum kümmern, ich bin ja nur eine kleine Apothekenspitzel:in …

Energie ist alles

Aber so richtig kann ich es doch nicht lassen, das mit dem Nachhaken, meine ich. Ich frage mich also: Wo liegt der Grund dafür, dass in Frankfurt bald kein Metamizol mehr hergestellt wird, und dass, obwohl die Bundesregierung doch eigens eine Pharmastrategie aufgelegt hat, die die Produktion in Deutschland mit mehr als 40 Einzelmaßnahmen fördern soll? Kann es also Ursachen geben, die gar nicht allein im sehr speziellen Pharmamarkt liegen? Tja, ich glaube schon. Leider.

Es kommt mir vor, als bekämpfe Metamizol nicht nur Symptome, vielmehr scheint mir, dass die Produktionsverlagerung selbst ein Symptom ist. Für unsere hohen Energiepreise nämlich. Kurz zur Erinnerung, auch bei der Herstellung von Pharmazeutika handelt es sich um einen Zweig der guten alten Chemie. Und Chemie, die ist mit Wärmezufuhr verbunden, wofür man bekanntlich Energie in der ein oder anderen Form benötigt. Viele chemische Prozesse werden mit dem Brennstoff Gas befeuert, oft wird auch die Energieform „Elektrizität“ benötigt. Und die ist in Deutschland nun mal teurer als anderenorts.

Bevor ihr mir jetzt wieder die Ohren langzieht und mich rüffelt, ich solle so große Themen nicht so stammtischtauglich behandeln: Ich gebe zu bedenken, dass ich unsere Energiepreise ziemlich intensiv auch am eigenen Leib spüre. Und ich wette, euch geht es genauso. Vor allem der Strompreis ist mir deutlich zu hoch. Je nach Quelle, das habe ich nachgeschlagen, zahlen wir hier in Deutschland entweder den dritt-, den zweit- oder gar den höchsten Strompreis in Europa. Gut, viele Industriebetriebe profitieren von subventionierten Preisen für Strom und Gas, außerdem sollen die Preise ja auch wieder gesunken sein in letzter Zeit, wie unser Wirtschaftsminister meint. Und zudem gebe es den Ukrainekrieg als Ursache allen Übels, und überhaupt, andere Pharmahersteller wollen sich doch in Deutschland ansiedeln, wie auch wir kürzlich meldeten. Ja, schon. Dennoch bleibt es bei dieser einfachen Feststellung: Energie kostet hier viel mehr als anderswo.

Energiewende – vielleicht lieber etwas langsamer?

Woher kommen die hohen Preise für Gas und vor allem für Strom eigentlich? Was mir auffällt: Energiepreise scheinen überall dort durch die Decke zu gehen, wo Staaten große Stücke auf erneuerbare Energien halten und diese ausbauen: Deutschland, England, Irland, Dänemark. In Deutschland wurden im ersten Halbjahr 2024 rund 58 Prozent des Strombedarfs durch Erneuerbare gedeckt, meldet die Presse pünktlich zum Julibeginn. Jubel allenthalben. Aber selbst die Bild-Zeitung meint beim Verkünden: „Ohne Backup geht es nicht“. Was irgendwie klar ist, denn wenn die Sonne nicht scheint und der Wind nicht weht, braucht man entweder eine weiteres Energiesystem in der Hinterhand, oder man kauft große Mengen Strom bei den Nachbarn ein, so wie das deutsche Energieversorger in Frankreich, den Niederlanden und Polen tun. Beides macht Strom teuer.

„Und“, fragst du, „hast du auch einen Lösungsvorschlag, liebe Apothekenspitzel:in?“ Habe ich natürlich nicht. Aber ich finde, wir sollten uns alle eine Frage stellen: Wovor haben wir mehr Angst? Vor der Aufgabe der Metamizol-Produktion, beziehungsweise der von Paracetamol oder Antibiotika, vor dem Wegfall unserer Auto-, Stahl-, Maschinen-, Textilherstellung (nur so ein paar Beispiele jetzt…)? Oder eben doch vor dem Klimawandel? Wenn wir letztere bejahen, dann weiter so mit den hohen Preisen und der Abwanderung unserer (Pharma-)Industrie. Wenn nicht, wäre jetzt ein guter Zeitpunkt, noch einmal intensiv nachzudenken …

Und jetzt ein großes Versprechen: In der nächsten Kolumne werde ich wieder ganz andere Dinge beleuchten und weniger das ganze große Weltgeschehen betrachten…